Ferdinand Gregorovius
Wanderjahre in Italien
Ferdinand Gregorovius

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Wer je von Salerno aus längs dem Meere nach Amalfi gewandert ist, wird wohl mit Freude dieses Strandes gedenken. Nichts Schöneres wird er in neapolitanischen Landen gefunden haben. Von allen Wanderstraßen, die ich in Italien gezogen bin, hat mir diese den lebhaftesten Eindruck zurückgelassen.

Sie führt hoch am Gestade entlang, da der Weg spiralförmig am Ufer hinläuft. Man hat also zur Rechten über sich die Bergkuppen, die grünen mit Ortschaften bedeckten Täler, die sich zwischen ihnen herniedersenken, unter sich das azurblaue Meer, und immer den Blick über die See auf Pästum und die Berge Kalabriens bis zum Kap Licosa, wo sich die Küste, nach dem Golf von Policastro umbiegend, dem Auge entzieht.

Der erste Ort auf dieser Straße und nahe bei Salerno ist Vietri. Die Lage dieses Städtchens erinnerte mich an Tivoli. Eine tiefe, große Schlucht zieht sich dort hinunter, vom Wasser durchbraust, welches vielerlei Mühlen treibt. Auf dem Rande steht Vietri, braun und bizarr, mit gekoppelten Kirchen und Kapellen. Tief unten an dem weißen Strande liegt die kleine Marine mit ihren Segelkähnen. Fast ein jeder dieser Orte, die hoch auf dem Ufer stehen, hat seinen kleinen Hafen. Da gab es die stillsten Fischerszenen, die sich besser in der Natur ausnehmen als auf der Leinwand, und blickt man von den Klippen auf die smaragdgrünen Wellen hinunter, so scheinen die Barken auf ihnen wie in ätherischer Luft zu schweben.

Nun regt der Anblick so vieler Türme am Meer und so mancher Burg auf den Felsenkronen die Erinnerung an, daß man jener Zeit gedenken muß, wo hier die Normannen ihr merkwürdiges Reich stifteten, welches in der Geschichte der Kultur Epoche machte und weit hinein ins Abendland wie ins Morgenland gewirkt hat.

Amalfi

Amalfi

Es waren wunderliche Zustände in Süditalien; wüste Herrschaft der Griechen und Langobarden, ewige Streifzüge der Araber, und glänzende Republiken wie Amalfi, Gaeta und Neapel. In jenem schönen Salerno, das sich nun so friedlich am Meere erhebt, herrschte der Langobardenfürst Waimar; eben lag eine Flotte der Sarazenen vor der Stadt, und die Moslems stürmten die Mauern. Die Salernitaner waren verweichlicht; die schlecht bewehrte Stadt drohte zu fallen. Nun fügte es sich, daß zu dieser Zeit vierzig Pilger, Normannen, auf amalfitanischen Schiffen vom heiligen Grabe zurück und nach Salerno gekommen waren. Sie forderten Waffen, stürmten aus dem Tor und stürzten unter die Moslems; ihnen folgten die beschämten Salernitaner; nach einem großen Blutbade hoben die Sarazenen die Belagerung auf. Waimar belohnte die Pilger fürstlich, und nachdem diese in die Normandie zurückgekehrt waren, entzündeten sie die Phantasie ihrer Landsleute durch Erzählungen von jenen Küsten Salernos, von dem ewigen Frühling des Landes, den süßen Früchten und den Schätzen, welche tapfere Männer dort erbeuten könnten. Also machten sich abenteuernde Normannen zuerst unter Dragut nach dem Süden auf. Es war der Anfang des elften Jahrhunderts. Dies Geschlecht war glücklicher als Napoleoniden und Muratisten.

Sismondi erzählt, daß sich seit jenen Tagen in der isländischen Sprache, der altskandinavischen Mundart, noch das Wort «figiakasta» erhalten habe, das heißt nach Feigen Lust haben, eine bildliche Redeweise für den Begriff einer heftigen Sehnsucht überhaupt.

