Ferdinand Gregorovius
Wanderjahre in Italien
Ferdinand Gregorovius

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Die Zustände verschlimmerten sich in der Zeit des avignonischen Exils der Päpste; die Mönche, ungehorsam, stolz und zügellos, warfen oft das Joch der Äbte ab, so daß die Abtei viele Jahre hindurch unbesetzt blieb; wenn aber ein Papst aus Avignon einen Abt nach Subiaco schickte, brachte er Mönche wie Vasallen durch schrankenlosen Despotismus in Verzweiflung. Man weiß von Bartolomeus aus Monte Cassino, im Jahr 1318 zum Abt in Avignon geweiht, daß er das ausschweifendste Leben führte und auf dem Burgpalast sich einen Harem von schönen Mädchen hielt, während ihm die Mönche in Lüsten jeder Art keineswegs nachgaben. Das Kloster drohte sich aufzulösen und nur der fürchterlichen Strenge des Franzosen Ademar mochte es seine Erhaltung zu verdanken haben. Dieser kleine Tyrann war Abt um das Jahr 1353. Man mag sich vorstellen, welcher Art der Zustand in der Abtei war, wenn Ademar sich nicht scheuen durfte, eines Tages sieben aufsässige Mönche an den Beinen aufzuhängen und durch ein unter ihren Köpfen qualmendes Feuer langsam ersticken zu lassen. Ademar war erklärter Ghibellin; er schlug einst die Truppen des Bischofs von Tivoli, des Anhängers des Papstes, am Anio vor dem Tor von Subiaco. Und noch heute sind die Bürger jenes Orts auf diesen lokalen Triumph stolz; sie zeigen dem Fremden die aus einem Bogen gewölbte und mit einem kleinen Turm bewehrte Brücke, welche dort über den Anio führt: dieselbe, die Ademar aus der Beute und durch die Gefangenen von Tivoli hatte erbauen lassen.

Aber die Verwirrung stieg aufs äußerste; die schwelgerischen Äbte hatten sich gewöhnt, ihre Tage bei köstlichen Schmäusen und unter den Dirnen ihres Palasts zuzubringen. Einer nach dem andern ward zur Abdankung gezwungen, und da keine Erlasse der römischen Kurie noch wiederholte Reformen fruchteten, beschloß Urban VI., dem Unwesen durch einen Gewaltstreich ein Ende zu machen. Durch seine Bulle vom Jahre 1386 entzog er den Mönchen von Subiaco das alte und wichtige Recht, den Abt zu wählen. Sie hatten seit dem Bestehen des Klosters der Reihe nach schon 57 Äbte gewählt, stolz auf die Privilegien ihres kleinen Wahlreichs, welches an ehrwürdigem Alter die Königreiche der Welt übertraf. Sie beugten sich murrend dem Machtgebot des Papstes, und seither begann der Glanz dieser Benediktinerabtei mehr und mehr zu schwinden.

Nun wählten die Päpste die Äbte, und man nannte diese so eingesetzten Klosterfürsten «Manuales», weil sie aus den Händen des Papstes ihr Amt empfingen. Der erste Abt in dieser Reihe war Tomasco von Celano, ein warmer Anhänger der Partei Urbans und ein Mann von rühmlichen Eigenschaften. Diese Ordnung der Dinge bestand bis zum Jahre 1455, wo die Äbte, noch immer mit der vollen Lehnsgewalt über ihr Gebiet ausgerüstet, auch dieses Recht verloren.

