Ferdinand Gregorovius
Wanderjahre in Italien
Ferdinand Gregorovius

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Der Ghetto und die Juden in Rom

1853

Zusammengedrängt in einem dumpfen und traurigen Winkel Roms, welchen der Tiberfluß von Trastevere scheidet, wohnt hier seit alten Zeiten, gleichsam von der Menschheit ausgestoßen, das römische Judenvolk. Mit ihm sollen sich die Blätter beschäftigen, welche der Verfasser, teils aus älteren und neueren Schriften, teils aus mündlichen Mitteilungen der Hebräer zusammensetzte. Er durchwanderte oftmals den Ghetto Roms, und es schien ihm seine Bevölkerung unter den Ruinen der Stadt eine hochmerkwürdige, ja die allein noch lebendige Ruine des Altertums und wert, daß sie eine aufmerksame Betrachtung auf sich ziehe.

Vielleicht wird die Mehrzahl der Fremden, welche zu den Denkmälern Roms wallfahrten, am meisten vor dem Triumphbogen des Titus auf dem Forum bewegt; denn sie verstehen seinen Sinn am deutlichsten, weil die Geschichte der Juden und ihrer Stadt Jerusalem für den Christen etwas Vaterländisches ist und sein Gemüt in Anspruch nimmt. Auf dem Fries jenes Bogens erblickt man noch den Triumphopferzug, da man den heiligen Strom Jordan in Greisesgestalt auf einer Bahre einherträgt, und im Durchgangsbogen, durch welchen nimmer ein Jude gehen wird, erkennt man die im Siegeszug des Titus aufgeführten Tempelgeräte von Jerusalem: den siebenarmigen Leuchter, den goldenen Tisch, die Lade, in welcher das Gesetz verschlossen lag, und die silbernen Trompeten für das Jubeljahr. Beinahe 1800 Jahre sind nun verflossen, seitdem dieser Bogen errichtet ward, und nichts blieb von jenem weltbeherrschenden Rom übrig als Trümmer, Staub und nicht mehr dem Leben angehörende Symbole des alten Kultus. Wer nun vom Titusbogen nach dem Tiberfluß hinuntergeht und den Ghetto durchwandert, erblickt hie und da an bewohnten Häusern den siebenarmigen Leuchter in die Wand gemeißelt. Es ist dasselbe Bild, wie er es eben am Triumphbogen sah, doch lebt er hier noch als ein lebendiges Symbol der jüdischen Religion, und noch heute wohnen hier Nachkommen jener einst von Titus im Triumph aufgeführten Juden. Wenn man die Synagoge der Hebräer betritt, sieht man auf ihren Wänden dieselben Skulpturen der Bundeslade, den goldenen Tisch des Tempels, die Jubeljahrstrompete. Ein noch dauerndes und unvertilgtes Judenvolk betet also unter diesen Bildern seiner einst von Titus nach Rom geführten Tempelgefäße zu dem alten Jehovah von Jerusalem. Er war demnach mächtiger als der kapitolinische Zeus.