Aber nun sind wir vor Cetara am Ufer angelangt, einem unbeschreiblich reizenden Ort, ja einer elysischen Fruchtoase in rauhfelsigen Bergmassen. Mir fiel gleich die maurisch pittoreske Bauart auf. Die Häuser sind klein und einstöckig, mit Logen und Verandas versehen, welche Weinreben umschlingen; ihre Dächer gewölbt und schwarz übertüncht. Die bizarre Architektur der kleinen Kirchen hebt sich phantastisch aus dem dunklen Laube der Orangenbäume. Es war eine so fremde Erscheinung, daß man wohl wähnen mochte bei Kairewan zu sein, mitten in einer uneuropäischen Kultur. Alles lachte von Sonnenglanz, Goldfrüchten und fremden Blüten; die weißen Häuser mit ihren Verandas waren alle in das üppigste Grün wie eingesponnen. Nirgend Unreinlichkeit, alles sauber und zierlich wie die Orangen, die Johannisbrotbäume und Maulbeeren, und fremd wie der blütenbedeckte, stachlichte Kaktus und die hohen Aloestauden.

Das schöne Cetara war der erste Ort an dieser Küste, wo sich Sarazenen niederließen, worauf sie dann weiter bis nach Amalfi hinauf über Majori und Minori, bis nach Scala und Ravello Kolonien gründeten.

Denn schon vor der Eroberung Siziliens streiften sie an diesem Strande. Die langen Kämpfe der Griechen mit den Städten und dieser mit den Langobarden Süditaliens zogen sie herein. Die Stadt Neapel selbst machte damit den Anfang im Jahre 836, da sich ihr Konsul Andreas an die Araber um Hilfe wandte, um sich dem Fürsten Sicard von Benevent zu entziehen. So schloß die damals blühende Republik ein Bündnis mit den Sarazenen, ungeachtet der Bannstrahlen der Päpste und der Drohungen des griechischen wie des römischen Kaisers. Dies Bündnis dauerte ein halbes Jahrhundert, und Chronisten erzählen, daß der Hafen Neapels damals aussah wie ein sarazenischer Port. Als nun nach Sicards Tode im Jahre 839 die Langobardenherrschaft in Benevent und Salerno auseinanderfiel, und dort Radelchis, hier Siconulf sich befehdeten, rief jeder dieser feindlichen Fürsten einen Sarazenenschwarm zu sich. Siconulf nahm in Dienst Apolofar mit einem Heerhaufen von Kreta; diese Araber bauten sich in der Umgegend Salernos an.

Nachdem jedoch Siconulf und Radelchis im Jahre 851 sich in Benevent und Salerno geteilt hatten, setzten sie in den Friedenspakt ausdrücklich die Bestimmung: die Sarazenen nicht mehr auf der Küste zwischen Amalfi und Salerno zu dulden. Trotzdem blieben ihrer viele zurück, die sich hatten taufen lassen. Sie haben jenen Orten für die Dauer ein maurisches Gepräge aufgedrückt. Andere kamen von Sizilien herüber, als im Verlaufe des neunten Jahrhunderts ganz Kalabrien muselmanisch zu werden drohte, in Bari ein Sultan herrschte, Tarent in die Gewalt der Araber gefallen war, und sie selbst Rom bedrohten, wo sie die Kirchen Sankt Peter und Sankt Paul plünderten, während Neapel ihnen fortdauernd Freundschaft hielt, trotz dem Kaiser Ludwig II.

Sie siedelten sich in Cetara von neuem an im Jahre 880; im selben Jahre gab ihnen die Republik Neapel ein Stück Land am Sebetos; unter dem Vesuv setzten sie sich fest, in den klassischen Gegenden Pompejis, endlich auch am Garigliano, von wo aus sie ganz Campanien durchstreiften. Auch in der Nähe von Paestum stifteten sie ihre Kolonie Agropolis.

Paestum

Paestum

Sie schwanden aus diesen Gegenden nicht einmal zur Zeit der Normannenherrschaft. Viele waren Christen geworden, andere blieben im Dienste Ruggieros, und so brachten sie in das Land Salerno orientalische Sitten und Kultur. Der Name Cetara selbst scheint arabisch und klingt nach der Gitarre.

