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Vierzehntes Capitel.

Der Oheim und die Muhme sahen sehr ernst dazu, daß nun die Ausfahrt ihres Neffen, und auch die der ihnen sehr lieb gewordnen Gäste so dicht vor die Thüre trete. Aber sie meinten doch selbst, es seye damit an der Zeit, und beeilten sich, die theuern Reisenden recht schnell und tüchtig auszustatten.

Da gab es aber neben den Vorbereitungen an Waffen, Speisen und Trank, wie auch an Kleidung und Schmuck, noch mancherlei zu bedenken.

So wußte man unter Anderm nicht, was mit dem treuen Wolfsthiere des jungen Thiodolf anzufangen sey. Mitnehmen, meinte der Oheim, gehe nicht an, und so wenig auch der Jüngling begreifen konnte, wie er je in eine Gesellschaft gerathen möge, wo man seinen lieben Wolf als etwas Unerhörtes und Unheimliches ansehen werde, so wenig wollte er sich doch auch gegen das Ansehen und die Erfahrung seines Vaterbruders auflehnen. –

»Ich will Euch den ehrlichen Kerl hierlassen,« sagte er. »Aber pflegt mir ihn gut. Nur muß ich jetzt erst einmahl Händel an ihm suchen, und Ihr sollt ihn alsdann in Schutz nehmen, damit er sich besser an Euch gewöhnt. Sonst, wenn er mich allzulange vermißt, rennt er Euch fort, und zaust Euch wohl noch gar zum Abschied ein bischen herum. Zwar sehr scharfe Zähne hat er nicht. Er biß sie sich zu Anfang, als ich ihn zu mir nahm, ein wenig stumpf an meinen Waffen, weil er manchmahl ingrimmig damit spielte. Er wird Euch also schlimmsten Falles so sehr nicht beißen.« –

Muhme Gunhild aber bestand dennoch darauf, daß man dieser Probe lieber aus dem Wege gehen solle.

Da trat denn Thiodolf eines Tages auf seinen Wolf zu, und riß ihm ein Stück rohes Fleisch, daran er eben zehrte, heftig aus dem Rachen. Das gereitzte Thier sprang wider ihn los, und der Kampf begann. Thiodolf hatte statt aller Waffe nur einen knotigen Stock zur Hand genommen, damit er nicht etwa unversehens seinen wilden Zögling erschlüge, und so ward denn auch das Gefecht hart für ihn, und beynahe gefährlich; ja, er blutete bereits, aber dennoch mußte der Wolf endlich heulend die Flucht nach dem Herde ergreifen, und da stand der alte Mann auf, und barg, der Verabredung gemäß, das Thier unter sein Gewand, worauf Thiodolf zurück trat. Seit diesem Tage war der Wolf nicht mehr gut von des Oheims Seite zu bringen.

»Das wäre nun auch in Richtigkeit gebracht,« sagte Nesiolf. »Aber, mein lieber Neffe, welch ein Schwert gedenkst du dir mitzunehmen? Und willst du dir ein ganz neues und ungebrauchtes aussuchen, oder eines, mit welchem schon viele Thaten geschehen sind, und das etwa einen uralt berühmten Nahmen trägt?«

»Oheim, entgegnete Thiodolf, »ich hab' auch schon darüber mannigfach hin und her gesonnen. Erst wollte mich's bedungen, ich solle in meines Vaters Hügel gehen, und dessen gewaltiges Schwert heraushohlen, das Schürebrand geheißen ist.«

»Ja,« sagte der Oheim, da hättest du freylich aller Schwerter bestes. Schürebrand hieb heiße Bahnen durch die Schlacht, und Schild und Harnisch brachen vor ihm, wie Glas. Aber ich weiß nicht, ob der Alte im Hügel damit zufrieden seyn möchte. Todte Helden pflegen ihre Waffen sehr lieb zu haben.«

»So hab' ich hinterdrein auch gedacht,« erwiderte Thiodolf, »ich wollte mich vor dem erschlagenen Vater eben nicht fürchten, und ihn auch wohl bedeuten, daß ich jetzt die gute Klinge Schürebrand weit besser gebrauchen könne, als er. Aber auf keine Weise möcht' ich ihm irgend was Misfälliges thun. Wenn er nun auch sagte: Ja, und suchte dennoch wohl in manch einer dunkel stürmischen Winternacht durch das Grab nach seinem vertrauten Gewaffen umher, und schüttelte das beinerne Haupt über seinen begehrlichen Thiodolf – nein, Oheim, es geht nicht.«

»Da hast du auch vollkommen Recht, du wackerer Asmundurssohn;« sagte Nesiolf, und streichelte ihm die Wangen.