Da ist die Halle der Oktavia. Verfallen und verbaut ragen ihre großen Bogen und Pfeiler hart neben dem Ghetto auf. Hier war es, wo einst Vespasian und Titus den Siegeszug über Israel mit festlichem Schaugepränge einleiteten. Damals stand dort zuschauend ein Jude, Begleiter und Schmeichler des Titus, Flavius Josephus, der bekannte Geschichtschreiber. Er schämte sich nicht, dem Triumph über sein eignes Volk beizuwohnen, an dem Glanz des Aufzugs sich zu weiden und ihn schmeichlerisch zu beschreiben. Dem niedrigen Judenhöfling verdanken wir die Schilderung jenes Triumphes. «Nachdem», so erzählt er, «das ganze Heer in Reih und Glied unter seinen Führern bei Nacht herangezogen und vor den Toren, nicht des oberen Palastes, sondern des Isistempels aufgestellt war (dort brachten die Imperatoren die Nacht zu), traten mit Tagesanbruch Vespasian und Titus mit Lorbeerkränzen und im Purpurgewand hervor und schritten nach der Halle der Oktavia. Dort warteten ihrer Ankunft der Senat und die höchsten Beamten sowie die Ritter vom höchsten Rang. Vor den Hallen war eine Bühne angebracht, worauf elfenbeinerne Stühle standen; diese bestiegen die beiden Kaiser und setzten sich, sogleich erhob das Heer ein Jubelgeschrei und pries ihre Taten. Auch die Soldaten waren unbewaffnet, in seidenen Gewändern und mit Lorbeer bekränzt. Nachdem Vespasian ihren Zuruf empfangen, unterbrach er ihren Jubel und gab das Zeichen zum Schweigen. Sogleich entstand tiefe Stille. Vespasian erhob sich, verhüllte sein Haupt mit dem Gewande und sprach ein Dankgebet. Das gleiche tat Titus. Nach dem Gebet richtete Vespasian an die ganze Versammlung einige Worte und entließ dann die Soldaten zu dem nach herkömmlicher Sitte von den Imperatoren bereiteten Mahl. Er selbst ging nach dem Tor zurück, das den Namen Triumphtor führt, weil es immer bei diesen Gelegenheiten durchzogen ward. Dort genossen sie etwas Speise, zogen die Triumphkleider an, opferten in dem an das Triumphtor angebauten Tempel, und nun begann der Umzug, und zwar mitten durch das Theater, damit das Volk alles desto leichter sehen könnte.»

Seiner Schwester Oktavia zu Ehren hatte Augustus die prachtvolle Halle von zwei Säulenreihen gebaut. Ein Teil des Vorbaues ist erhalten; er stößt an den Fischmarkt, der den Ghetto begrenzt, in die Trümmer aber ist die Kirche Sant'Angelo in Pescaria hineingebaut, ein Gotteshaus, das sich gleichfalls auf die Juden bezieht, weil sie gezwungen wurden, in ihm die wöchentlichen Bekehrungs-Predigten anzuhören. Der Ghetto also liegt an eben jener Halle der Oktavia, wo Vespasian und Titus den Triumph über die Juden einweihten, und um diesen jetzt im Schmutz starrenden Portikus wohnen heute Nachkommen jener Hebräer, die damals Kriegssklaven des Titus waren.

Wegen der historischen Beziehung des Volkes Israel zu den Römern, welche Jerusalem zerstörten und das Judenvolk in die Welt zerstreuten, ist der Ghetto Roms unter allen Judengemeinden Europas die merkwürdigste. Andere Judenschaften, zumal die von Spanien und Portugal im Mittelalter und die aus ihnen hervorgegangene Synagoge von Amsterdam, sind denkwürdiger durch ihre wissenschaftlich-theologische Ausbildung; keine hat das Alter und die ganz und gar geschichtliche Unmittelbarkeit der Judengemeinde von Rom. Daß es sich hier weder um Talmud noch jüdische Philosophie und Kabbala handeln kann, versteht sich ja wohl aus dem Lokal; denn der römische Ghetto ist gleichsam ein zweites Gosen der Pharaonischen Sklaverei, und seine Geschichte die der fast unbegreiflichen Hartnäckigkeit einer kleinen Sklavengemeinschaft im Dulden eines von Geschlecht zu Geschlecht sich fortsetzenden Drucks.

