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Viertes Capitel.

Die Sonne stieg nur kaum aus den Meereswogen herauf, da kam auch schon Malgherita, wohl nicht minder schön und hell, als jene aus dem Gehöfte Nesiolf's hervorgeschritten. Sie trug eine Zither in der Hand, welche sie in der Halle gefunden hatte, und rief im Gehen einzelne anmuthige Accorde daraus hervor, ob ihr gleich das Instrument um ein Beträchtliches zu groß war, und sie es daher nur mit Unbequemlichkeit im Arme trug. Auch lagen die Saiten zu weit von einander, und waren zu hart und derb, um sich den kleinen, zarten Händchen leicht zu fügen. Aber Malgherita schmeichelte der unbehülflichen Genossin gar lieb und traut, daß doch manchmahl recht entzückende Klänge über das morgenhelle Eiland hinschwebten. Dabey eilte sie geflügelten Schrittes, eine nahe Anhöhe zu erreichen, von wo ihr das Meer in seiner ganzen Herrlichkeit offenbar werden mußte.

Als sie oben stand, schaute sie mit langem, durstigem Blicke hinaus; aber tief seufzend, und kopfschüttelnd, wie unbefriedigt, sank sie alsbald auf den Rasen nieder, rührte die schwerfällige Zither so gut es gehen wollte, und stimmte dazu folgendes Lied an:

»Du herrlich reiches Meer, an dessen Strand erzogen,
Ich erste Lieder sang, gepflückt den ersten Strauß,
Du locktest mich vom Schlaf heraus
Daß ich den Blick erlab' an deinen blauen Wogen;
Hier, dacht' ich, schwinde mir gewiß doch Nordens Graus,
Hier strahl herab, hinauf des Luftgewölbes Bogen,
Ich kam, ich sah' dich an – mit meiner Lust war's aus.
Wie fluthest grau du hin, wie neblich angeflogen
Sieht Himmel über dir, der Trauer nur gewogen.
Ja, hier ist aller Freude Grab,
Hier thu' ich mich des Hoffens ab.
Den Trank des trüben Weh's hab' ich allhier gesogen,
Mich hat so Luft als Meer betrogen,
Und alles trügt, – ach nein, wohl blüht und grünt der Stab,
Den mir zur Pilgerfahrt die treue Liebe gab.«

Malgherita hatte kaum ausgesungen, als sie vom Meeresstrande herauf Zitherklänge vernahm, welche sie anfänglich für ein Echo der ihrigen hielt, bis sich endlich eine nicht unliebliche Mannesstimme dazu gesellte, und ungefähr diese Worte sang:

      »Fragst du so vornehm,
Fremdchen, nach Südland?
Dünkt dich so dämmernd, so dunkel dieß Reich?
Wohnen in Wäldern
Und Wiesen doch Alfen;
Lieblinge nennen die Leute sie hier.

      Freundliches Völklein,
Flüchtig in Lüften,
Spielend auf Wellen, und springend durch Gluth.
Hoben und halten
Herzend und kosend
Gern sich die Menschen zu gutem Verkehr.

      Wissen zu weben
Weisen und Lieder;
Lieblingsweisen, so nennt man ihr Lied.
Laß dir die lust'gen Lieder gefallen;
Lieblinge leben dann rings um dich her.

      Schweben im Schlaf Dir
Schützend um's Lager,
Brauen den Meth dir und bauen dein Haus,
Flechten gefällig
Flink deinen Brautkranz,
Haben dich blühende Blume sehr lieb.

      Dir, deines gleichen
Dienen sie willig,
Schenken ja Schönen das Herrlichste gern.
Frage nicht vornehm,
Fremdchen, nach Südland;
Alfen beleben, beblümen dieß Reich.«

Malgherita hatte diesem Sange mit schauerlichem Behagen zugehört; es war ihr wohl bisweilen, als brächten die unterirdischen, zierlichen Alfen, von welchen die Klänge sprachen, auch selber die Klänge herauf, aus seltsam wiederhallenden Grotten. Dann aber flößte ihr die treuherzige, kraftvolle Stimme des Singenden wieder das Zutrauen ein, der Ton komme doch wohl aus einer vom schlagenden Herzen belebten Menschenbrust.

Und sie hatte Recht, denn als das Lied zu Ende war, kam Thiodolf mit freundlichem Lächeln aus einem dichten Gebüsch am Fuße der Anhöhe hervor, die Zither, zu welcher er gesungen hatte, an einen Baumzweig hängend, und herzlichen Grußes zu der Jungfrau hinan schreitend.

