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Fünftes Capitel.

Seit dieser Stunde blieb Thiodolf nur wenig und ungern von Malgheriten fort, und auch sie hatte den treuherzigen, freundlichen Nordmann gern um sich, der einen großen Reichthum von anmuthigen, wenn auch etwas schauerlichen Alfengeschichten vor ihr auszubreiten wußte. Weil er nun diese Alfen meist immer noch isländischer Weise Weise Lieblinge nannte, und sich auch bisweilen, Malgheriten zu gefallen, bemühte, in der ihm unbequemen südlichen Mundart zu sprechen, mochte es geschehen, daß mißverstandene Worte in Pietro's Ohr fielen, daher dieser durch einige Tage hin immer ernsthafter und finsterer ward,ohne daß es Malgherita in ihrer schuldlosen Unbefangenheit bemerkte. Thiodolf aber, der es mit allen Menschen sehr gut meinte, kam nimmermehr auf den Gedanken, daß irgend jemand etwas Anderes von ihm glauben, und ihm deßhalb übel wollen könne.

Da begab es sich eines Abends, daß der Jüngling von der isländischen Falkenzucht erzählte, und wie treu diese Vögel dem rechten Herrn wären, der sie gut zu behandeln wisse, so daß sie nur im Tode von ihm ließen.

»Ihr wollt vermuthlich von Hunden sprechen;« sagte Pietro, und verzog den Mund höhnisch zum Lachen. »Was die Falken betrifft, da müßt Ihr Euch wohl ein gutes Theil abhandeln lassen.«

»Ich bin ja kein Handelsmann,« sagte Thiodolf freundlich; wie soll ich mir denn da etwas abhandeln lassen? Und von Hunden will ich auch nicht sprechen, sondern von Falken. Das müßte ja ein mehr als halbverrückter Bursch seyn, der Ein Wort sagen wollte, und brächte das Andere über die Zunge. Kommt's Euch aber so unbegreiflich vor, da will ich Euch meinen Leibfalken hohlen; den sollt Ihr in Eurer Kammer behalten, und wenn er das Mindeste von Eurer Hand frißt, will ich ihn verloren haben. Dann nach dreyen Tagen laßt ihn fliegen, und er soll mir nachkommen an das entfernteste Ende der Insel, wohin ich mich noch heute Abend aufmachen will.«

Aber Malgherita verboth die Probe, betheuernd, es seye unrecht vor Gott, ein liebes, getreues Thier um der bloßen Rechthaberey willen so zu ängstigen. Da lächelte Thiodolf sie sehr freundlich an, und sagte in seinem gebrochnen Provenzalisch: »wenn schön Fräulein nicht will, wird aus der Wette nichts. Hübsch, daß schön Malgherita den Falken so lieb hat; da dankt sein Herr für, und ist ein rechtes Lieblingsstück das, den armen Thierlein so hold seyn.«

Malgherita nickte ihm beyfällig zu, und Pietro blieb still, aber nach einer Weile, da Alle in andern Gesprächen begriffen waren, klopfte er leise auf Thiodolfs Schulter, und flüsterte ihm in's Ohr: »ich habe Euch allein zu sprechen. Laßt Niemanden etwas davon gewahren.«– Damit schritt er aus der Halle, und Thiodolf machte sich gleich darauf hinter ihn her.

Pietro stand vor dem Gehöfte, aber als Thiodolf auf ihn zutrat, ging er schweigend weiter, und winkte den Jüngling sich nach, bis sie in einen abgelegenen Busch gelangten. Da häkelte Pietro eine Streitaxt, die er aus dem Waffenvorrathe des alten Nesiolf genommen hatte, und immer neben seinem Dolche an der Seite zu tragen pflegte, vom Gürtel los, und sagte: »bereite dich auch, Thiodolf. Wir wollen miteinander fechten.«

»Odin und alle Walhallshelden seyen gepriesen,« rief dieser, »daß Ihr auf einen so klugen Gedanken kommt. Wir beyden jungen Männer sehen uns schon viel zu lange müßig an, ohne unsere Kräfte zu erproben. Aber thut die Streitaxt da von Euch. Das Ding ist sehr scharf.«

»Schneidet denn das Schwert nicht, welches so lang von deiner Hüfte herabhängt?« fragte Pietro mit mißvergnügtem Lächeln.

