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In dem blühenden Lande Toscana saßen eines schönen Abends mehrere Hirten beisammen unter laubigem Gezweig, vor sich das von goldnen Abendlichtern angestrahlte Meer. Der Aelteste von ihnen rührte eine Guitarre, zu deren Klängen ein Andrer etwa folgende Worte sang:
»Einsam schaut vom Rasenhügel
Gräfinn Laura's helle Burg;
Schwalb' und Meis' und sonst Geflügel
Zieht den öden Hof hindurch.
Ritter sonst mit art'gem Minnen
Hielten Tanz hier und Turnier
Wie so plötzlich nun von hinnen
Alles Leben, alle Zier?
Trotzend auf Korsarenschiffen
Kamen Mohren, scharf bewehrt,
Daß sie just das Schönste griffen,
Sagt, wer hat sie das gelehrt?
Abgepflückt die beste Blume
Aus dem ganzen blüh'nden Strauß!
Zu Toscana's Schmuck und Ruhme,
Ritter, ziehet rettend aus!«
»Es hat sich was damit!« sagte ein Dritter. »Freilich ziehen unsre Ritter fort von hier, aber der nach Florenz, und jener nach Siena, und noch einer nach Pisa, und während solch ein Stadtadel seine wunderlichen Streiche dorten verübt, und seine Launen spielen läßt mit eignem und Bürgerblut, bleiben unsre Küsten allen Seeräubern offen. Seht, wie viel der schönen Kastelle rings umher auf den Hügeln glänzen, und alle stehen sie leer, wie der geraubten Gräfinn Laura Schloß.«
»Wäre nur der Marchese Pietro von Castelfranco noch hier!« sagte der, welcher gesungen hatte. »Der zeigte sich doch recht als der Spiegel unserer Ritterschaft, und hätte den Unfug gewiß nicht gelitten; zumal, da die Gräfinn Laura seines seligen Vetters Gemahlin war.«
»Da kommt's noch drauf an,« erwiederte der Erste, »ob er viel darum gethan hätte. Du wirst dich ja noch erinnern, wie der Graf Paolo starb. Der unbekannte Ritter in mohrischer Tracht, dessen Lanzenspitze ihn bey'm Turnier in seinem eignen Burghof tödtlich traf, ist allen Gästen unheimlich vorgekommen, fast wie ein Hexenmeister, und die schöne Gräfinn blieb nicht alles Verdachtes frey. Sie wollen behaupten, eben aus Unwillen über sie seye der Marchese Pietro in die Welt hinausgezogen.«
»Mag er's gethan haben, warum er will!« sagte der alte Hirte. Schlimm genug für uns bleibt es immer. Ach, wie so betrübt Castelfranco von den Bergen herunter sieht! Es gleicht schon beynahe mehr einer Trümmer, als einer Burg, denn ob auch die Steine alle fest aufeinander stehen, so fehlt doch mit dem Burgherren die Seele darin. Laßt es noch eine kurze Zeit so verlassen und so verschlossen bleiben, und Ranken grünen aus dem Gestein hervor, und Bäume schatten von den den Thürmen statt der Fahnen herunter, ja, mir ist, als lägen bereits Wall und Thor und Mauer übereinandergestürzt, und als sähe ich schon neugierige Reisende nach den Ruinen wallfahrten.«
Alle wurden in diesen trübseligen Gedanken sehr still, da fuhr plötzlich Einer aus dem Kreise erschrocken in die Höh'. – »Daß es alle Heiligen erbarme!« rief er aus. »Ein normannisches Seeräuberschiff kommt mit schwellenden Segeln heran.«
Aufblickend sahen Alle dieselbe bedrohliche Erscheinung, und während Einer nach Waffen rief, der Andre nach Bothen, der Dritte vorerst die Herden tiefer in's Land treiben wollte, sagte der alte Hirt: »übereilt Euch doch nicht so, Ihr Kinder, mit unnöthiger Noth, ihr könnt ja sehen, daß sie eine Friedensflagge aufziehn. Geht ihnen nur hübsch freundlich entgegen, und damit ist Alles gut.«
Es wollten wohl Einige noch Zweifel vorbringen, und meinten, das mit der Friedenflagge möge auch vielleicht nur rauschende Verlockung seyn. Darüber schalt aber der alte Hirte mit sehr ernsthaften Worten, ihnen zu Gemüthe führend, das Fahrzeug gebe sich ja nicht etwa als ein muselmännisches, sondern deutlich als ein normännisches zu erkennen, und Normannen, wisse man doch, trieben mit ihren Bannern und Flaggen keinen Spott.