Die grüßte ihm sehr anmuthig entgegen, und winkte ihn neben sich auf den Rasen hin, denn sein Alfenliedchen hatte ihr gefallen, und sie wollte gern mehr von den wunderbaren Wesen vernehmen, die er Lieblinge nannte. Er war ihrem Wunsche, so wie dieser nur über die zarten Lippen kam, gern zu Willen, und erzählte viel von den Alfen, wie sie ganz kleine, aber sehr kluge Geschöpfe wären, in höchst zierlichen Wölbungen unter der Erde wohnten, und freundlichen Menschen freundlich beyständen mit Rath und That, ihnen auch wohl bisweilen Hausgeräth und Waffen borgten, jedwedes Necken aber mit weit schärferm und schmerzenderm Necken zu vergelten wüßten.

»Pfui,« sagte Malgherita, »wer wollte auch die freundlichen, kleinen Geschöpfe necken! Ich gäbe Vieles drum, wenn ich nur recht gewiß wüßte, daß sie immer um mich her wären.«

»Die wanken und weichen gewiß nicht von Euch,« entgegnete Thiodolf. »Es müßten auch recht dumme Alfen seyn, wenn sie nicht eine besondere Lust dran fänden, Euch zu dienen, denn Ihr seyd wohl beynahe die schönste Jungfrau, die es auf Erden gibt.«

Malgherita wandte sich mit verlegnem Erröthen seitwärts, einige Grashalme pflückend und zusammenflechtend, und fragte: »habt Ihr denn jemahls schon einen solchen Alfen gesehen, Thiodolf?«

»Ja freylich,« erwiederte dieser, »zu ganzen Heeren; aber immer nur im Traum. Doch singen hab' ich sie wahr und wahrhaftig auch wachend gehört, wenn ich so bisweilen einsam zur Nachtszeit an fernen Waldesstellen war, und ich müßte mich gänzlich irren, oder sie haben mir oft bey Fischerey und Waidwerk geholfen.«

»Grüßt die Lieblinge von mir,« sagte Malgherita lächelnd, »wenn Ihr sie irgendwo im Schlaf oder Wachen wieder antrefft, Sie gefallen mir gut.«

»Die Weise, in welcher ich Euch so eben mein Liedchen sang,« sprach Thiodolf, »heißen wir nach ihnen Lieblingsweise. Aber sie klingt gewöhnlich etwas freyer, und läuft in den Schlußzeilen viel kunstloser und kühner aus. Diesmal hatte mir Euer Provenzalenlied, das so hold von Euern Lippen quoll, ein festeres Maß in die Sinne gespielt; da mußte sich denn auch die Lieblingsweise drin finden.«

Mit einem Mahle hielt er inne, und sah Malgheriten staunend und forschend an, ihr auf ihre Frage deßhalb erwiedernd:

»Ich sinne nur nach, ob Ihr nicht am Ende selbst ein holdes Lieblingskind seyd, das nach rechter Alfenart seine Neckerey mit mir treibt. Ihr mögt wohl gestern sammt Euerm Lieblinge nur zum Spaße so aus dem Meere aufgetaucht seyn. Da hat man viele Alfengeschichten, wo Aehnliches drin vorkommt.«

»Mag seyn!« sprach Malgherita, und ein Schatten der Wehmuth flog über ihr holdes Gesicht. »Auch bin ich freylich mit meinem Lieblinge aus dem Meere aufgetaucht, aber ein zaubernder Liebling ist er nicht, und noch minder geschah unser ängstliches Auftauchen zum Spaß. Wir sind zwey arme Schiffbrüchige, und ich eine scheue, verflogne Taube.«

»Seyd nur vergnügt,« sagte Thiodolf, »ich habe noch allerhand Spaß für Euch im Sinne, und einen recht auserlesenen, davor es Euch zu Muthe seyn wird, als wäret Ihr in die Mitte Eurer Südlande versetzt. Aber das muß ich erst abpassen.«

Malgherita lächelte freundlich, und ging mit ihm nach dem Gehöfte zurück, wo die Alten und Pietro bereits vor dem Thore saßen. Mit großer Freudigkeit erzählte ihnen Thiodolf, er habe nun wirklich der schönen Jungfrau etwas vorgesagt, daran sie sich ergötze, und es solle gewiß damit noch viel besser kommen.


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