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Siebzehntes Capitel.

Nicht Welt von der Insel Farre, der Stadt Bergen gegen Westen gelegen, erhebt sich ein hoher Berg, welchen die Leute nach seiner wunderlichen Gestalt den Mönch zu nennen gewohnt sind; da finden die Schiffe, wenn das Meer auch noch so hoch geht, einen guten Hafen, und wer im Unwetter den Mönch erreichen kann, ist geborgen.

Thiodolf hatte sein Augenmerk auf diesen Port gerichtet. Er ließ nach dem Einlaufen sein eignes Schiff und viele zuverlässige Kriegsleute als Bedeckung desselben zurück; mit dem eroberten Seeräuberfahrzeuge machte er Anstalt, sich nach dem Strande der Stadt Bergen zu begeben. Weil nun dabey von Pietro gar nicht die Rede war, trat dieser unwillig vor Thiodolf hin, sprechend: »hab' ich mich in dem letztern Treffen so schlecht gehalten, daß du mich bey dem Wagestück, welches du doch wohl wieder im Sinne führest, nicht mitnehmen willst?« –

»I, da seye Tyr vor und alle muthigen Götter!« entgegnete Thiodolf. »Du bist mir ein gar ergötzlicher und tüchtiger Kampfgefährt. Ich dachte nur, du solltest derweile hier bey Malgheritchen bleiben, weil es ja doch wohl am Norwegsstrande ein wenig heiß für uns hergehen kann.«

Da näherte sich ihnen Malgherita, und sagte mit sichtlicher Anstrengung, aber sehr stolz: »ich hoffe Thiodolf, es kommt Euch nicht in den Sinn, um einiger kindischen Aeußerungen meiner Furchtsamkeit willen, den tapfern Arm meines Eheherrn von Euch zurückweisen zu wollen. Ihr werdet mir schon eine Ehrenwache hier lassen, wie sie meiner Würde geziemt, und im Uebrigen ziehe der ruhmvolle Marchese von Castelfranco mit Gott.«

Pietro drückte einen feurigen Kuß auf seiner edlen Gattinn Lippen, Thiodolf neigte sich sehr tief vor ihr, und sagte: »ich kann es Euch nicht so ausdrücken, wie gar herrlich leuchtend Ihr in diesem Augenblicke vor mir steht. Eben darum müssen es auch schöne Jungfrauen seyn, die den Helden in Walhall ihre Becher füllen. Wir aber, Pietro, wollen nicht minder leuchten nach unsrer Art, als deine schöne Frau nach der ihren, und darum laß uns machen, daß wir nach Bergen hinan kommen, wo es viel der herrlichen Dinge zu thun geben wird.«

Die Helden bestiegen das Seeräuberfahrzeug, und segelten singend dem laubigen Strande zu.

Dort, an zwey großen, gewaltigen Feuern entlang, die sich vom Gipfel eines Hügels nach dem Meere hinabzogen, saßen viele Kriegsleute zechend in ihren Waffen, und Harfenklang schwebte jubelnd über dem feyerlichen Mahle. Oben auf dem Hügel funkelte ein goldner, fast riesig großer Schildrand zwischen den Lindenzweigen prachtvoll hervor, und bey gewissen Wendungen des Liedes erhoben sich die Gäste von ihren Sitzen, und grüßten nach dem Schilde hin, und stießen klingend ihre silberbeschlagenen Trinkhörner zusammen. Es war schön anzusehen, wie die lustige Festesflamme gegen das dunkle Laubesgrün anflog, und mit dem Leuchten des goldnen Schildes zu wetteifern schien. Während Thiodolf und seine Genossen ihrem Fahrzeug entstiegen, und sich strandauf wandelnd dem Gelage näherten, vernahmen sie folgende Worte des Gesanges

»Fochtest um die Fürstentochter,
Faßtest schier den blassen Tod an;
Hey mein Helmfrid, Islandsheld du,
Hast verrechnet dich auf Norweg?
Meintest, muntern Siegeskunde
Müßtest pflücken dir zum Glück hier,
Blankes Brautfest wollt'st erlangen –
Brach dein Spieß, und lag dein Schildrand;

Lag im Moos; da lief hellrosig
Lau dein Blut auf lautres Gold hin;
Kaum noch, daß dein Kriegsvolk sieglos
Kranker dich in's schwanke Schiff trug.
Fahr hinaus, du Fechter haarscharf,
Fand'st den Meister dein zu Land hier;
Lobt man künftig Islands Künste,
Lobt man lauter Norwegs Mordschlacht.«

