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Während dieses vorfiel, hatte sich zu den im Kastanienforste Harrenden ein Waidmann gesellt, vor dessen Erscheinung Malgherita heftig zusammenbebte, und sich fester in ihre Schleyer hüllte. Er war ein großer, herrlicher Mann, von mehr, als männlichem Alter, herrisch und stolz in allen seinen Bewegungen, und dennoch höflich, oder vielmehr huldreich gegen die Fremden. Wenn vor einer lebhaften Wendung, wie sie bisweilen seltsam genug zwischen sein etwas abgemessenes Wesen einfuhr, die Locken von seiner Stirn zurückwehten, und die sonst tief in's Gesicht hereinhängenden Federn des Baretts, ward man eine gewaltige, hoch über die Augen hinliegende Narbe von einer ungeheuern Hiebwunde gewahr.
Als sich der vornehme Jäger einmahl abwandte, um an die Nordmannen eine Frage wegen ihrer langen und gewichtigen Wurfspeere ergehen zu lassen, flüsterte Malgherita in Pietro's Ohr: »frag' ihn doch, wo er die entsetzliche Narbe her hat, o frag' ihn doch gleich. Mir gerinnt sonsten vor schrecklichen Zweifeln noch völlig das Blut.«
Als sich der Fremde nun wieder zu ihnen kehrte, sagte der toscanische Ritter: »lieber Herr, wollet uns verkünden, wer Euch so mächtig über Eure Stirne gezeichnet hat, dafern es Euch nämlich nicht entgegen ist, davon zu sprechen.«
Der Waidmann schwieg eine geraume Zeit lang mit schwermüthigen Mienen still. Dann sagte er endlich, auf die fern heraufleuchtende, große Freyherrnburg zeigend:
»In jener Veste ist ein Bogengang, welcher schon oftmahlen höchst gräuliche, sinnverwirrende Dinge gesehen hat. Von dorten ist mir auch einstmahlen meine jüngste Tochter geraubt worden – denn ich bin der Burgherr, – und weil ich erwachte vor dem Geräusch, und in der Dunkelheit leise herzugeschlichen kam, – ich glaube, mein großer Ahnherr Huldibert hat mich geweckt, – sprang der Entführer mit gezückter Klinge mir entgegen. Er mag mich für den Schloßvogt gehalten haben, denn so gottlos war er doch wohl nicht, sich wissentlich an dem Vater seiner Geliebten zu vergreifen. Kurz, er hieb mir diese tiefe Wunde, und ich fiel ohnmächtig auf den Gang hin, wo man noch die Blutflecke von jener Begebenheit her sehen kann, ich habe auch einen schweren Bann darauf gelegt, daß man sie nicht weglösche. Enkelkinder und Urenkelkinder sollen noch davon erzählen.«
Damit schauderte er zusammen, wie vor seinen eigenen Worten, und starrte schweigsam vor sich hin. Wieder erhub er dann seine Stimme, und sagte:
»Ich habe den Flüchtigen eine Verwünschung nachgeschickt, und das kann Jedermann wissen, wie auch den ganzen abscheulichen Vorgang selbst, damit sich irgend ein andres, zum Bösen geneigetes Kind daran spiegle, und Leib und Seele errette, ich habe meine Tochter vermaledeyet, daß sie nicht eher ein gesundes Kind auf ihrem Schoße wiegen kann, als bis –«
Er verstummte abermals, und setzte nach einer Weile hinzu: »nun, die Bedingung ist unmöglich genug, und gehört eben nicht hierher. Daß aber die Verwünschung fest liegt, ist die Hauptsache, und sie liegt fest, Ihr Kinder, auf den Vervehmten; Ihr könnt es mir glauben.«
Er lächelte ingrimmig vor sich hin; Malgherita stieß einen ängstlichen Schrei aus. Da richtete sich der große Freyherr langsam in die Höhe, starrte bald die Dame, bald den Ritter an, und sagte endlich: »den Entführer hab' ich zweifelsohne vor Augen; vielleicht wohl gar die Entführte auch. Schlagt mich hier gleich todt, Ihr frevelhaften Geschöpfe. denn ich sag' es Euch, Ihr seyd außerdem rettungslos verloren.«
Nicht Pietro, nicht Malgherita wußten sich zu regen, und der große Freyherr schritt dräuend und in sein Horn stoßend durch die Kastanienschatten davon. Da rang die erschreckte Frau ihre Hände, und weinte heiße Thränen, und die Worte, welche sie hervorbringen konnte, hießen nur: »Flucht!« und abermals: »schnelle Flucht!« – Wohl widersetzte sich Pietro ihrem Begehr, darauf beharrend, daß man Thiodolfs Rückkehr abwarten solle, oder sein Zeichen mit dem Horne; wohl betheuerten die tapfern Isländer, es solle ihr nicht das mindeste Uebel begegnen, und käme der Freyherr auch mit einem ganzen Heer; sie beharrte dabey, man solle flüchten in das Schiff zurück, wenn man noch irgend Liebe und Ehrfurcht für sie hege. Da sagten die Islandskrieger endlich zu Pietro: »lieber Herr, Ihr thut großes Unrecht, wenn Ihr dem holden Bildchen nicht augenblicklich Folge leistet. Zu dessen Deckung sind wir hierher beordert an das Land. Es steht denn also einzig und allein bey ihr, was da geschehen soll, und was nicht.«
Das ließ sich Pietro, dem die ganze Welt nur wie ein Ring vorkam, als dessen Edelstein Malgherita leuchte, gar gern gefallen. Er fragte sein zartes Lieb noch einmahl nach ihrem Willen, und als sie voll ängstlicher Eile nach dem Meere hinauswinkte, und geboth, es solle Niemand hier zurück bleiben, damit dem zürnenden Vater jede Spur verschwinde, betraten Alle zusammen den Nachen, und flogen mit eiligen Ruderschlägen nach dem großen Fahrzeuge zurück.