Bedenkt man, daß es Rom ist, wo dieses Judenvolk sich nun 1800 Jahre lang behauptet hat, so erregt seine Widerstandskraft Erstaunen, und es möchte fast rätselhaft erscheinen, daß eine so mißhandelte Menschensekte, wenn auch erneut und erkräftet durch frischen Zuwachs, so doch meist aus einem und demselben verrotteten Familiengeschlecht und in einem und demselben engen Straßenwinkel, in einer und derselben verpesteten Luft, sich von Glied zu Glied Jahrhunderte hindurch fortzeugend, als ein individueller und lebendiger Organismus sich hat erhalten können. Denn seit Pompejus dem Großen wohnten die Juden in Rom. Von den ersten Kaisern mehrmals aus der Stadt gejagt, kehrten sie immer wieder, und seit Titus behielten sie bis auf den heutigen Tag ihre Wohnplätze in der Stadt und nisteten hier auf der gefährlichsten Stelle der Welt, weil unter den Augen ihrer Feinde, der Römer, welche Jerusalem zerstört haben, und darauf der Päpste, der Stellvertreter Christi, den die Juden gekreuzigt hatten. Von Pompejus' Zeit an trugen sie Schimpf und Verachtung, und endlich als unreine Parias zu einem Ghetto organisiert, klammerten sie sich in einem Winkel krampfhaft aneinander und dauerten, nicht mehr, wie zur Zeit des Claudius, den Tieren, aber nun dem mißhandelnden Christenvorurteil vorgeworfen, allen Wechsel der Jahrhunderte und das furchtbare Einerlei ihres Zustandes aus – ein dunkler Anblick und ein finsteres Blatt in der Geschichte der christlichen Menschheit. Sie lebten hoffnungslos und doch nicht ohne Hoffnung, wie dies der Charakter Israels ist, welchem die Propheten den Messias verheißen haben. Unfähig, in einem angreifenden Kampf ihren Feinden etwas abzutrotzen, verschanzten sie sich hinter die mächtigste und traurigste Wehr des Elends, die Gewohnheit, und hinter die Zähigkeit des jüdischen Familiengeistes. Die Kraft im Dulden, so sklavisch die Juden, fast mehr als alle anderen Sklaven, auch durch Sklaverei geworden sind, ist so merkwürdig, daß ich gestehe, wie ich sie mir nicht erklären kann. Denn den Menschen von Charakter erhält seine sittliche Würde im Elend, den Philosophen die Philosophie, den Christen das Christentum, welches den Himmel mit Märtyrern bevölkert und das Kreuz in das Paradies der Seligen gestellt hat. Nichts gibt Jehovah den Juden jenseits des Grabes, und sie haben keine Heiligen.

Wo man nun auch diese Kraft im Dulden herleiten mag, sie ist eine Tatsache, und es scheint die Natur selbst die traurigste aller Menschensekten mit den heftigsten Lebenstrieben versorgt zu haben. Vielleicht möchte jede andere Nation unter ähnlichen Verhältnissen in Rom ausgestorben sein, unfähig, eine grenzenlose Verachtung der Welt zu ertragen, aber die Juden waren dessen fähig, sie behaupteten sich durch alle Jahrhunderte im Mittelpunkt der katholischen Christenheit selbst und unter den eigenen Fußsohlen des Papstes. Ausgeschieden von dem bürgerlichen Verband der Menschen, blieben sie mit ihnen unvermischt, noch ihre spätesten Enkel stehen unter den Christen der Stadt so fremd da wie ihre frühesten Väter, und sie sind den Römern auch nicht nähergerückt, als sie es zur Zeit des Pompejus waren. Damals und unter den Kaisern galten sie, obwohl schon verachtet, doch als eine orientalische Sekte neben anderen Sekten Syriens, Ägyptens und Persiens, und sie standen deshalb nicht so vereinzelt da wie heute, wo sie aus dem unzählbaren Gewirr von Religionssekten des alten Rom die einzige sind, die sich lebendig und unverändert erhalten hat.

Eine Geschichte der Juden Roms, welche nun hier in Kürze gegeben werden soll, ist, soweit sie die ersten Zeiten betrifft, schwierig zu ermitteln, und nur sparsam sind die Nachrichten römischer Schriftsteller.

