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Es folgte auf ihn Wilhelm I., welcher um seiner schlechten Eigenschaften willen den Namen der Böse erhalten hat, der einzig überlebende von Rogers Söhnen, da seine Brüder Roger, Anfuso, Tancred und Heinrich vor ihm gestorben waren. Der schnelle Verfall eines so männlich starken und so zahlreichen Geschlechts ist auffallend; es schmolz in wenig Jahren bis auf einen einzigen Seitensprößling zusammen, und auch die Macht Siziliens sank sogleich von der Höhe, auf welche sie Roger gestellt hatte. Es zeigte sich, daß sie nur auf der persönlichen Kraft einiger Helden beruht hatte. Schon unter Wilhelms des Bösen Regierung finden sich in Sizilien Zustände, welche an die sarazenischen Emirate erinnern, die Günstlingsherrschaft eines Emporkömmlings Majone von Bari, Großadmirals des Reichs, welcher einen Anschlag auf die Krone machte; Verschwörungen, Palastrevolten, Aufstände des Adels, grenzenlose Verwirrungen. Der verhaßte König Wilhelm starb nach harten Schicksalen, nicht unberühmt durch Kriege, im Jahre 1166, 45 Jahre alt.
Mit seinem Sohn, Wilhelm II. oder dem Guten, der als elfjähriges Kind den Thron bestieg, endigte schon die gerade Linie des Normannengeschlechts. Die ersten Jahre der Regierung dieses Königs waren durch Streit um die Vormundschaft, durch Rebellion der Barone und durch Hofkabalen so tumultuarisch, wie es die Herrschaft seines Vaters gewesen war. Die Normannen konnten ihr schönes Reich erobern, aber dauernd behaupten konnten sie es nicht. Sie gingen unter, nachdem das südliche Klima und der orientalische Luxus ihre nordische Kraft gebrochen hatten, und sie scheiterten endlich an dem Feudalismus oder der unzähmbaren Wildheit des Adels. Auf dem vulkanischen Boden Neapels und Siziliens hat überhaupt keine Dynastie lange gedauert: jede war fremd, auf abenteuerliche Weise zum Besitz des Landes gelangt, und jede endete kläglich, meist durch Verrat. Wilhelm II. war übrigens seinem Vater ungleich, darum führte er auch den Beinamen «der Gute», den ihm wohl die dankbare Geistlichkeit beigelegt hat. Wenn der böse Wilhelm wie ein Sarazene lebte und üppige Gartenschlösser baute, so stiftete der Gute Kirchen und Klöster. Viele Denkmäler kirchlicher Architektur aus der Normannenzeit gehören ihm an, zumal der weltberühmte Dom von Monreale und die Kathedrale von Palermo. Er starb im jungen Alter von nur 36 Jahren, am 1. November 1189. Das Geschlecht Rogers war mit ihm ausgegangen bis auf einen Bastard, Tancred, Grafen von Lecce, den natürlichen Sohn Rogers, des erstgeborenen und frühverstorbenen Sohns von König Roger, und bis auf eben dieses Königs Tochter Constanza, welche an den Kaiser Heinrich VI. vermählt war. Rechtmäßig fiel also das Erbe beider Sizilien an den Kaiser; aber die nationale Partei unter den Sizilianern wandte sich an Tancred und berief ihn auf den Thron. Der Graf von Lecce kam aus Kalabrien und ließ sich im Jahre 1190 in Palermo krönen. Dieser tapfere Bastard hat viel Ähnlichkeit mit dem nochmaligen Könige Manfred; wie dieser war er fein gebildet, ein Dichter und Sänger und ausgezeichnet in mathematischer und astronomischer Wissenschaft, welche die Araber damals verbreitet hatten; wie Manfred war er edel und unglücklich. Aus dem Kampf, den er um sein väterliches Reich mit dem deutschen Heinrich zu führen hatte, ging er anfangs siegreich hervor; es fiel sogar Constanza, des Kaisers Gemahlin, in seine Hände; aber er behandelte sie mit ritterlicher Galanterie und schenkte ihr hochherzig die Freiheit.
Es schien als wollte der edle Zweig der Normannen in Tancred wieder aufblühen, denn er selbst hatte zwei Söhne, Roger und Wilhelm. Den Erstgeborenen, einen herrlichen Jüngling, hatte er mit Irene, des griechischen Kaisers Isaak Angelns Tochter, vermählt und ihn bereits krönen lassen; da starb Roger plötzlich im Jahre 1193. Dies Leid nahm sich Tancred so zu Herzen, daß er dem Sohn am 20. Februar 1194 nachstarb. Es blieben nun als Erben sein letzter minderjähriger Sohn Wilhelm übrig, welcher in Palermo gekrönt ward, und drei Töchter Albina, Constanza und Mandonia. Die Vormundschaft führte die Witwe Tancreds, Sibylla.