Man erzählt, daß die fortdauernde Tyrannei, welche sie gegen ihre Hörigen verübten, Veranlassung zu diesem Verlust wurde. Indem das Regiment der Mönche wie ein Fluch auf den armen Untertanen lag, welche durch gottlose Justiz um ihre Freiheit gestraft die Kerker anfüllten, die Tortur duldeten und nicht selten in den unterirdischen Brunnen der Burg hinabgestürzt wurden, war die Erbitterung des Volkes aufs höchste gestiegen. Ein Zufall gab zum Losbruch das Zeichen. Im November des Jahres 1454 geschah es, daß 15 junge Leute zwei Mönche auf der Straße verhöhnten und endlich mit Hunden hetzten. Die übel zugerichteten Klosterbrüder klagten dem Abt ihre Mißhandlung: in der Nacht sandte dieser seine Häscher nach den Häusern, wo die Jünglinge, unter ihnen einige von angesehenen Familien, wohnten, und als die Sonne aufging, erblickte die Bevölkerung alle jene 15 Unglücklichen am Galgen hängen. Der Hügel, wo dies geschah, wird noch heute «Colle delle forche» genannt. Da erhob sich das Volk in Wut, es strömte nach dem Kloster, hieb die Pforten mit Beilschlägen auf, ermordete die Mönche oder stürzte sie aus den Fenstern in die Tiefe und verwüstete die Klostergebäude. Dieser Vorgang war folgenschwer. Denn am 16. Januar 1455 erhob Calixtus III. die Abtei Subiaco zu einer Kardinalskommende; er verordnete, daß jedesmal ein Kardinal die reiche Pfründe unter dem Titel eines Abts zu verwalten habe. Er verlieh sie dem gelehrten Spanier Johann Torrecremata, Kardinal von S. Maria in Trastevere, und befahl ihm, die Verfassung der Abtei und aller ihr zugehörigen Kastelle zu reformieren. Es wurde hierauf ein neues Statut entworfen und festgestellt, daß der jedesmalige Abt zuerst vor dem Gemeindekörper von Subiaco das gerechte Regiment zu beschwören habe, worauf ihm dann erst die Untertanen der Abtei den Eid der Treue leisteten. Denselben ersten Kardinalabt von Subiaco und dieses Kloster ziert der schöne Ruhm, das erste außerhalb Deutschland in Italien gedruckte Werk ans Licht gefördert zu haben. Es waren die trefflichen deutschen Buchdrucker Konrad Schweinheym und Arnold Pannartz, welche, ehe sie die römische Druckerei in dem Palast des Fürsten Massimi einrichteten, wo sie den Virgil druckten, in der Abtei der Benediktiner von Subiaco gastliche Aufnahme fanden. Sie vollendeten daselbst am 30. Oktober 1465 den Druck der Institutionen des Lactantius, und hierauf im Jahre 1467 Augustins Werk «De civitate Dei». Diese besten Denkmäler der Mönchsherrschaft und zugleich ehrwürdigen Monumente unseres deutschen Vaterlandes bewahrt noch heute die Klosterbibliothek der S. Scholastica.

Der gelehrte Beschützer der Wissenschaften Torrecremata starb zu Rom im Jahre 1467. Sein Nachfolger war gleichfalls ein Spanier, jener berüchtigte Roderich Borgia, nachmals Alexander VI. Man sagt ihm nach, daß er während seiner zeitweiligen Residenz als Kardinalabt in Subiaco die Schwelgereien seiner Vorgänger überbot. Er wohnte ab und zu im Palast der Burg, und wer heute diese Säle und Gemächer durchwandert, mag sein Interesse leicht steigern, wenn sie seine Phantasie mit der üppigen Gesellschaft des damaligen Rom bevölkert, und wenn er in denselben die berühmten Kinder Alexanders, Lucrezia Borgia, Cäsar und den unglücklichen nachmaligen Herzog von Gandia erblickt. Die schöne Bergwildnis hatte im Laufe der Zeiten soviel widerspruchsvollen Wechsel gesehen und in ihrer Einsamkeit die grellsten Konstraste menschlicher Natur verborgen. Das gottlose Laster und der Gewissensbiß, welcher den Despoten peinigt, hatten dort ihr Versteck gesucht, und die fromme Schwärmerei heiliger Anachoreten dort Verborgenheit vor der Welt und ein Asyl für das verzückte Gebet gefunden. Nero und Benedikt flüchteten hierher, und auf demselben Schauplatz schwelgten und jagten die Borgia und entwarfen in der Stille dieses Aniotals die ehrgeizigen Pläne ihrer Zukunft.

Borgias Andenken wird nicht durch gelehrte Druckwerke wie das seines Vorgängers gefeiert; aber im Palast der Burg lebt sein Name fort. Er baute daselbst im Jahre 1476 einen Flügel aus und setzte darüber den noch bestehenden viereckigen Turm. Den Stier seines Wappens sieht man auf der Außenmauer, und die Inschrift sagt, daß der Kardinal Roderich die Burg von Subiaco gefestigt habe, den Mönchen und der Abtei zum Schutz und den Grenzen der römischen Kirche zur Sicherheit. Sechzehn Jahre später wurde er auf den päpstlichen Thron erhoben. Er bezahlte die Stimme des Johann Colonna im Konklave, indem er diesem Kardinal am 11. August 1492 die Abtei verlieh, deren Kommende er bisher genossen hatte. Aber die Freundschaft zwischen dem Papst Alexander und den Colonnesen dauerte nur kurze Zeit: die mächtigste Familie Roms begann die ausschweifenden Pläne der Borgia zu durchkreuzen, welche sich anschickten, mit List und Gewalt und auf Kosten der Großen eine weltliche Herrschaft zusammenzuraffen. Johann mußte jedoch nach Sizilien entfliehen, und seine Kommende ward ihm entrissen. Während der Dauer des Pontifikats Alexanders wurde sie von Luigi de Aspris, einem Palermitaner, verwaltet.

