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Fünfzehntes Capitel.

Die Trümmer von Castelfranco lagen manche Tage hindurch, ohne daß ein menschlicher Fuß sie betrat, als der des armen Pietro, welcher oftmahlen nach den Spuren seines verlornen Kindes forschte, ohne davon irgend etwas entdecken zu können. Daß der Freyherr den Knaben nicht etwa mit sich genommen habe, war ihm aus vielfachen Aussagen der Landleute zur vollen Gewißheit geworden, und somit sein letztes trübes Hoffen vernichtet. Er suchte nur zwischen den eingefallenen Mauern nach Tristans Gebein. Sobald aber die Sonne hinunter zog, jagte auch ihn ein plötzliches Grausen von dannen.

Demohngeachtet geschahe es, daß endlich einstmahlen bey Sternenlicht zwey hochgewaltige Männer dorten zusammen trafen. Der eine war Thiodolf, der andre der große Baron. Erst mit Einbruch der Nacht aus seinen Schiffen getreten, konnte sich der Isländer gar nicht zurecht finden. Er war die Anhöhe nach Castelfranco hinaufgestiegen, und irrte nun staunend zwischen den unordentlichen Steinhaufen umher. –

»Seltsam! sagte er zu sich selbst, ich weiß doch Weg und Steg sonst immer gut zu finden, und nun bin ich, statt in gastliche Freundesburg, in zerstörtes Gemäuer hineingerathen.«

Indem ward er die hohe Gestalt des Freyherrn gewahr, wie dieser auf dem vorragendsten Trümmerhaufen saß, das Haupt in die hohle Hand gelehnt. Mit ungewohnten Schauern überschlich ihn die Erinnerung an das Lied, welches er den afrikanischen Hirtenknaben hatte singen hören vom Römerherzog Marius auf dem wüsten Platze der malten Carthago. Aber eben deßwegen nahm er sich um so kecker zusammen, trat dicht vor die Erscheinung hin, und fragte: »Wer bist Du, Nachtgesell?«

Es war, als schrecke der Freyherr ein wenig zusammen vor dem unvermutheten Gruße; bald jedoch wieder in der alten starren Festigkeit erwiederte er: »wer ich bin, darf Jedermann wissen, ich bin der Vater der sündhaften Malgherita, und weil ich ihr und ihrem Buhlen dies Schloß hier zerstört habe nach Ehre und Recht, ist es mir nun auch vergönnt, über dessen Ruinen zur Nachtzeit zu trauern.«

»Ha, wenn es so ist,« rief Thiodolf, »bin ich nicht irre gegangen! Wohl aber hat mich's zum rächenden Zweykampf gerade in guter Stunde hereingeführt.«

»Willkommen!« sagte der Freyherr aufstehend, und sein breites Schwert zückend, »ich hab' es mir nicht besser gewünscht. Möchtest Du, wie du mit deinem wunderlichen Helmgehörn da im Sternenschimmer vor mir stehst, nur auch derselbe seyn, der mich um meine älteste Tochter Isolde gebracht hat!«

Da ließ Thiodolf die gute Klinge Rottenbeißer unangerührt, und sagte gelassen: »ich kann nicht mit Euch fechten, lieber Herr, ich habe mich anders besonnen. Gegen mich behaltet Ihr allezeit Recht.«

Staunend blieb der Freyherr, mit beyden Händen auf sein Schwert gestützt, ihm gegenüber stehen, und rief endlich: »Ob du wahnsinnig bist, ob dich ein Nachtgeist umtreibt – ich weiß es nicht. Aber der Kraft ermangelst du nicht, das fühlt man an deinem Thun und Reden. Was willst du denn eigentlich von mir?«

»Hört einmahl, Ihr allzugestrenger Rächer,« sagte Thiodolf, »wer sich mit dem Richtschwert übernimmt, dem fährt es am Ende wohl gar in sein eignes Herz, und mich dünkt, so ist es Euch bereits ergangen. Löset nun, löset den Fluch, der auf Malgheritens Haupte ruht. Eine Burg wieder zurecht bauen, wollen wir bald, und wenn ich nicht Land und Meer so lange durchfahre, bis ich Eure älteste Tochter heimbringe, so nennt mich einen wort- und werthbrüchigen Kerl. Das sind die besten Salben, die ich Eurer Wunde anempfehlen kann, und wahrhaftig, ich thu' es aus gutem Herzen.«

»Guter Thor!« seufzte der Freyherr. »Lösen den Fluch, der auf Malgheritens Haupte ruht, – wer kann denn das, als einzig und allein das versöhnte Geschick?«

»Mit in die Zügel fassen,« entgegnete Thiodolf, »kann braven Kriegsmannes eherne Faust doch auch.«

»So?« rief der Freyherr ingrimmig aus, daß es schaurig durch die öden Trümmer hinklang. »Vermag auch braver Kriegsmann zu schassen, daß Isolde, die furchtbar strenge Nonnenjungfrau in Liebesgluth entbrenne? Daß sie um eines Helden Leben –? Und noch so Vieles mehr! O laß mich, Bethörter. Denn ehe das Alles nicht geschieht, wird Malgherita kein gesundes Kind auf ihrem Schoße wiegen. Huldibert, der alte strenge Ritter und Mahler, hat es ja schon früher gesagt.«

Damit wandte er sich in trotziger Verzweiflung ab, und schritt über die Ruinen hinunter. Thiodolf aber sagte gelassen: »Nun, es ist doch schon Etwas. Die andern Bedingungen kriegt man wohl mit der Zeit auch noch heraus.« Und alsbald eilte auch er von der Höhe fort, um Pietro und Malgherita im Lichte des schon heraufdämmernden Tages wiederzufinden.


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