Die Sonne brannte schon heiß auf die nackten Felsen, an denen wir rüstig weiter schritten, und noch war es weit bis Amalfi. Von hier ab wird die Küste immer entzückender. Wolkenhohe Berggipfel steigen schroff empor; ihre braune Farbe im glänzenden Sonnenlicht, welches das Meer zu unseren Füßen immer tiefer erblauen ließ, lag im schönsten Gegensatz zu Himmel und See. Auf einzelnen Bergspitzen schwärzliche Ruinen alter Kastelle aus der Normannenzeit. Sie beschirmten einst die Ortschaften, welche unter den Berghängen liegen. Dort stehen Majori und Minori, Städtchen gleich jenem maurischen Cetara, in märchenhafter Stille, in Gärten versteckt und an die Berge angelehnt.

Der Strand bei Minori und Majori ist das Reizvollste, was die Ufer der Golfe von Salerno, Amalfi und Sorrent zu bieten haben, und auf die Gefahr, der Ketzerei beschuldigt zu werden, will ich es dreist behaupten, daß ihre Lage die Sorrentos weit übertrifft. Nirgend sah ich Orte von solcher Grazie. Da liegt zuerst Majori, welches Sicard von Salerno im neunten Jahrhundert erbaute; ein schmaler Strand, schneeweiß und feinsandig, faßt seine Marine ein. Oben hängen Gärten von den terrassierten Bergen; lockend stehen dort die zierlichen weißen Häuser, von denen ein jedes eine Villa zu sein scheint. Hoch oben erhebt sich ein altes Schloß. Die stillsten Wege und Straßen verlieren sich in den Berg hinein, von dem ein munteres Wasser herunterströmt. Die zauberische Einsamkeit befängt das Gemüt, und wohl steigt jedem Wanderer die Sehnsucht auf, hier zu leben oder doch einen Sommer zuzubringen; nun gar dem Nordländer wird ganz und gar «figiakasta» zumute.

So saßen wir denn auch in einer zierlichen, buntgemalten Schenke am Meer, bei den Weinbechern, saftige dunkle Feigen und goldne Orangen vor uns aufgeschichtet. Die heiße Luft, das Atmen des Meers und der Duft der Blumen machten uns schlaftrunken.

Auch in Minori rasteten wir in einem Kaffeehause. Die Häuser sind hier alle so klein und niedlich wie die pompejanischen. Jenes Stübchen war so enge, daß nicht vier Menschen darin bequemen Platz hatten. Am Schenktisch stand der Wirt mit einem Fliegenwedel in der Hand und wehte uns Luft zu und die Fliegen ab und schwatzte allerlei Geschichten im Dialekt jener Gegenden, besonders von den Makkaroni, welche hier wie am ganzen Ufer von Amalfi gefertigt werden und das ganze Königreich Neapel versorgen.

Wir stiegen in der Nachmittagssonnenglut die Berge Minoris aufwärts, bogen dann um einen Ufervorsprung und sahen vor uns Atrani, welches durch einen gigantischen Fels von Amalfi getrennt wird.

Die Lage Atranis ist durch Großartigkeit überraschend. Auf dem höchsten Ufer, dessen Felsen sich wolkenhoch auf türmen, zieht es sich in Pyramidenform bergan. Die pittoreske Bauart der Häuser mit Logen macht den Anblick noch fremdartiger, und blendend wirkt die weiße Farbe der Mauern auf dem schwärzlichen Grunde der Felsen. Diese teilten sich zur Seite des Orts in zwei Massen, durch welche sich ein grünes Tal niedersenkt. Die Felsen krönen Türme und Kastelle; hoch oben wächst in den Spalten des Gesteins die Fächerpalme. Ringsum liegen auf den steilsten Bergen andere Orte, nur mit Mühe zu erklettern, in der wildesten Felseneinsamkeit, doch selbst auf dieser Höhe noch umgrünt von Weinwuchs und schattigen Kastanienhainen. Hoch über Atrani stehen Pontone, Minuto, Scala und Ravello.