Unter diesen Umständen war es dem Kaiser Heinrich leicht, Sizilien zu erobern. Die Truppen Sibyllas wurden geschlagen, Messina, Catania und Syrakus fielen in des Kaisers Hand, die Barone traten auf seine Seite. Die unglückliche Königin hatte sich mit ihren Kindern auf die feste Burg Calatabellota gerettet und erwartete hier in Angst die Ereignisse. Am 30. November 1194 war Heinrich in Palermo eingezogen, das ihn festlich empfing, mit Paukenschall und Jubelliedern das neue schwäbische Herrschergeschlecht begrüßend. Hierauf unterhandelte Sibylla, da sie sich treulos verlassen sah. Der junge Prinz Wilhelm, welchem der Kaiser die Grafschaft Lecce und das Fürstentum Tarent feierlich zugesprochen hatte, erschien vor Heinrich und legte die Krone zu seinen Füßen nieder. Arglos waren die Unglücklichen in die Falle gegangen; denn kaum hatte sich Heinrich krönen lassen, als er auf das listig ausgesprengte Gerücht einer Verschwörung gegen die Anhänger des Normannenhauses und die unselige Familie seine barbarische Rache eidvergessen wüten ließ. Viele Barone und Geistliche wurden gemartert und hingerichtet, Sibylla mit ihren Kindern in den Kerker geworfen, der letzte Normanne, Wilhelm, geblendet; dann wurde jene Königin mit ihren Töchtern ins Kloster Hohenburg im Elsaß gebracht, wo sie lange Zeit in der Gefangenschaft lebten. Man weiß nicht, wie Wilhelm endete; eine Sage erzählt, er sei dem Kerker entflohen und habe dann als Eremit zu S. Jakob bei Chiavenna noch lange gelebt.
So tragisch fiel das heroische Normannengeschlecht, welchem das Glück einst die schönsten Länder der Welt geschenkt hatte. Sein Sturz wird um so bedeutungsvoller, weil ihm der Untergang des Hohenstaufengeschlechts so bald folgte. Die Nemesis vollzog dasselbe Schicksal auch an ihm. Wie es die Herrschaft Siziliens mit Blut und Greueln angetreten hatte, lud es das blutige Verhängnis auf sich und erntete eigentlich nur, was es gesät hatte. Wenn wir dem Bericht Glauben schenken dürfen, so wurde an demselben Tag, am 26. Dezember 1194, an dem der grausame Kaiser Heinrich seine Hand in das Blut tauchte, Friedrich II. geboren. Heinrich selbst starb schon drei Jahre darauf in Messina im Alter von nur 32 Jahren, und nun blicken wir gleich auf das trauervolle Ende der Hohenstaufen, um das Walten des Verhängnisses in der Ähnlichkeit ihres Geschicks mit dem der Normannen zu bewundern. Manfred, Bastard wie vor ihm Tancred, tapfer und hochgesinnt wie er, war verraten worden und in der Schlacht von Benevent gefallen; sein Weib Helena hatte sich mit ihren vier Kindern auf die Burg Trani gerettet, wie einst Sibylla mit ihren vier Kindern nach Calatabellota geflohen war; wie diese sah sich auch Helena von aller Welt verlassen, wie diese ward auch sie mit ihren Kindern gefangengesetzt. Sie starb vor Gram im Kerker; ihre Tochter Beatrix lebte 18 Jahre lang im Castel dell'Ovo in Neapel; ihre drei kleinen Söhne Heinrich, Friedrich und Anselino lebten mehr als 30 Jahre in der Gefangenschaft; Konradin endlich starb auf dem Blutgerüst.
Und wieder erweckte aus all diesem Blut dasselbe richtende Verhängnis den Rächer auch über das Haus Anjou in der Sizilianischen Vesper. Hier ist wahrlich Ebbe und Flut tragischer Schicksale.
Die Hohenstaufen fanden übrigens die Insel in einer schönen Blüte; von Natur ein Paradies, war sie unter der Normannenherrschaft durch Industrie und Handel reich geworden. Kein Feind hatte während ihrer Periode die Städte heimgesucht, aber von den Küsten des Orients und Afrikas war eine Fülle von Kostbarkeiten herübergebracht worden. Als Heinrich VI. seinen Einzug in Palermo hielt, ergötzte er sich an der Pracht der feenhaft schönen Stadt, und im Palast der Normannenkönige fand er große Schätze an Gold, Juwelen und seidenen Gewändern, welche er einschiffen ließ. Arnold, Abt von Lübeck, sagt: «Der Kaiser Heinrich zog in die Aula des toten Tancred ein und fand dort Lagerstelle, Sessel und Tische von Silber und Gefäße von dem lautersten Gold. Er fand auch verborgene Schätze und alles köstliche Gestein und die herrlichsten Kleinodien, so daß er 150 Saumtiere mit Gold und Silber, kostbarem Edelgestein und seidenen Gewändern belud und ruhmreich in sein Land zurückkehrte.»