»Freilich schneidet es nur allzuscharf,« entgegnete Thiodolf, »und eben deßhalb will ich gehen, und uns stumpfe Waffen hohlen, damit wir einander bey unserm Wettkampfe nicht beschädigen.«

»Stumpfe Waffen! Wettkampf!« rief Pietro, und lachte wild durch den Forst. »Die Wette mit dem Falken, o Malgherita, konntest du verbiethen, aber hier die blutige Wette soll ihren Gang ungehindert gehen, und Einer von uns Zweyen das Leben darum lassen, wenn wir's nicht Allebeyde thun.«

»Ach so,« sagte Thiodolf, »Ihr wollt ordentlich fechten, auf Tod und Leben. I nun, es ist bey mir auch nicht das erstemahl. Kommt immer her, mein lieber, fremder Rittersmann.«

Und damit hatte er sein Schwert blank, und erwartete, was Pietro thun werde, welcher seinen Dolch in die Rechte genommen hatte, diese hin und her schwenkend, daß man wohl sahe, er gedenke den ganzen Kampf gleich von vorn herein durch einen tödtlichen Wurf zu entscheiden. Thiodolf sah scharf und strenge bald nach Pietro's Auge, bald nach dessen Hand.

Die kleine, leuchtende Waffe flog, und Thiodolfs Schwert traf sie mitten im schnellesten Schwunge so heftig, daß sie wirbelnd in die Höhe schnellte, und dann seitwärts zwischen die Gebüsche hinabschoß. Da fielen die Fechter einander mit Streitaxt und Klinge zum Kampf in der Nähe an. Pietro führte das Beil nicht mir der Kraft und Gewandtheit eines nordischen Streiters, aber desto leichter und ringfertiger bewegte er sich selbst, so daß Thiodolf sich bald von dieser, bald von jener Seite angegriffen sah. Der riesige Isländer regte sich dagegen nicht von der Stelle; seine Füße standen wie eingewurzelt, und nur sein langes, strahlendes Schwert zuckte nach den Angriffen des flinken Italiäners hin, so daß es fast anzusehen war, als stürme Pietro mit seiner Axt gegen einen schlanken magischen Baum an, welchen wundersame Blitze von allen Seiten beschirmten.

Die Blitze schirmten gut, denn Thiodolf blieb ruhig und unverwundet stehen, aber nicht so gut mochte die Streitaxt schirmen, denn plötzlich fuhr das nordische Schwert in Pietro's rechten Arm; seine Waffe fiel; im vergeblichen Bestreben, sie aufzufangen, glitt er aus, und sank ebenfalls auf den Boden. Thiodolf neigte sich über ihn, die Spitze des Schwertes an die Hüfte des Ueberwundenen gesetzt. – »Gebt Ihr Euch?« fragte er, und wie Pietro in zorniger Beschämung regungslos schwieg, brach endlich der harmlose Sieger in ein lautes, helles Lachen von ganzem Herzen aus. Da ergrimmte Pietro sehr, und rief: »stoße nur zu, tölpischer, höhnender Bauer! Du lachst wohl selbst über das tolle Schicksal, daß es dich einen Ritter hat bezwingen lassen, wie mich.« – »Nein,« entgegnete Thiodolf, »darüber lache ich gar nicht, das finde ich ganz natürlich. Mir kommt es nur spaßhaft vor, daß du so viele Anstalten machtest, mich umzuhauen, und darüber selbst auf die Nase gefallen bist. Ja ja, so geht's. Wer sprang nach Beute, und schlug sich die Zähne ein? Das war der Wolf in der Falle. – Im übrigen,« fuhr er ernsthafter fort, »schickt sich das Schmähen gar nicht für Eure Lage, und noch minder für Jemanden, der meint, er sey ein Ausbund von zierlichem Rittersmann. Ich bin zwar ein Bauer, wenn Ihr so wollt, denn ich baue bisweilen das Feld. Aber ein Heldensohn und ein Fürst bin ich auch; da könnt Ihr ganz Nordland nach fragen. Und daß ich kein Tölpel bin – seht!«