»Zudem,« fuhr Thiodolf fort, »ist es doch auch gar ein Schönes, wenn man eine noch unbenannte Klinge benennt, und deren Nahme wächst alsdann rühmlich mit dem unsern zugleich. Da hängt in der Ecke so ein schönes Schwert mit silbernem Gefäß und funkelnd heller Stahlscheide. Wenn man's herausreißt und wieder hineinwirft, klirrt es immer gar lieblich. Das, wie ich denken sollte, wär' es schon immer werth, vom Thiodolf Nahmen und Ruhm zu empfangen.«

Der Oheim nahm es von seiner Stelle herab, und gab es seinem Lieblinge, sprechend: »das hat noch keines Menschen Hand gebraucht. Es ist ein Bruder des Schwertes, welches der große Helmfrid sich fertigen ließ, als er vor vielen Jahren von diesem Eilande wegzog, und eben deßhalb war es, als könne Niemand der Ehre, ein solches an der Seite zu führen, theilhaftig werden. Aber führe du es nur in Odin's Nahmen immerhin. Ich meine, dir soll es wohl gedeihen. Wie wirst du es denn benennen?«

»Rottenbeißer soll es heißen,« sagte Thiodolf, »denn ich denke, ich will manch eine Rotte von Kriegsleuten noch so bissig damit treffen, daß mir eilig Platz gemacht werden soll.«

Nun wollte Nesiolf noch seinem Neffen eine blanke Sturmhaube verehren, aber der Jüngling zog es vor, einen Kopfschmuck zu tragen, vom Haupt eines gewaltigen Uhres gefertigt, den sein Vater einst in den norwegischen Bergen erlegt hatte, mit starken Eisenbanden zusammengeschient, und noch mit dem ungeheuern Gehörne prangend. Malgherita sagte zwar, sie müsse vor ihm erzittern, wenn er sich damit sehen lasse, aber von diesem Einen konnte sie ihn nicht abbringen, im Uebrigen war seine Bewaffnung prächtig, vollständig und blank.

Wie die Nacht vor der Abreise hereingebrochen war, stand er hoch auf dem Grabsteine seines Vaters in voller Rüstung, und sang laut ein Lied zur Ehre des Todten in das finstere Gewölk hinein, daß man die gewaltige Stimme in vielen benachbarten Gehöften vernehmen konnte. Unter andern kamen folgende Worte darin vor:

   »Was ich an Liedesweisen
Werde nicht fürder hier singen,
Soll singen der Ruhm am südlich fernen Gestad,
Wird dir wohl recht seyn, Hügelwirth,
Wenn ich mit Waffen singe.
Nicht wahr, so web' ich ein köstliches Schlaflied Dir?«

Malgherita lag derweile in wunderlichen Träumen. Die Alfen flochten Reigen um sie her, und schrillten ihr in's Ohr, sie solle der Lieblinge nicht vergessen; denen sey keine ängstlich bindende Wohnstatt; auch noch in den Südlanden solle sie von ihnen hören, wenn freylich meist immer nur im Schlaf. Dann wiederholten sie die Räthselstrophen von den zwey Schwestern und den zwey Kindern, und was des wunderlichen Zeuges mehr war, bis in der dämmerigen Morgenkühle Pietro schon ganz reisefertig an ihrem Lager stand, und sie zur Abfahrt weckte. Die Hörner von Thiodolfs Volk auf dem Schiffe bliesen vom fernen Strande herauf mit gewaltigem Rufen darein.


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