Bei dieser Gelegenheit kam auch das wunderbar gearbeitete, mit arabischen Charakteren gestickte Krönungsgewand Rogers I. nach Deutschland, welches im Jahre 1424 auf Befehl des Kaisers Sigismund mit den anderen Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt wurde und für das Palladium Karls des Großen gegolten hat.
Neuerdings hat Reynaud die arabische Inschrift auf dem Mantel Rogers so übersetzt: «Gearbeitet in der königlichen Fabrik, dem Sitz des Glücks, der Erleuchtung und des Ruhms, der Vollendung, der Dauer, des Wohltuns, der guten Aufnahme, der Glückseligkeit, der Freigebigkeit, des Glanzes, der Reputation, der Schönheit, der Verwirklichung aller Wünsche und Hoffnungen, des Vergnügens der Tage und Nächte, ohne Aufhören und ohne Veränderung, mit dem Gefühl der Ehre, der Devotion, der Erhaltung, der Sympathie, des Glücks, der Gesundheit, der Hilfe und der Genugtuung: in der Stadt Siziliens, im Jahre 528» (1133 Jesu Christi). Diese schwülstige, phrasenhafte und lächerliche Inschrift im Geist des Orients auf dem Krönungsmantel des Normannenkönigs beweist hinlänglich, mit welchem Vergnügen sich die Normannen das arabische Wesen angeeignet hatten.
Wir haben aus jener merkwürdigen Zeit eine der ältesten Beschreibungen Palermos, von dem Normannen Ugo Falcando, der unter Wilhelm dem Bösen lange in Palermo gelebt hatte und dann nach der Normandie zurückgegangen war. Als die Dynastie Rogers sich dem Ende zuneigte, schrieb er einen Brief an Petrus, Schatzmeister der Kirche von Palermo, worin er über das Sizilien bedrohende Unheil klagte und zugleich einen Begriff von der Schönheit Palermos gib. Sein Brief atmet einen fanatischen Haß gegen die Deutschen. Nachdem der Normanne an Messina und Catania glühende Apostrophen gerichtet hat, sich den Barbaren zu widersetzen, wendet er sich auch an Syrakus und ruft aus: «Den Barbaren wird zu Dienst gezwungen werden jener alte Adel der Korinther, welche einst das Vaterland verließen und nach Sizilien hinübergingen, und welche eine für die Erbauung einer Stadt passende Stelle suchend, endlich auf dem schönsten Ufer Siziliens zwischen ungleichen Häfen deine Mauern am sichersten aufbauten. Was hilft dir nun die alte Blüte deiner Philosophen, und daß du den Mund der Dichter mit der prophetischen Quelle genetzt hast! Was hilft es dir, daß du das Joch des Dionys und seinesgleichen abgeschüttelt hast? Besser war es für dich, die Wut sikulischer Despoten zu dulden, als die Tyrannei eines barbarischen und greulichen Volks zu ertragen. Wehe über dich, hehre Quelle von gefeiertem Namen, o Arethusa, welche zu diesem Elend herabsank, daß du, welche einst die Gesänge der Dichter modulierte, nun die Trunkenheit der Deutschen mäßigen und ihrer Scheußlichkeit dienstbar sein mußt.» Falcandos Brief ist ein wichtiges Dokument für den Zustand Palermos unter den Normannen; der Verfasser ruft darin einmal aus: «Wer kann die herrlichen Gebäude dieser berühmten Stadt genug bewundern? Wer die Fülle der Quellen, welche überall strömen? Wer den Liebreiz der allezeit grünen Bäume? Wer die Wasserleitungen, die reichlich für den Bedarf der Bewässerung sorgen?»
Schon vor Falcando hatte Ibn-Haukal aus Bagdad in der Mitte des 10. Jahrhunderts Palermo in einem geographischen Werke beschrieben (Description de Palerme au milieu du X e siècle de l'ère vulgaire, par Ebn-Haucal, traduite par Michel Amari. Paris 1845). Diese Schrift ist zwar nicht von großer Bedeutung, aber doch merkwürdig genug. Der Verfasser teilt das arabische Palermo in fünf Quartiere. Im Al-Kassar (der Paläopolis des Polybius) bewunderte er die große Festtagsmoschee, die ehemalige Kathedrale der Christen, worin man ihm eine Kapelle zeigte, in welcher der Sarg des Aristoteles in der Luft schwebte. Zu ihm, so sagt er, beteten ehedem die Christen um Regen.
In Khalessah war die Residenz des Emirs. In Sakalibah (nach Amari das Viertel der Sclavonier) befand sich der Hafen. Das vierte Quartier war das der Moscheen, Ibn-Saktab. Im Süden der Stadt endlich lag das Quartier El-Jadid, die heutige Albergaria.
Er spricht von den vielen Kaufleuten und ihren Butiken, namentlich denen der Fleischer. Er führt die Bereitung des Papyrus an. Am meisten hält er sich jedoch bei den Fontänen auf, worunter er die Fawara nennt.