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Thiodolf richtete sich langsam in die Höhe, dem greisen Helden scharf in's Auge blickend, und immer schärfer da hinein sehend, neigte er endlich das kühne Jünglingshaupt, und sank langsam wieder in die Knie zurück. Die Nordmannen standen staunend, auf ihre Lanzen gelehnt, umher. Aber Thiodolf wandte den Goldschild, der ihm am Halsriemen über den Rücken hing, nach vorn, nestelte ihn los, und sagte, ihn dem alten Recken entgegen haltend: »Nehmt hin, lieber, ehrwürdiger Herr, denn Ihr müßt sonder allen Zweifel der Helmfrid seyn.«
Staunend trat vor dem goldnen Glanze des Schildes der alte Kriegsmann zurück; eine heiße Röthe, wie halb der Scham und halb der Freude angehörend, flog über seine Wangen, während er ausrief: »Um Gott, du tapferer Knabe, wie hast du diese verhängnißreiche Waffe gewonnen?«
»Ehrlich im offnen Kampf, wie sich das von selbsten versteht,« entgegnete Thiodolf. »Nun hängt mein Stahlschild, den ich zum freyen Geschenke zurückließ, an der Stelle, wo dieser ehemals gehangen hat: hoch im Lindengezweig, an der norwegischen Küste.«
»Ich freylich ließ meinen Goldschild nicht zum freyen Geschenk unter den Linden,« murmelte Helmfrid zurück, und fuhr, sich abwendend, fort: »O siegreicher Knabe, wirf den Schild wieder auf deinen Rücken, ich könnte dich ja sonsten nicht ansehen, denn die einzige ruhmlose Stunde meines Lebens brennt mir beschämend aus diesen Goldlichtern in die Augen ein.«
»Ruhmlos?« rief Thiodolf aus, indem er mit Rehesschnelle empor sprang. »Macht doch, ich bitte Euch, daß ein Andrer, als Ihr, dergleichen spricht, und ich will ihn zur Vernunft zurückbringen, daß er sich darüber verwundern soll. Edler, lieber, hochgewaltiger Herr, ich darf es nicht Euch erst sagen, daß ein siegloses Fechten nicht immer ein ruhmloses ist, und von Euern Thaten an jenem Tage, wo man Euch ohnmächtig in's Schiff trug, tönen alle Harfen von Nordland.«
»Thun sie das?« fragte der Greis mit freudefunkelnden Augen. Aber gleich darauf schlug er seinen stolzen Blick wieder gegen den Boden, daß er fast anzusehen war, wie ein verwundeter Adler, und seufzte: »was kann es helfen! Hab' ich doch meinen Schildrand dabey verloren.«
»Euch den wieder zu bringen, hat mich ein günstiger Stern erkoren,« sagte Thiodolf, »so wenig auch gerade ich der hohen Ehre würdig seyn mag. Freilich ein tüchtiger und ein treuherziger Fechter bin ich; das darf ich ohne alle Prahlerey wohl sagen.«
»Ei,« rief Helmfrid, »du hast wahrhaftig darnach gethan. Wer diesen Schildrand wieder gewinnen konnte, – die Norwegskrieger sind gar gewaltige Helden, – der möchte auch einem Kaiser sein Gewaffen mit Ehren wiederbringen. Aber thue so wohl, und nenne dich mir, auf daß ich recht gewiß erfahren möge, ob mir eine so überköstliche Gabe nicht nur aus Freundeshand, sondern auch aus Freundesstamme beschert werde.«
Und nur kaum waren die Worte: »Thiodolf, der Asmundurssohn« über des Jünglings Lippen, da umfaßte ihn Helmfrid schon mit gewaltiger Liebe, und fragte nach Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild, und nach vielen isländischen Freunden und Verwandten sonst. Dann aber that er drey gewaltige Stöße in sein Heerhorn, und rief dazwischen:
»Herbey, Ihr muthigen Wäringer, herbey! Große Freude ist Euerm Obersten aufgegangen, und große Freude auch Euch!«
Thiodolf wollte ihm den Schild übergeben, aber Helmfrid wehrte es ab, sprechend: »So etwas muß öffentlich geschehen und feyerlich.«
Indem nun die tapfern Wäringer nach und nach herbey kamen, stellte Thiodolf dem großen Helmfrid seinen Freund Pietro vor, und Malgheriten, gegen welche der edle Anführer sich in sittiger Zierlichkeit neigte, und so anmuthige Worte sprach, daß die schöne Provenzalin sagte:
»Seht, Thiodolf, so müßt Ihr auch einmahl werden. Nehmt Euch ein Beispiel an diesem hohen Ritterbilde, wie herrlich die feine Sitte sich mit der nordischen Kraft und Furchtbarkeit vermählen kann.«
Thiodolf bückte sich tief, und sagte:
»Ich komme wohl nimmermehr so weit, Malgheritchen, aber Mühe geben will ich mir drum. Hätt' ich nur meinem fürstlichen Waffenmeister hier alsbald wenigstens ein Fechterstückchen vormachen können. So sind wir leider viel zu spät angekommen für den Kampf.«
»Laß dir's nicht leid darum seyn, tapferer Knab'!« entgegnete Helmfrid. »Wir wollen schon ernstere Dinge mitsammen ausfechten. Hier die Freymänner von Lakonien sind wohl kühne, wilde Gegner, opfern den uralten hellenischen Gottheiten noch oftmahlen, und saugen dabey das Andenken und einen Theil der Kraft ihrer gewaltigen Vorfahren ein, aber es sind ihrer zu wenig, und der große Feldherrnsinn ihnen zu fremd. Es hätte eben nicht Noth gethan, daß ich mit einer Schar Wäringer hier hereingekommen wäre, um das trotzige Volk wieder einmahl zu Unterwerfung und Tribut zu zwingen, aber so ein ernstes Uebungsstück in den Waffen gibt jungen Kriegsleuten bessre Lehre, als alle Fecht-, Schwimm- und Reitschulen in der ganzen Welt. Deshalb hab' ich's mir vom Kaiser ganz eigentlich ausgebethen, und es sind mir nur sehr wenige Schüler bey dem ernsthaften Spiel erlegen. Du folgst mir doch nach Konstantinopolis, Jüngling? Und deine Freunde und dein Geschwader auch?«
»Euch durch die halbe Welt,« antwortete Thiodolf. »Ohnehin wollen meine Freunde gern nach der Kaiserstadt, und ich ginge noch ein Mahl so gern dahin, wenn Ihr mir sagen könnt«, daß ich einen gewissen Glykomedon dorten fände.«
»Glykomedon« sagte Helmfrid erstaunt. »O ja, den finden wir sehr wahrscheinlich dort. Aber ich weiß nicht, was eben Dir, junger Islandsheld, an dem weichlichen, pomphaften Handelsritter gelegen seyn kann.«
»Schon gut; werdet's erfahren!« sprach Thiodolf halb in sich hinein, und lächelte Malgheriten mit freudigem, zuversichtlichem Kopfnicken an.
Derweile hatten sich die Wäringer alle versammelt, treuherziger Handschlag und freudiges Zusammenklirren der Schilde und Schwerter ging zwischen ihnen und Thiodolfs Gefolgt hinüber und herüber. Da schwang Helmfrid seinen Speer, und Alles stand still, worauf der alte Kampfesheld seinem jungen Freunde winkte, ihm den Goldschild zu geben, und zugleich seine Stimme kräftig zum Gesange erhob. Die Andern mischten sich auf ihre Weise darein, und es stieg etwa folgendes Wechsellied aus den Schatten des Lorbeerbaumes gegen den purpurnen Morgenhimmel auf:
Helmfrid.
Leuchtend im Laube,
Locken der Helden
Umkränzend, wie heißt der König der köstlichsten Baume?
Thiodolf.
Mit weiten, würzigen,
Wallenden Schatten,
Prangest Du, Linde, als Preis der prächtigsten Bäume.
Helmfrid.
Lobst, Held, mir die Linde,
Lautschallenden Klanges,
Und steht doch singend unter viel stattlicherm Baum?
Thiodolf.
Königlich kränzet
Die Krone des Baumes uns;
Ist fremd mir sein Nahme, sehr fremd auch dem nordischen Lied.
Helmfrid.
Lorbeer, so lautet
In Liedern der Helden
Sein siegender, seliger Nahme durch Noth und Tod.
Thiodolf.
Lustiger Lorbeer,
Leuchte mir fürder!
Hier fand ich den Helmfridsspeer; hoch, Lorbeer, hoch!
Helmfrid.
Schallender Schildrand,
Mir schenkt dich im Schatten
Herrlichen Lorbeers zurück ein blühender Held.
Thiodolf.
Aus leuchtenden Linden
Löst' ich den Schildrand;
Laßt hoch leben die Linden, den Lorbeer auch.
Thiodolfs Krieger.
Alter Heimath holde Kinder,
Heldenstämme, hoch und kühlend,
Liebe, traute Lindenbäume,
Lebt und blüht in tausend Liedern!
Helmfrids Krieger.
Griechenfreunde, große Säulen,
Gründend Euch in heitern Fluren,
Lust'ge, kühne Lorbeerbäume,
Oft umlaubt uns frisch die Locken!
Alle.
Lindenbäume, Lorbeerstämme,
Lust'ge Waldung allzusammen,
Kränzt uns mannigfach mit Kronen,
Kränze nie zu viel hat Nordmann.