Kaum war jedoch Alexander tot und die Macht seiner Familie zerronnen, als dessen Nachfolger Julius II. Johann Colonna wieder in die Abtei einsetzte. Im Jahre 1508 hinterließ er sie seinem berühmten Neffen Pompeo. Dieser galante und gelehrte Kardinal lebte in sorgloser Üppigkeit auf dem Palast der Abtei; er verführte dort, wie erzählt wird, die schöne Marsilia, Tochter des Attilio Corsi, welche er gezwungen oder überredet hatte, ihm in die Gemächer der Burg zu folgen. Mit gezücktem Dolch drang eines Tages der Vater in die Zimmer des Kardinals, aber von den Dienern ergriffen, wurde der Unglückliche ohne weiteres in das Verlies hinabgestürzt. Pompeo hatte sich bereits mit Julius II. überworfen, weil dieser Papst die Abtei von Subiaco mit der von Farfa vereinigte. Dies ist das dritte der alten und berühmten Benediktinerklöster; es war bereits im sechsten Jahrhundert auf der sabinischen Campagna gegründet und dann von den Langobardenherzögen Spoletos, in deren Gebiet es lag, erweitert und ausgestattet worden. Die Verbindung beider Abteien gab seither zu fortdauerndem Streite Grund. Denn eine Partei unter den Mönchen begehrte die Vereinigung mit Monte Cassino, welche auch im Jahre 1514 durchgesetzt wurde; die andere, deutsche Partei bestand auf der Verbindung mit Farfa. Farfa führte den Titel einer kaiserlichen Abtei und zählte viele deutsche Mönche unter den Klosterbrüdern. Sie führten laute und wiederholte Beschwerden vor dem deutschen Kaiser; die Subiacesen selbst neigten sich zu ihnen, und mehrmals wurden die Benediktiner von Monte Cassino vertrieben, mehrmals durch die Päpste wieder eingesetzt.

Pompeo Colonna nun, von Julius II. exkommuniziert, von Leo X. wieder eingesetzt, trat die Kommende seinem Neffen Scipio ab. Dies war colonnesische Politik: in der lateinischen Campagna sehr mächtige Gebieter, wo sie seit alters aus Städten der Volsker und der Herniker ein kleines Reich sich gebildet hatten, trachteten sie danach, auch die schöne Abtei Subiaco ihren Besitzungen dauernd einzuverleiben, und indem die Kardinäle dieses Hauses es bei den Päpsten durchsetzten, die Kommende an ihre Neffen noch bei Lebzeiten abtreten zu dürfen, konnten sie Subiaco in der unglaublich langen Zeit von 116 Jahren beherrschen. Denn so lange blieb die Abtei in den Händen jener Familie, trotz aller Zerwürfnisse und Kriege mit den Päpsten. Clemens VII. erlitt sogar eine empfindliche Niederlage. Es ist bekannt, daß dieser Papst seinen Ruin den Colonna verdankte, mit welchen er den berüchtigten Campagnakrieg führte. Seine Truppen zerstörten im Jahre 1527 die Rocca von Subiaco, aber sie wurden am 28. Juni des folgenden Jahres unter der Führung des Napoleon Orsini auf den Bergen Subiacos völlig vernichtet. Das eigene Banner des Papstes wurde von den Subiacesen erobert; es hängt noch heute als Trophäe in der Klosterkirche der S. Scholastica, und an demselben Schlachttag feiert noch alljährlich Subiaco eine Prozession zum Andenken an den Sieg über einen Papst. So hartnäckig sind hier im Land historische Erinnerungen.