Mit dem Einzug des Pompejus in Jerusalem, wo er aus Neugierde und von den Bitten der erschreckten Juden nicht zurückgehalten, das Allerheiligste betrat, beginnt eine fortdauernde Verbindung zwischen Jerusalem und Rom. Pompejus scheint die ersten jüdischen Sklaven nach Rom gebracht zu haben; wenigstens ist es unbestritten, daß seit jener Zeit jüdische Freigelassene und andere wahrscheinlich durch Spekulation herbeigeführte Hebräer in der Stadt wohnten. Sie lebten hier zwanglos nach den Religionsgebräuchen ihres Gesetzes, während die Prinzen und Prinzessinnen ihres Landes, allen anderen kleinen Königen und Fürsten gleichgeachtet, ab und zu vor dem Senat und dem Hofe Roms erschienen, ihre Interessen zu besorgen. Denn damals gab es noch jüdische Fürsten. Man sah also den glücklichen Herodes mehrmals in Rom und mit allen Zeichen königlicher Würde als ein Fürst mit den Cäsaren verkehrend, an ihrer Tafel speisend und im Theater in der Fürstenloge sitzend; man sah Archelaus und die jüdische Prinzessin Salome, Antipas und Antipater in der Stadt, und nicht wenige Judenprinzen wurden dort am Hofe erzogen. Der Enkel des Herodes, Agrippa, ein abenteuerlichen Glücksjäger, war mit Drusus, des Tiberius Sohn, erzogen worden und der Busenfreund des Caligula, dessen Lüste er teilte. Der junge jüdische Wüstling befreite sich kaum aus dem Schuldturm, als ihn Tiberius in den Kerker warf, wo er sechs Monate schmachtete, bis ihn der Tod des Kaisers erlöste und Caligula ihn zum König der Juden machte. Eine glänzende Rolle spielte in Rom besonders die schöne Prinzessin Veronica oder Berenice, Agrippas Tochter, Schwester und Buhlerin ihres Bruders, des jüngeren Agrippa, des letzten Judenkönigs. Sie lebte nach der Zerstörung Jerusalems in den Gemächern des Titus als dessen Geliebte; doch gelang es ihr trotz aller Intrigen nicht, sich zur Kaiserin von Rom zu machen.

Herodes Agrippa war übrigens der letzte Jude, der in Rom ausgezeichnet wurde, und seither sah hier das jüdische Volk keinen Glaubensgenossen mehr geehrt, außer dem Baron Rothschild, welchen man zur Zeit Gregors XVI. mit hoher Gunst feierte – aus begreiflichen Ursachen.

Während nun in jener Zeit abenteuernde jüdische Prinzen abwechselnd in Rom waren, hatten sich Juden bereits in der Stadt angesiedelt. Cäsar war ihnen günstig; dies beweist die Tatsache, daß sie nach seiner Ermordung um ihn weinten und Totenklagen sangen. Auch Augustus gewährte ihnen volle Freiheit, in Rom sich zu bewegen und ihre Geschäfte zu treiben; daher beklagten sie dankbar auch seinen Tod und weinten um ihn, wie es heißt, eine ganze Woche lang. Damals waren sie nicht an einen bestimmten Ort in der Stadt gewiesen, obwohl Philo erzählt, daß Augustus den Juden in Rom das Quartier Transtiberis gab, einen guten Teil der Stadt, wie er sagt. Doch wohnten sie auch an anderen Stellen, am häufigsten indes in dem heutigen Trastevere, also nicht weit von dem jetzigen Ghetto, und jenseits des Flusses. Der römischen Tradition nach kehrte der heilige Petrus im Jahr 45 n. Chr. in Trastevere ein, in der Nähe der jetzigen Kirche Santa Cecilia, weil dort Juden wohnten; aber er soll auch auf dem Aventin gewohnt haben, im Hause der Heiligen Aquila und Prisca, jüdischer Ehegatten, die zum Christentum übertraten.

Wie mild Augustus mit den Juden verfuhr, geht aus einer Stelle Philos hervor in seiner höchst merkwürdigen Schrift: «Die Gesandtschaft an den Cajus.» Der gelehrte Alexandriner sagt dort, daß der Kaiser die Juden stets freundlich behandelt habe, er, der es wohl wußte, daß sie den großen Stadtteil Transtiberis bewohnten, meistens Freigelassene, zuvor als Gefangene nach Italien geführt und von ihren Herren losgesprochen, ohne daß man sie zwang, die Gebräuche ihrer Väter zu ändern. An solche jüdische Freigelassenen erinnert noch heute ein merkwürdiger Grabstein auf der Via Appia, welcher die Namen zweier Juden, Zabda und Akiba, trägt. – Ihm war es bekannt, fährt Philo fort, daß sie Synagogen besaßen, wo sie jede Woche zusammenkamen, um in den Lehren der Weisheit ihrer Väter unterrichtet zu werden. Er duldete auch, daß sie das Geld von den Erstlingen nach Jerusalem schickten, damit dort für sie geopfert würde. Und dennoch trieb er sie nicht aus Rom, noch raubte er ihnen das römische Bürgerrecht, da er dem jüdischen Volk freundlich gesinnt war; auch änderte er nichts an ihren Synagogen noch an ihren Zusammenkünften. Ja er selbst, so erzählt Philo, schmückte den Tempel zu Jerusalem mit kostbaren Weihgeschenken und ließ dort ganze Opfer schlachten; er achtete den Sabbat so sehr, daß er befahl, den Juden nicht an diesem, sondern an dem folgenden Tag die Getreideausteilung zukommen zu lassen, weil nämlich an jenem heiligen Tage die Juden Geld oder Gaben weder in Empfang nehmen noch geben durften.