»Das kann wohl seyn, Ihr edeln Normannen;« sagte Thiodolf, dem man unterdessen mit seinem Gefolge, nach gastlich alter Gewohnheit, Sitze angewiesen und Trinkhörner gegeben halte. »Aber ich meine, wir versuchen es heut noch Einmahl; es müßte denn seyn, daß Ihr mir vielleicht den Helmfridsschild da oben in Güte mitgäbet, und diesen an meinem Arm, welcher auch eben kein schlechtes Gewaffen ist, als eine freundliche Gabe zum Tausch dafür annähmet.«

»Der Handel möchte wohl kaum zu Stande kommen;« sagte ein alter Normann kopfschüttelnd. »Wie heißt Ihr denn, lieber Herr, daß Ihr uns Euern Schild an die Stelle, des Helmfridschildes zu biethen vermeint?«

»Ich heiße freylich nicht Helmfrid, sondern nur Thiodolf,« entgegnete der Jüngling mit bescheidnem Neigen des Hauptes, »ihr habt auch diesen Nahmen noch nimmermehr nennen hören, denn ich thue so eben meinen ersten Zug in die Welt hinaus. Aber faßt Euch in Geduld und Langmuth, liebe Herren, und nehmt immerhin meinen Schild für jenen an, ich verspreche Euch, längstens in ein Paar Jahren soll er nicht weniger werth seyn.«

»Ihr seht überhaupt aus, wie ein Worthalter,« entgegnete der norwegische Greis, »und ich zweifle auch hierin keinesweges an Euch. Aber dennoch kann aus dem vorgeschlagnen Handel nun einmahl auf keine Weise etwas werden.«

»Da wird denn wohl ein Gefecht zu Stande kommen müssen,« sagte Thiodolf aufstehend, »denn ich bin fest entschlossen, entweder tod an diesem Strande liegen zu bleiben, oder den Helmfridschild mit mir fortzunehmen. Wollet deßhalb, liebe germanische Landesgenossen, eine Anzahl von Kämpfern verordnen, die den Schild gegen mich vertheidige. Ich habe fünfundzwanzig Kriegsleute mit mir; schicket mir eben so viel entgegen, oder wenn es Euch gefällig ist, auch die doppelte Zahl.«

»Das müßte seltsam zugehen,« sagte der Greis, wenn die Norwegsfechter einmahl die Uebermacht zum Siege brauchen sollten, ich werde selbsten den Hügel gegen dich vertheidigen, auf welchem der Schild hängt, und dazu such' ich mir durch das Loos fünfundzwanzig Gesellen aus; mehr keinen Mann.«

»So hab' ich es mir auch eigentlich gleich von Euch gedacht;« entgegnete Thiodolf mit freundlichem Kopfnicken.

Die Anstalten zum Gefechte wurden gemacht. Zwischen den beyden Feuern hinauf sollte man die Bahn zum goldenen Schildrand erstürmen und vertheidigen; jedes Angreifen von der Seite oder gar vom Rücken her ward bey diesem Wettkampfe zwischen Normannen und Isländern verworfen, als störend, und den klaren Ausspruch über die Tapferkeit beyder Parteyen verwirrend.

Der Alte hatte seine Loose ziehn lassen; mit fünfundzwanzig herrlichen Kämpfern stand er oben auf dem Lindenhügel; begeisternd funkelte der Goldschild über ihre Speere hinaus; die Schlachthörner bliesen, das Gefecht begann seinen Lauf.

Hoch durch die gewaltigen Baumäste hin sausten die Lanzenwürfe, daß mit dem treffenden Speer auch zugleich hellblühendes Gezweig herabfiel, wie zum Siegesschmuck auf Harnisch und Helm. Einer der Norwegskrieger, den gleich mit dem ersten Spieße der Tod getroffen hatte, lag von mehrern herabgerissenen Aesten überdeckt, als unter einem schönen, frühlingsleuchtenden Grabhügel.

Man kam nun bald mit Schwertern und Streitäxten aneinander; da gab es ein strenges, entsetzliches Ringen. Lautlos fochten die Helden, aber manchmahl hörte man ein schweres Athmen und Stöhnen durch das Klirren der Waffen hin, denn Jedweder strengte seine Kraft bis zum Zerspringen an, wohl fühlend, wie er es mit Gegnern zu thun habe, die man um leichteren Preis nicht bändigen könne. Einzelne Harfenklänge der zuschauenden Helden rauschten trüb und fragend auf, als stimmten sie sich zu dem Siegesgesange nach entschiedenem Kampf.