Die Herrschaft der Colonna in der Abtei war tyrannisch, im Charakter des 16. und 17. Jahrhunderts, ein Baronalregiment von gesetzloser Willkür, wie es Manzoni in seinem Roman auf lombardisch-spanischem Gebiet geschildert hat. Diese Kardinäle auf der Klosterburg, luxuriös und habgierig, sahen in dem Purpur, den sie trugen, nichts als das Fürstengewand; ihre besoldeten Banditen, schon damals mit dem Namen Bravi bezeichnet, führten ihre Winke getreulich aus, und weder Eigentum noch Ehre der Familien waren vor den Söldlingen sicher, die im Hof der Felsenburg lagerten. Während noch die Händel wegen Farfa und Monte Cassino lebhaft waren, geschah es sogar, daß in einer Nacht Scacciadiavolo, der gefürchtete Bravo Pompeos, mit 44 Bewaffneten das Kloster S. Scholastica überfiel, es plünderte und alle Mönche herauswarf. Man sagte sich, daß der Kardinal seine Hand mit im Spiel gehabt habe; und wirklich wurde er vom Papst entsetzt, um bald wieder hergestellt zu werden. Die Geschichte jener Zeiten ist reich an frechen Gewalttaten der Art, und es gibt in Subiaco Orte genug, welche dunkeln Erinnerungen geweiht sind. Man zeigt noch heute den Platz unter der Burg, wo mancher Bürger lebendig in die Erde eingegraben wurde, eine gräßliche Todesart, da man den Verurteilten bis an den Hals in den Boden einstampfte. Unter anderen Szenen erlebte Subiaco auch jenen schrecklichen Muttermord, welcher die Begnadigung der Familie Cenci verhinderte. Ein Sohn des Hauses Santa Croce aus Rom hatte im Jahre 1599 seine eigene Mutter in Subiaco erwürgt, und es ist bekannt, daß auf die Nachricht von dieser Schandtat der Papst das Todesurteil der Beatrice Cenci, ihrer Stiefmutter und ihres Bruders unterzeichnete.

Unterdes wanderte die Abtei aus der Hand des einen Colonna in die des andern; die angesehensten Namen dieser Familie sind mit der Geschichte des Klosters verbunden; so Marcantonio Colonna, so Camillo, endlich Ascanio, der letzte Kardinalabt dieses Hauses. Ascanio lebte auf der Burg mit seiner Mätresse Artemisia öffentlich und so völlig rücksichtslos, daß er dieses verschmitzte und schöne Weib förmlich zu seiner Stellvertreterin in Angelegenheiten der Abtei machte, wenn er nicht anwesend war. Das allgemeine Ärgernis bewirkte, daß den Colonna die Kommende entzogen ward. Denn nach Ascanios Tode im Jahr 1608 verlieh sie der Papst seinem eigenen Neffen Scipio Caffarelli Borghese, welcher sie bis zu seinem Tod im Jahr 1633 behauptete.

Die Colonnesen haben in Subiaco kein gutes Andenken hinterlassen. Der Ort selbst verdankt ihnen wenig, und man zeigt nur die mit ihren Wappen geschmückten Gemächer, welche sie im Burgpalast ausbauten und mit Malereien verzierten.

Wie im frühen Mittelalter bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Colonna und Orsini Herren der römischen Campagna gewesen waren, traten im 17. Jahrhundert bis tief ins folgende hinein die jüngeren Nepotenfamilien Borghesi und Barberini an ihre Stelle. Sie erwarben die schönsten Güter von Latium und behaupten sie noch heute. Die Städte und Kastelle dieses Landes weisen noch die massiven und weiträumigen Landpaläste dieser Familien auf, an deren öden Wänden die Porträts aus jener Zeit hängen. Man findet sie oft, und selbst in der kleinen Bergstadt des Hernikerlandes, wo ich diese Blätter schreibe, sitze ich unter Familienporträts alter Kardinäle und stattlicher Damen des 17. Jahrhunderts und unmittelbar vor dem wohlbehäbigen Antlitz Scipio Borgheses. Es erschien das Zeitalter des galanten und sinnlich breiten Absolutismus in der gepuderten Perücke und in seidenen Strümpfen, dessen Charakter weibisch, weichlich und intrigant und abstoßend prosaisch war. Die in Erz gepanzerten Barone des Mittelalters verwandelten sich in gemächliche Prinzen, welche das Schwert nicht mehr zogen, sondern sorgenlos auf den Polstern liegend die Früchte genossen, die der zitternde Fronvasall ihnen keuchend auf den Felsenpalast trug. Wenn die Kardinäle in Subiaco ihren Einzug hielten, um von der Pfründe Besitz zu nehmen, kamen sie mit einer großen Begleitung des Adels an der Spitze eines kleinen Heers von Söldlingen und gefolgt von dem Troß übermütiger Diener und empfingen am Tor aus den Händen des Magisters herablassend die Schlüssel der Stadt und der Kastelle.