Da thaten sie auch Alle nach des alten Mannes Rath, und befanden sich wohl dabey, denn die Ankommenden hatte Thiodolf voraus gesandt, um die Kunde von Pietro's und Malgheritens Ankunft in Schloß und Gegend zu verbreiten.
Eine festliche Regsamkeit erhub sich alsbald auf der ganzen Küste. Mit Blumengewinden zogen die Mädchen, mit köstlichen Früchten und glänzenden, in der Luft wehenden Tüchern die Frauen heran, ihre Väter und Männer, je nachdem sie Ackerleute, oder Hirten, oder Jäger waren, mit blankgeschliffenen Sensen und Stäben und Waffen. Die Kriegsleute, welche noch in der Gegend weilten, gewohnt, unter dem Banner des alten Stammes von Castelfranco zu fechten, sammelten sich gleichfalls, und rückten zum freudigen Empfange an. Derweile läuteten die Glocken aus den nahen Dörfern, und viele Zithern schwirrten, wie lustige Frühlingsvögel dazwischen. Was aber die Mädchen und Frauen für anmuthige, bald neckende, bald sehnende Lieder anstimmten, das läßt sich nur dem andeuten, der ähnliche Juniusklänge des Südens bereits im Sinne trägt.
Die Liebenden landeten. Und während sich Pietro durch sein ritterlich freundliches Wesen, Malgherita durch ihre Schönheit und zarte Huld aller Herzen gewann, schritt Thiodolf, wie in einem wachen Traume, neben den beyden her. Bald starrte sein Blick empor in die tiefgrünen Baumwipfel, die so anmuthig mit ihren röthelnden Früchten gegen die lichte Himmelswölbung abstachen, bald streifte er über den reichblühenden Rasenteppich hin, und weilte dann wieder auf irgend einem leuchtenden Sommerhäuschen und dessen funkelnden Gärten; selig lächelnd und seufzend sagte er in sich selbst hinein:
»Oheim Nesiolf hat doch wahrhaftig nicht gelogen, wenn er von den herrlichen Südlanden sprach. Aber freylich, ein bischen träge nur und hölzern hat er's vorgebracht, der arme Mann!«
»Und das Alles findet Ihr erst hier?« sagte Malgherita lächelnd. »Ihr könntet mich böse damit machen, daß mein holdes provenzalisches Mutterland so weit hinter Toscana zurückstehen soll.«
Er aber erwiederte freundlich: »damals, Malgheritchen, gab ich nur auf Euch Acht, und, allen Göttern sey es geklagt, hinterdrein viel zu viel auf die ungezogne, ach, so wunderschöne Isolde!«
Man war über diese Gespräche in die Burg gelangt, wo schon die Spuren der Unbewohntheit und Vernachlässigung ziemlich im allgemeinen Freudeneifer hatten weggeräumt werden können. Auf jeglichem Gesichte lag Sonnenschein, nur ein augenblicklicher, aber sehr finstrer Schatten flog über die Züge des edeln Ritters Pietro hin, als man der Wittwe seines Vetters, der schönen, durch Barbaresken entführten Gräfinn Laura gedachte. Thiodolf meinte, es sey eben um der Entführung willen, und stand schon im Begriff, seine Ritterdienste zu ihrer Errettung zu verheißen, da sagte der Marchese: »kümmre dich um die Verworfne nicht. Möchten sie meine Augen nimmermehr wiedersehen!« – »Ja,« erwiederte Thiodolf, » der Wunsch kann nun auf diese Weise sehr leicht erfüllt werden, und wenn es dir so recht ist, ist mir's auch recht.«
Damit setzte er sich lachend zu Pietro und Malgherita an den von herrlichen Weinen und glühenden Früchten prangenden Tisch, wobey er wider alle Gewohnheit sein klirrendes Silberschwert Rottenbeißer von sich warf, versichernd, hier sehe es gar zu hübsch und lustig aus, als daß irgend von kaltem Eisen die Rede seyn dürfe.