Da hatte Rottenbeißer, die nur jüngst erst benannte Thiodolfsklinge, schon ihrem Nahmen große Ehre gemacht. Die Norwegskrieger taumelten davor in ihr Blut; der alte Held, der sie angeführt hatte, stand fast nur allein noch vor dem goldfarbnen Schilde, aber er stand so fest und ringfertig, und schleuderte mit den Speeren, die rings um diese heiße Stelle lagen, so hageldicht und sicher umher, daß man noch mit keiner Bestimmtheit sagen konnte, der Sieg seye bereits für die Islandskrieger gewonnen. Thiodolf, gedenkend die Entscheidung mit Einem Schlage zu erzwingen, schleuderte seinen Schildrand auf den Rücken, faßte Rottenbeißer zum gewaltigsten Hiebe mit beyden Händen, und sprang wild gegen den Alten hinauf. Dessen Speer flog ihm entgegen, graden Schwunges auf das Antlitz los, aber Pietro schnellte ihn mit dem Schilde weg, während jedoch ihn selbst ein andrer Lanzenwurf in die jetzt unbedeckte Seite faßte, und ihn athemlos in die Gräser streckte. Thiodolf war indessen an seinen Gegner hinan, und führte den Hieb so tönend auf dessen Stahlhelm, daß der Alte schwer ächzend niedertaumelte, und der Sieger unbehindert mit flügelgleicher Schnelligkeit die Linde hinanflog, den goldnen Helmfridsschild herabriß, und eben so schnell wieder am Boden, die gewonnene Waffe über sein Haupt schwang, und ein donnerndes Siegesgeschrey durch den Forst hinrief. Die Norwegskrieger ließen Speer und Schwerer und Streitaxt langsam sich gegen die Erde neigen, und erhuben einen ernsten, etwas traurig klingenden Preisgesang zur Ehre des fremden Siegers.

Der kniete indessen neben seinem lieben Pietro, sah nach dessen Wunde, und schalt heftig auf ihn hinein. –

»Wie soll ich mich denn nun vor Malgheritchen sehen lassen,« rief er in zorniger Wehmuth, »wenn ich dich krank wieder an den Mönchsfelsen bringe, oder wohl gar zum Tode wund! Hab' ich's dir geheißen, mich zu decken? Was? Wie kommst du doch auf den verrückten Einfall? Unsinnige Streiche! – Warte nur! Wenn du mir hinstirbst, sprechen wir einander ernstlich. Das sag' ich dir im voraus.«

Ein Lächeln zog vor diesen Worten über Pietro's bleiches Gesicht, aber konnte zum Antworten noch den Athem nicht wieder finden. Derweile kam Jemand dem Isländer in seinen Bemühungen um den Ritter zu Hülfe, rieb diesem Seite und Brust mit starkduftendem Oel, und sprach dabey mit strengem Tone nach Thiodolf hinüber: »schäme dich! so ein erlesener Fechter, und bey Freundeswunde so ein verworrener Arzt! Ich hoffe, mit reiferem Alter sollst du mir darin besser werden. So siehe doch nur recht hin, bevor du zu schelten anhebst, und zu klagen. Die Haut ist ja nur kaum geritzt, und seine Ohnmacht kommt von der Erschütterung her, nicht von der Wunde.«

Thiodolf und Pietro sahen dem ernsten Helfer genauer in das Gesicht, und erkannten in ihm den alten Fechter, der den Schild wider sie vertheidigt hatte, und eine breite Binde um das enthelmte Haupt geknüpft trug, weil es ihm noch sehr von Thiodolfs Hiebe dröhnte und schmerzte. Er gab seinem Sieger freundlich die Hand, sprechend: »daß der Helmfridschild nun Euer ist, versteht sich von selbst. Aber ich wollte Euch im Nahmen der ganzen Versammlung bitten, daß Ihr den alten Handel nun dennoch eingehen, und uns den Thiodolfschild zum Ersatze hier lassen möchtet. Wir wissen jetzt, was wir daran haben.«

Thiodolf neigte sich ehrerbietig, und bot sein leuchtendes Schild dem Greisen dar. Dieser nahm es aus seiner Hand, und die Norwegkämpfer allzumal hingen es unter feyerndem Harfenklang und lautem Zuruf an denselben Zweigen auf, wo vorhin der Helmfridschild gehangen hatte.


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