Aus der Abtei Subiaco wurden die Borghese indes von den Barberini schnell verdrängt. Urban VIII., Stifter dieses reichen Nepotenhauses, verlieh die Kommende seinem Neffen Antonio im Jahr 1633, und seither wußten die Barberini das Beispiel der Colonna mit Glück nachzuahmen; denn 105 Jahre lang blieb die Abtei im Besitz ihrer Familie. Antonio erweiterte sogar die Gewalt des Kardinalabts; er fügte der Baronalgerichtsbarkeit auch die bischöfliche hinzu, welche bisher die angrenzenden Bischöfe von Tivoli, Anagni und Palestrina in den betreffenden Kastellen ausgeübt hatten; und so war der Kommendator von Subiaco Baron und Bischof zugleich, und er herrschte in doppelter Gewalt über Leiber und Seelen der Vasallen, ein Schrecken des armen Landvolks. Die Gesetze waren so streng und schonungslos, daß selbst der Fang einer Wachtel oder eines Fasans mit zehn Jahren Galeere bestraft wurde. Die Regierung der Barberini hinterließ jedoch einiges Gute. Subiaco, durch seine Lage an einem wasserreichen Bergstrom von Natur auf den Betrieb von Fabriken angewiesen, verdankt dem ersten Barberini die Erweiterung der Mühlen, welche noch heute dem Kardinalbischof gehören. Es sind Fabriken in Papier, Baumwolle und Farbstoffen, die einige hundert Menschen beschäftigen und ernähren, aber nicht zu größerer Kultur sich aufschwingen können, weil alle Industrie ein Regal der Kardinalskommende geblieben ist.

Während nun die Abtei fortfuhr, eine solche Kommende zu sein, hatten die Mönche es nicht vergessen, daß sie einst die eigentlichen Feudalherren gewesen waren. Sie erinnerten sich mit Unwillen ihrer Rechte und nahmen den Augenblick des Todes von Francesco Barberini im Jahr 1738 wahr, um sie wieder zu erobern. Sie ernannten mit kühnem Entschluß aus eigener Macht ihren damaligen Abt zum Vikar der Abtei. Bernardo ließ sich in die Kirche der Stadt führen, nahm dort vom Gonfaloniere der Bürgerschaft feierlich den Eid der Untertanentreue ab, beschwor hierauf die Statuten der Gemeinde und ward dann nach vollzogener Zeremonie der Besitznahme in öffentlicher Prozession auf einem Sessel durch Subiaco getragen – eine Nachahmung der Besitznahme und des Umzugs eines neugewählten Papstes. Gleich als wäre er einer der Äbte des 13. Jahrhunderts, erließ er Edikte, setzte Beamte in die Kastelle ein, begnadigte, rief Exilierte zurück und führte die Sprache eines absoluten Fürsten. Das Edikt seines Regierungsantritts beginnt mit diesen pomphaften Titeln: «Wir Don Bernardo Cretoni vom Orden S. Benedikts, Mönch und Profoß des heiligen und kaiserlichen Klosters der S. Maria von Farfa und gegenwärtig von Gottes Gnaden Regularabt des heiligen Klosters der S. Scholastica und durch die Gnade des heiligen apostolischen Stuhls sowohl im Geistlichen wie im Weltlichen Vizegerens für denselben heiligen Stuhl.» Doch der dreiste Abt fand sofort den hartnäckigsten Widerstand an dem Volk, welches die Rückkehr unter die Despotie der Kutte verabscheute, und ein gleiches Hindernis an der Eifersucht der städtischen Weltgeistlichkeit. Man wandte sich an den Papst; er gab die Kommendatur dem Kardinal Spinoza. Dessen Bevollmächtigter berief Gemeinderat und Mönchschaft in die Stadtkirche, und während er hier die päpstliche Bulle vorlas, unterbrach ihn das trotzige Murren der Mönche; sie verweigerten den üblichen Huldigungshandkuß, und obwohl sie sich beugen mußten, war ihr Trotz und ihre übermütige Behandlung der Kolonen nicht gebrochen.


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