Unter diesen Orten ist Ravello ausgezeichnet als sarazenische Erinnerung. Es liegt hoch über Atrani. Man steigt von hier auf einem schwierigen Pfade, durch bedeckte Galerien und über Felsgestein einen wildromantischen Weg empor, immer zwischen Weingärten, Johannisbrotbäumen und Kastanien. Der Blick auf das Meer wird, je höher man klimmt, desto entzückender. Über braune Felsen blickt man in die blaue See hinunter, welche zwischen den bizarren Bergkuppen Pontones hereinzuquellen scheint. Unter den Füßen grüne Abhänge, bedeckt mit den Wohnungen friedlicher Menschen, die kein Sarazene mehr aufstört.

Wir kamen an den verlassenen Konvent der Klarissinnen und sahen hier zuerst den maurischen Bogenstil. Dann stiegen wir nach der Villa Cembrono hinüber, einem in Oleandern und Rosen vergrabenen Landhause eines reichen Neapolitaners, welches von der Höhe des Felsens kühn ins Meer hinuntersieht. Diese Vigna ist unvergleichlich, und vor allem setzte mich die große Pergola oder Rebenlaube in Erstaunen, die quer durch den Garten läuft. Es war ein von weißen Pfeilern getragenes Dach, ganz in Rebenlaub gehüllt und voll von schwellenden Trauben; in dem sauber gehaltenen Garten die köstlichste Blütenpracht ungezählter Gewächse des Südens, in der vollen Glorie des Julimonats. Am Felsenrande ein Belvedere, von erschrecklichen Marmorfiguren eingefaßt, die aber aus der Ferne gesehen von guter Wirkung waren. Von hier aus sieht man die strahlenden Meeresweiten, die Küsten Kalabriens mit ihren silbernen Bergspitzen, die mächtig ragende Punta di Conca und das finstre Kap d'Orso bei Magiori; alle diese Berge von den schönsten Schwingungen der Formen, von einer ernsten, bronzenen Plastik. Ja, dies ist eine Aussicht, die man mit tagelanger Mühe erkaufen würde; und hier ist sehen und schweigen besser als reden. Blickt man aus diesem Armida-Garten voller Rosen und Hortensien in jenes sirenische Meer, das ein zweiter lichtdurchdrungener Himmel zu sein scheint, dann sehnt man sich zu fliegen. Ich glaube, Dädalus und Ikarus saßen einst in seliger Abendruhe auf solchem Felsenvorsprung über dem kretischen Meer; da erfaßte sie Sehnsucht zu fliegen; sie erhoben sich und machten sich Schwanenflügel.

Wir stiegen weiter aufwärts nach dem Kloster Sant' Antonio. Auch dies ist ganz moresk, mit kleinen Ziersäulen in gebrochenen Bogen. Nun traten wir in das alte Ravello ein und hatten plötzlich, mitten in dieser Felsenwildnis, eine maurische Stadt vor uns, an Türmen und Häusern mit phantastischen Arabesken ganz arabisch anzusehen. Sie ist aus schwarzem Tuff gebaut, in grüner Bergöde vereinsamt und verlassen. Hier ist die Welt hinweggeschwunden; nichts als Bäume und Felsen; tief unten in träumerischer Ferne bisweilen das purpurfarbene Meer. Hohe, schwarze Türme in Gärten, bizarre Architekturen moresken Stils mit halbzerstörten Arabesken über den Fenstern und den graziösen, kleinen Säulen in den Bogen.

Am Markt steht neben der Kirche ein altes maurisches Haus, ebenfalls aus schwarzem Tuff, mit Arabesken geschmückt. Zwei wunderlich gebildete Säulen schließen die Ecken. Das Dach besteht aus einer Reihe gewölbter Aufsätze nebeneinander. Man nennt dieses Gebäude «il teatro moresco». Ohne Zweifel war es einer der Paläste der alten Signoren Ravellos. Denn diese jetzt öde Stadt war ehemals eine blühende Kolonie Amalfis und zählte 36 000 Einwohner. Reiche Familien verpflanzten allen Luxus hierher, welchen die Verbindung mit dem Orient und den Sarazenen Siziliens erzeugen mußte. Besonders mächtig waren die Afflitti, Rogadei, Castaldi, und vor allem die Ruffuli. Diese Herren bauten sich prächtige Paläste in den schönsten Gärten, mit Fischweihern und springenden Fontänen, streng nach dem Stil der Araber, und arabische Baumeister führten die Anlagen aus. Ravello blieb in beständigem Verkehr mit den Sarazenen, solche wohnten selber hier, und bis auf Manfreds Zeit lagen Araber hier in Garnison. So geschah es, daß dieser Ort einer der ersten in Süditalien war, welcher rein maurische Architektur in sich aufnahm, und daß er heute einer der wenigen ist, die deren Überreste erhalten haben.

