Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
»Ja«, sagte Thiodolf nach einer Weile, »das ist nun Alles gar schön und gut; wir haben einander seelenlieb, und könnten vergnügt leben, wie die Könige, nur daß wir leider noch immer nicht zu Gelde gekommen sind. Was ist dabey anzufangen? Länger, das sag' ich Euch, zieh' ich nicht mit leeren Taschen umher. Man muß zusehen, wie man etwa den Leuten hier einen so tüchtigen Dienst erzeigt, daß man dafür ohne Erröthen eine reiche Vergeltung annehmen darf. Oder was besser wäre, man spürt wohl Räuber und sonst rechtloses Gesindel aus, die man mit gutem Gewissen todtschlägt und wegnimmt, was man bey ihnen findet. Wie heißt denn eigentlich die Insel da vor uns?«
»Lieber Herr,« entgegnete ein alter versuchter Seefahrer, »das ist das schöne Eiland Cephalonia.«
»Cephalonia!« wiederholte Thiodolf nachsinnend, und zu einer andern Insel hinüberblickend, die sich in der Entfernung wahrnehmen ließ. »Dann muß ja das dorten wohl Zante seyn.«
»Ihr habt es gut errathen, mein junger Herr!« sprach der Alte.
»Da ist eben nichts zu errathen dabey,« sagte Thiodolf. »Oheim Nesiolf hat mir so oftmahlen von diesen beyden Eilanden erzählt, und von den Geschäften, die er sammt meinem großen Vater allhier getrieben hat, daß ich nicht hingehört haben müßte, oder ein Schwachkopf seyn, wenn ich mich nicht in der Gegend zurecht finden sollte. Wißt Ihr wohl, Kinder, daß unser Geld uns an keiner gelegenern Stelle hätte ausgehen können, als gerade hier? Die von Zante sind mir von Vatersseite her noch Tribut und Schatzung schuldig. Er und Oheim Nesiolf hatten ihnen geholfen gegen die von Cephalonien, und sich Gold und Waare dafür ausbedungen, eine große Menge – wenn ich mich recht besinne, werd ich's noch ziemlich genau angeben können, – das Volk versprach auch aus Leibeskräften; als es aber zum Zahlen kommt, wollen sie nicht dran, haben sich nun ihrerseits mit den Cephaloniern verbunden, und weil ein Sturm die beyden Nordlandshelden indeß in's hohe Meer hinaustreibt, nach einer Küste hin, wo mein Vater ein schönes Lieb gewann, und darüber die ganze Sache vergaß, hat auch Oheim Nesiolf zur Gesellschaft nichts abgekriegt. Aber wart! Nun sollen sie zahlen, bey Heller und Pfennig, und ein tüchtiges Strafgeld noch obenein. Lichtet die Anker, liebe Kinder, und macht Euch fertig zum Gefecht!«
»Ach Thiodolf,« seufzte Malgherita, »schon wieder fechten? Erlaß ihnen – ich bitte dich so sehr – erlaß ihnen doch lieber die ganze Schuld.«
»Kind,« entgegnete er, »ich wollt' ihnen eher noch einmahl so viel dazuschenken, als dir etwas abschlagen. Es ist nur dießmahl so schlimm, daß wir selber nichts haben.«
»Selber nichts haben?« fragte sie mit staunendem Kopfschütteln. »Sind denn die königlichen Edelsteine nichts, die du beständig bey dir trägst, und mit deren lieblichem Funkeln du mich so oftmahlen ergötzest?«
»Ja Malgheritchen,« rief Thiodolf, »zum Spielen und Ansehen sind die recht gut, aber weiter taugen sie für uns zu gar nichts, denn sie gehören dem Bertram.«
»Eben deßhalb!« erwiederte die lächelnde Frau. »Den Bertram kenn' ich recht gut, und verbürge mich dafür, daß er Euch mit Freuden die Hälfte des Schatzes leiht, und wenige Steine daraus rissen uns schon aus aller Noth.«
»Das kann Alles wohl seyn;« sagte Thiodolf. »Aber Bertram ist nun einmahl nicht selbsten zur Stelle, und von Einem borgen, der weder antworten kann, noch die Tasche zuhalten, – es kommt mir nicht eben zum rühmlichsten vor. Ueberhaupt, wozu borgen, wenn man nur ein bischen fest einzustreichen braucht, um sein ehrliches Eigenthum zu gewinnen? Mußt mir auch nicht gar zu viel einreden wollen, Malgheritchen, sonst wird am Ende gar noch eine ordentliche Weiberherrschaft draus.«
Und damit segelten beyde Barken lustig auf Zante los.
Wie man sich dem Hafen näherte, standen alle Nordlandskrieger in voller, schwerer Rüstung auf den Verdecken gereiht, ihre großen, leuchtenden Schilder vor der Brust, die in der Sonne funkelnden Stahlspitzen ihrer Speere scharf nach vorwärts geneigt, so daß die auf der Insel alsbald erkennen konnten, die Fremden kämen zu ernster Fehde heran. Wild bliesen die isländischen Schachthörner drein.