Mit unerwarteter Gewandtheit hatte er sich zu Pietro niedergebogen, ihn um den Leib gefaßt, und blitzschnell auf die Füße gestellt. Dann lächelte er ihn an, und sagte: »könnt Ihr's auch? Versucht's einmahl; ich will mich niederlegen. Nun freylich, ich bin Euch wohl ein Bischen zu schwer.« Pietro aber stand ihm schamroth gegenüber, und hielt ihm mir einer leisen Beugung des Hauptes die Hand versöhnend entgegen. Da schlug Thiodolf kräftig ein, daß es wiederhallte, sah nach der Wunde, die er als unbedeutend schnell und schmerzlos verband, und sagte dann: »nun erzählt mir, lieber Herr, warum haben wir denn eigentlich so ernsthaft auf einander losgehauen? Vor dem Kampf mochte ich nicht fragen, denn bey dergleichen Einladungen ist's besser, frisch Ja gesagt, als lange geforscht nach Wie oder Warum. Aber nun die Gasterey zu Ende ist, möcht' ich wohl erfahren, wem zu Ehren wir einander bewirthet haben.«

Pietro schien noch immer die Sprache nicht recht wieder gefunden zu haben, nur daß sie ihm wohl vor einem viel mildern Gefühle ausblieb, als vor dem ersten störrigen Trotz. Endlich sagte er leise: »fordere nicht, daß ich dir's erzähle, junger Kampfheld, ich war in einem großen, verwirrenden Irrthum, der mir vor deiner hellen Freudigkeit wie Schuppen von den Augen gefallen ist.«

»Ich merkte vorhin selbst so was,« entgegnete Thiodolf, »da du mitten in der Ausforderung von Malgheriten sprachst. Aber, Ritter, verständiger Ritter, wie konnte dir dergleichen auch nur im Traum einfallen? Höre, ich will dir was anvertrauen: ich bin Malgheriten wohl herzlich gut, und mache ihr gern eine Freude, aber wäre sie auch nie eines Mannes Braut gewesen – werben möchte ich doch nicht um sie.«

»Die Entschuldigung« – sagte Pietro, plötzlich finster werdend – »nöthigt mich fast, dir aufs Neue blutige Rechenschaft abzufordern, und mit besserm Grunde, als vorhin. Du sollst nicht so von meiner Dame sprechen.«

»I warum denn nicht?« lachte Thiodolf zurück, »ich könnte eben so gut um ein Alfenweibchen werben, als um die. Die Kleine müßte sich ja fast den Hals ausrenken, wenn sie mir recht in die Augen sehen wollte, und vor ihr zu knien hab' ich eben keine Lust. Für dich paßt sie indessen recht gut.«

Pietro mußte mit lachen, und Thiodolf, aus einem nahen Borne Wasser schöpfend, reinigte seines Freundes Kleider von Blut, und verbarg überhaupt dessen Verletzung auf's sorgfältigste. – »Malgherita muß nichts davon merken,« sagte er, »denn die zarte Blume hat gleich Thauperlen in den Augen, und du bist doch ihre allerbeste Freude. Auch käm' es dann zum Erzählen der ganzen Geschichte, und mir ist, als müßt' es ärgerlich seyn, für Einen, der eine Braut hat, ihr von einem sieglosen Gefecht vorzureden. Oder ist es anders?«

»Nein, nein,« entgegnete Pietro lächelnd und beschämt, »es ist, wie du sagst.«

Thiodolf suchte ihm seinen Dolch wieder aus dem Gebüsche vor, gab ihm noch den guten Rath, künftig lieber mit einem Schwerte in den Kampf zu gehen, als mit einer nordischen Streitaxt, die ihn unfehlbar zu Boden reißen müsse, und führte ihn Hand in Hand nach dem Gehöfte zurück.


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