Ich fand in dem kleinen Ravello fast ebensoviel moreske Bauten als in Palermo selbst, wo die Schlösser Cuba und Zisa bis auf die Umfassungsmauern geschwunden sind. Da ist gleich der Palast Ruffuli eine wahre Fundgrube sarazenischen Baustils jener Zeit und Gegenden. Er liegt in einem Garten und gehört seit drei Jahren dem Engländer Sir Francis Nevil Reed, der ihn erst aus dem Schutt hat ausgraben lassen. Der schöne Palast ist eine kleine Alhambra zu nennen, ein Gebäude von mehr als dreihundert Gemächern in drei Stockwerken, die alle von moresken Säulen getragen werden. Die Säle sind mit Arabesken reich verziert und haben ganz den sizilischarabischen Charakter. Sie müssen von einer feenhaften Pracht gewesen sein. Daneben steht noch eine Rotunde in sarazenischem Stil mitten im Garten, ein Rest von Mauern und ein viereckiger Turm; Bogen und halbversunkene Hallen lassen auf andere Anlagen von Bädern und Höfen schließen, die ein wohlgeschlossenes und zugleich kastellartiges Ganzes müssen gebildet haben. Man kann sich hieraus eine Vorstellung von dem Reichtum machen, der bei den Familien Ravellos zu jener Zeit aufgehäuft lag.

Wie nun alle jene Landschaften Neapels herabgekommen sind, lehren solche Überreste alter Herrlichkeit in den verarmten Städten. Zweimal blühten jene von der Natur überschwenglich gesegneten Küsten: im griechischen Altertum, wovon das nahe Paestum das redende Zeugnis gibt, und im republikanischen Mittelalter, als Neapel, Gaeta, Amalfi und Sorrent mit ihren Flotten die Meere bedeckten, lange bevor sich der republikanische Geist, der letzte Rest altgriechischer und römischer Städteverfassungen, nach Norditalien zog, und Genua, Pisa und Venedig zur Macht gelangten. Das erstemal zerstörten die Römer die Blüte Süditaliens, das zweitemal sank sie unter der Fremdherrschaft der Normannen, und tiefer und tiefer bis zum heutigen Elend. Es fehlt noch an einer gründlichen Geschichte jener süditalienischen Republiken vom siebenten Jahrhundert bis auf Roger von Sizilien. Ich sah unterdes ein wunderbares Lichtphänomen über dem Meer, als ich im Garten Ruffuli stand. Die Sonne ging eben unter. Die Berge über Paestum und Salerno erblaßten schon zu einer tiefgrünen Samtfarbe; hoch über Paestum schwebte ein riesiges weißes Gewölk, welches den vollen Glutbrand der Abendröte empfing. Es glich einer über die Himmel wachsenden Feuerrose, und so warf es sein Licht über das Meer, den ganzen weiten Golf Salernos entzündend, bis es sich nach und nach vergoldete, dann mit blaßgrünen Farbenstreifen durchzog, ins Viole, Gelbliche, Graue hinüberspielte und endlich erstarb.

Ich könnte noch mancherlei Dinge von Ravello erzählen, zumal vom alten Dom, den Niccolo Ruffuli im elften Jahrhundert erbaute, wo eine seltsam mosaizierte Kanzel und alte Bronzetüren zu sehen sind, und in einer Ampolla das Blut des San Pantaleo so gut flüssig wird wie jenes des San Gennaro; aber es sei genug, denn man muß weder zu viel sehen noch zu viel erzählen.


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