Man weiß, daß Philo im Jahr 40 n. Chr. von den alexandrinischen Juden an der Spitze einer Gesandtschaft an den Kaiser Cajus (Caligula) abgesandt worden war, um über die grausame Mißhandlung Beschwerde zu führen, welche die Alexandriner an den Israeliten ausließen, die in jener Welthandelsstadt zahlreich ansässig waren. Er erzählt, wie Caligula diese Judengesandten in seinem Landhause empfing, wo er wie ein Wahnsinniger aus einem Zimmer ins andere lief, bald Befehle zu Neubauten gab, bald alte Bilder aufstellen ließ, während die Juden ihm von Zimmer zu Zimmer folgten unter beständigem Lustgelächter aller Anwesenden. Der Kaiser selbst fragte sie spottend, warum sie kein Schweinefleisch äßen. «Der Lärm derer nun», sagt Philo, «die uns auspfiffen und mit schallendem Gelächter verhöhnten, war so groß, als ständen wir auf einem Theater.» Und so haben wir schon in jener Zeit dieselben Szenen vor uns, wie sie später im Mittelalter und bis in die neueste Zeit in Rom gesehen wurden, wenn die Juden am Monte Giordano oder am Titusbogen aufgereiht standen, den neuerwählten Papst zu bewillkommnen, verhöhnt von dem Gepfeife der Straßenjungen und dem schallenden Gelächter des Volkes.

Caligula war aus einem besonderen Grund gegen die Juden erbittert. Er hatte nämlich die Idee gefaßt, sich als Gott in einer kolossalen Statue im Allerheiligsten des Tempels zu Jerusalem aufstellen zu lassen, da er vernommen, daß die jüdische Nation die einzige des Erdkreises sei, welche sich weigere, ihm göttliche Ehre zuzusprechen. Er gab Pretonius, dem Statthalter von Phönizien, den Befehl, seine Statue aufzustellen. Da zog, wie Josephus und Philo erzählen, ganz Judäa nach Phönizien, Greise, Männer, Weiber und Kinder; gleich einer Wolke bedeckten sie Phönizien, und so groß war ihr Wehgeheul, daß selbst, als es still geworden, das Echo noch die Luft durchtönte. Sie warfen sich vor Petronius auf die Knie und beschworen ihn, sie alle zu ermorden, waffenlos, wie sie seien; aber sie würden es nimmer dulden, daß man das Heiligtum Gottes schände. Diese Szene ist eine der großartigsten Volkstragödien, die je erlebt worden sind, und dieser moralische Widerstand gegen Caligula einer der staunenswürdigsten Züge in der Geschichte der jüdischen Nation, welcher sie mehr verherrlicht als die größten Taten Davids und Salomons. Petronius war erschüttert, er schrieb abmahnend an Caligula; und nun kam auch des Kaisers Jugendfreund, jener König Agrippa, nach Rom, der für sein Volk bittend eintrat. Philo erzählt, sein Entsetzen über die tempelschänderische Zumutung Caligulas sei so groß gewesen, daß er ohnmächtig fortgetragen ward und in eine lebensgefährliche Krankheit verfiel; er läßt ihn endlich einen meisterhaften Brief schreiben, infolgedessen dieser Herrscher, dem die ganze Welt Tempel, Altäre und Statuen weihte, von seinen Gelüsten abstand, sein Bild im Heiligtum zu Jerusalem aufzurichten.

Sein schneller Tod schützte auch die Juden Roms vor seiner Rache. Aber leider sagte Philo nichts von dem Zustand der damaligen Judenschaft in Transtiberis; es scheint, sie bildeten dort eine Synagoge der Libertiner oder Freigelassenen.


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