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Dreyzehntes Capitel.

Auf einem Vorgebirge des südlichen Siciliens lag ein schönes, ernstes Frauenkloster. Da sah die Gegend rings umher gar feyerlich und abgeschieden aus. Man wußte nicht, ob es in der Welt Krieg oder Frieden gebe; nur was unmittelbar in die strenge Abgeschiedenheit herein drohte, oder herein leuchtete, galt für eine Begebenheit, und davon mochte man vielleicht durch fünfzig oder mehrere Jahre sprechen, bis wieder irgend ein neuer Vorfall verdrängend dazwischen trat.

Da geschah es, eines Tages, daß Thiodolfs feyerlicher Kriegerzug sich strandauf heranwand; einige der Nonnen meinten verloren zu seyn, andre sahen doch einer sehr ernsten Prüfung Gottes entgegen, indeß wieder andre etwas Herrliches und Hochfreudiges erwarteten. Mochte es dies, mochte es jenes gelten, die Thore des Gotteshauses wurden aufgethan in demüthiger Ergebung; lichthell strahlten buntfarbige Kerzen hervor aus den heiligen Gängen; die Abbatissinn stand mit allen Jungfrauen in der Pforte, und sang den wunderlichen Heldengestalten entgegen:

»Wenn Ihr als Todesbothen kommt:
Wir wissen, daß auch Tod uns frommt!
Zieht Ihr als müde Pilger ein:
Willkommen uns zu Brot und Wein!
Naht Ihr als andachtsvolle Gäste:
Ach, viel gibt's hier der frommen Feste!«

Thiodolf reckte die linke Hand grüßend nach ihnen aus, indem er mit der rechten den Speer zum Friedenszeichen so herum warf, daß er mit der Spitze gegen den Boden kam.

»Wir verstehen Euern sittigen Gruß,« sagte die Abbatissin, »und danken Gott, daß er Euch mit milden Gesinnungen zu uns sendet. Gebt uns kund, was Ihr von unserm armen Klösterlein begehrt.«

»Ach liebe, fromme Dame,« entgegnete Thiodolf treuherzig, »wir begehren gar nichts, wir bringen etwas; ob nun die Gabe des Dankes werth ist, kann Euch freylich erst die Erfahrung lehren. Hier dieses junge, schöne Frauenzimmer, über das ich auf eine etwas wunderliche Weise die Vormundschaft erlangt habe, sollt Ihr auf etwa ein Jahr bey Euch behalten, oder auch ein wenig drüber, je nachdem sich's trifft. Hat sie in der Zeit nicht etwa Lust zum Klosterleben und zur Buße gewonnen, so mögt Ihr sie wieder in die Welt hinauslassen, aber doch auf keine Weise eher, als bis Euch Jemand diesen Goldring zeigt.«

Er hielt der Abbatissinn einen mit Runen beschriebnen Fingerreif zur genauen Betrachtung vor die Augen, und sagte dabey, indem er sich zu Achmet wandte:

»Seht, lieber Herr, den Ring bekommt Ihr zum Wahrzeichen, sobald Ihr mir Nachricht bringt von Oheim Nesiolf, und Muhme Gunhild, und meinem lieben Wolfsthier, aber auch nicht einen Augenblick eher. Damit, denk' ich, hab' ich Euch gut genug an der Leine fest, denn so schändlich könnt Ihr doch wohl unmöglich seyn, der Laura ganz und gar zu vergessen.«

Achmet sprach einige betheuernde Worte gegen Thiodolf, einige zierlich beruhigende, und wohl recht von Herzen kommende verliebte gegen Laura, aber diese schien nichts darauf zu geben, so gänzlich verwandelt bezeigte sie sich, seit ihr das stille Kloster in seiner Abgeschiedenheit zwischen Meer und Gebürg in die Augen gefallen war. Man konnte nicht wissen, rang sich irgend ein Bewußtseyn ihrer Schuld ernst und strafend und bessernd aus ihrem Herzen heraus vor dem Anblicke des schweigsamen Wohnsitzes, oder that sie nur nach kluger Weltsitte so, um sich das Wohlwollen ihrer künftigen Genossinnen zu erwerben. Thiodolf schien selber sehr ernsthaft darüber nachzudenken. Als die Abbatissinn ihre schöne, demüthige Kostgängerinn mit Liebkosungen überhäufte, sagte er vor sich hin:

»Wer ein Pferd erhandelt hat, soll sich nicht eher darüber freuen, als nach der ersten Tagereise, und ein neues Schiff soll man erst dann preisen, wenn man den ersten Seesturm darinnen ausgehalten hat. Indessen gebe der Himmel, daß die fromme Frau eine Weissagerinn sey, ich aber ein bethörter Gesell.«

Darauf gab er der Abbatissinn viele Kleinodien und Goldstücke, gebiethend, sie solle dafür die junge Dame recht gut nach ihrem Stande halten, aufpassen aber müsse sie ihr gleichfalls; »denn,« setzte er freundlich hinzu, »bisher hat sie nicht eben allzu viel getaugt.«

Er ließ sich darauf im Kloster umherführen, und sich erzählen, wie die Nonnen lebten, und was sie thäten, um ihrem Gott zu dienen. Lange hörte er geduldig zu, endlich aber stieß er den Speer gegen den Marmorboden der Kirche, daß die Jungfrauen davor zusammen bebten, und rief aus:

»Das wäre Isolden aufgehoben? Nun und nimmermehr! Für Andre mag es taugen. Für dies stolze, hohe, königliche Bild taugt es wahrhaftig nicht. Frisch aufgespannt die Seegel, Ihr Isländer, daß wir sie finden, bevor ein thörichtes Gelübde über ihre Lippen springt! Denn ach, hätte sie es einmahl abgelegt, da müßt' ich ihr ja selbst zureden, es zu halten, und bräche mir auch das Herz darum entzwey!«

Und mit stürmender Eil' flog er aus dem Kloster, an das Meer hinab, in das Schiff, und hatte nicht eher Ruhe, als bis die Barken auf die blaue Fläche, von günstigem Winde getragen, hinausschwebten. Wie nun aber Alles gethan war, was sich thun ließ, ward er freundlich und still, lächelte nach dem Kloster zurück, und sagte:

»Das ist doch wunderlich. Vorgenommen hatt' ich mir's, wenn ich einmahl an solch ein Haus käme, es aufzusperren, damit alle Mädchen herauslaufen könnten, die Lust hätten, und nun bracht' ich selbst Eine hinein. Der Mensch kann ganz erstaunlich selten wissen, wie es kommen wird.«


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