Es gab auch ein großes Gewimmel am Strande, Lärmfeuer brannten auf, Sturmfahnen flatterten, vieles Volk lief und ritt durch einander hin. Festen Blickes schaute Thiodolf darnach aus, und sagte endlich mit mißvergnügtem Lächeln:
»Ja wenn sie's nicht besser anfangen und ordentlicher, soll's ihnen wenig helfen, und haben wir nur ein ganz erbärmliches Gefecht zu bestehen.«
Aber es schien auch nicht einmahl dazu kommen zu sollen, denn eine kleine Barke, von der viele weiße Friedensflaggen wehten, steuerte gegen das Hauptschiff heran.
Als man ihr vergönnt hatte, sich zu nähern, warf sie Anker, und ein Mann darin hielt, sich empor richtend, eine sehr schöne und weitläuftige Rede über die Segnungen des Friedens, wohinein er viele anmuthige Geschichten aus der altgriechischen Sagenlehre kunstreich zu verweben wußte.
»Siehst Du, Malgheritchen,« sagte Thiodolf zu seiner holden Gefährtinn, »nun sind wir zu den Leuten gekommen, die an den Apollo glauben, von dem du mir einmahl vorsagtest. Die Machmudsdiener hab' ich schon vorlängst gefunden, und vielleicht gelangen wir nun auch bald an die Kerls mit dem Trevisant.«
Aber mit welchem Staunen hörte er, daß der Mann zuletzt mit einer christlichen Ermahnung schloß, und daß er sich wirklich zu demjenigen bekannte, welchen Thiodolf in ehrfurchtsvoller Ahnung den weißen Christ zu nennen gewohnt war. –
»Ihr Leute,« rief er, gegen den Boden stampfend, aus, »Ihr mögt mir auch die rechten seyn, die eine Ehre davon haben, den weißen Christ anzurufen! Bringen da den Apollo hinein, und wer weiß, wen noch sonst! Habt Ihr nicht genug an dem Einen? Und an einem so Großen? Ei, so bitt' ich, nehmt Euch noch ein Halbdutzend mehr dazu, und mischt auch den Machmud und Trevisant mit in das Gerede, damit man doch Alles auf einmahl nach Belieben bey Euch finden kann. Aber das bitt' ich, unsere alten Heldengötter von Asgard – die laßt aus dem Spiel. Sie vertragen dergleichen buntscheckige Narrenspossen nicht, und manch ein Nordmann könnt' es Euch dermaßen gedenken, daß all' Euer Eiland in Schwert und Flammen zunichte ginge.«
Der kluge Mann blieb offenen Mundes dem zürnenden Jünglinge gegenüber stehen und wußte weder, wie dieser plötzliche Sturm heraufgezogen, noch auch, wie er zu beschwören seyn möchte.
Bald jedoch hatte sich Thiodolf wieder zur Ruhe gegeben, und fuhr fort:
»Ihr geht mich nun freylich nicht gar zu viel an, und wenn Ihr mir zahlt, was Ihr mir schuldig seyd, segl' ich in Frieden weiter. Denn kampfgierig, lieben Leute, kommt Ihr mir eben nicht vor, vielmehr furchtsam, und zwar um ein gut Theil über die Gebühr. Kommt nur getrost auf mein Schiff. Da will ich Euch Alles vorrechnen, und wir werden wohl recht bald miteinander einig.«
Die Abgeordneten thaten nach des jungen Seehelden Begehr, und er sagte ihnen nun auf, was sie seinem Vater schuldig seyen, wie auch, was er heute wegen des langen Verzugs von ihnen nachzufordern gedenke. Da erhuben sie große Klage, man gehe doch allzu unbillig mit ihnen um, und sie hätten den größesten Geschwadern kaum je so viele Schatzung gezahlt. –
»Das kam auf die Geschwader an,« sagte Thiodolf, »ob sie mehr oder weniger nehmen wollten, vorzüglich auch darauf, ob ihnen mehr oder weniger zukam. Mir aber kommt es nun einmahl genau so zu, und nach andern Leuten richt' ich mich überhaupt nicht.«
Dabey blieb er ganz gelassen, und ließ die Abgeordneten sich in klugen und wohl vorgebrachten Gründen erschöpfen. Wie sie aber endlich anfingen, sehr klüglich zu thun, sagte er:
»Nun, gehabt Euch nur nicht so jämmerlich. Damit Ihr seht, daß ich es nicht bös mit Euch meine – ich will Euch einen Gefallen thun. Wegen meines Oheims Antheil wär' es nur doppelte Schickerey, und wohl auch doppeltes Schrecken für Euch, ihr könnt mir also das Zwiefache zahlen, und ich nehm' es dann für ihn sogleich mit.«
Als aber die Abgeordneten noch bleicher wurden, und dies Anerbiethen für eine Ungnade ansahen, ward Thiodolf sehr zornig, ausrufend:
»Ehrlichem Mann ist fremden Mannes Gut im Hause wie Feuer! Und Ihr wolltet es noch behalten? Wartet nur! Ich merke, Ihr hättet Oheim Nesiolfs Antheil lieber gar nicht ausgezahlt. Es soll mir nicht viel, so steige ich ohne weitere Unterhandlung an's Land, und hole mir selbst, was uns gebührt. Auf den Fall aber auch wohl noch ein bischen drüber, denn Schwert ist ein Streichholz, damit man nicht allzu genau messen kann.«
Da wurden die Gesandten sehr kleinlaut und gefällig, und nicht lange, so ruderten vom Strande her viele Nachen, mit Gold und Purpurdecken und silbernen Gefäßen bepackt, an Thiodolfs Schiff, und luden dorten aus.