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Siebzehntes Capitel.

Die Reisenden fuhren an einem sonnenhellen Tage, nachdem sie schon des Meeres viel durchmessen hatten, an einer blühenden, von schönen Laubwäldern umschatteten Insel hin. Malgherita warf so verlangende Blicke da hinüber, daß Thiodolf nicht erst lange nach ihrem Begehren fragte, sondern alsbald nach dem Ufer steuern, und die Anker werfen ließ, worauf er dann seine lieben Gäste an den lockenden Strand führte, und, während ein Gezelt für diese aufgeschlagen wurde, den mitgenommenen Kriegsleuten geboth, auf einem nahe herauf leuchtenden Städtlein die besten und seltensten Früchte und Weine herbey zu hohlen, auch sich selbsten dabey gehörig gütlich zu thun.

»Wovon sollen wir denn das Alles bestreiten?« fragte ein alter Isländer mit unzufriedenem Lächeln. »So mit einmahl losbrechen zu Raub und Plünderung werden wir doch nicht sollen, gegen Leute, die uns nicht das Mindeste zu Leid gethan haben?«

»Verhüten das alle Asgardshelden!« rief Thiodolf. »Nein, aus den Schiffen sollt Ihr hohlen, was Ihr an Gold braucht, um reichlich zu bezahlen für Alles, was wir begehren.«

»Ja, da möchten wir auch mit der mäßigsten Bezahlung nicht ausreichen,« entgegnete der mißvergnügte Alte. »Wir haben der Schätze viel vergeudet, seit wir von Island fort sind, und gewonnen auch noch nicht das Mindeste. Nun hat Eure wilde Freigebigkeit an den toscanischen Küsten vollends den Rest verschleudert – denn einreden ließet Ihr Euch ja nicht – und wir haben beynahe nichts mehr, wofür sich irgend etwas kaufen ließe, es seye denn, daß wir unsre Waffen und Schiffe losschlügen.«

»Das ist eine recht dumme Geschichte!« sagte Thiodolf. »Wie ist es doch nur möglich, daß dergleichen Zeugs einem Asmundursohn begegnen kann!«

»Recht sehr wohl ist das möglich,« kam die Antwort zurück, »wenn ein Asmundursohn allem verständigen Rathschlag die Ohren schließt, und sich beträgt, wie ein unbesonnenes Kind.«

Da fuhr der überreitzte Thiodolf zornig in die Höhe, und weil ihm eben ein abgerissener Baumzweig zur Hand lag, hob er diesen empor, den allzudreisten Ermahner damit zu treffen, alsbald jedoch das Beleidigende seiner Bewegung fühlend, und die unritterliche Waffe wieder sinken lassend. Aber es war schon dieses übereilte Drohen viel zu viel gewesen für den ehrbaren alten Kriegsmann, und für die Schar aller seiner Genossen rings umher. Alle hatten sie, als auf einen Wink, die Hände an den Schwertgriffen, und drängten sich bitter scheltend um Thiodolf her.

Der stand, von heißer Schamröthe übergossen, den Blick gegen den Boden gewandt, und ließ sich Alles gefallen, was man gegen ihn an Ermahnungen und Strafworten ausstieß. Sobald sich aber der Sturm etwas gelegt hatte, sagte er mit leiser Stimme:

»Nordmannen! ich habe mich auf eine ganz entsetzliche Weise vergangen; ich weiß nichts, was mich entschuldigen könnte, als daß ich den Baumstamm im Grimme wahrhaftig für eine Streitaxt angesehen habe, aber ich weiß sehr wohl, ich hätte besser hinsehen sollen. Nun ist es jedoch einmahl geschehn, und es gibt kein andres Mittel, von Dem da und mir die Scharte auszuwetzen, als einen ehrlichen Zweykampf. Zu dem bin ich auch in jeglichem Augenblick fertig, sobald wir das zarte Frauenbild entfernt haben. Pietro, geleite sie auf das Schiff zurück, und schicke uns von dort noch so viel Zeugen herüber, als du entbehren kannst, ohne die Fahrzeuge unbewacht zu lassen.«

Es geschahe nach seinem Geboth, denn Jedermann fühlte wohl, daß von andrer Friedensstiftung oder auch nur Milderung hier keinesweges die Rede seyn könne. Selbst Malgherita versuchte nicht, dem ihr so theuern Freunde etwas einzureden; er war ihr viel zu hochverehrt und herrlich dazu. Aber als sie ihm die Hand zum Abschiede reichte, wollte ihr der Athem vor Bangigkeit stocken, denn der greise Gegner sah gar gewaltig und siegserfahren aus.

Als nun der ganze Kämpferkreis beisammen war, und Einige daraus den Platz zum Gefechte nach gewöhnlicher Nordlandssitte mit Haselruthen abstecken wollten, sagte Thiodolf:

»Nein, halt! Ich habe noch einen andern Vorschlag zu thun, ihr wißt, wie unsere Ahnen oftmahls zu fechten pflegten: Schlag um Schlag, ohne daß der Bedrohte ausweichen, oder abwehren darf, oder auch nur mit einer Augenwimper zucken. So geht's dann, bis Einer todt am Boden liegt, und ich meine, wir fechten's auf dieselbe Art aus, weil ich mir schon längst einmahl solch eine Probe gewünscht habe, und auch die Sache hier ernsthaft genug dazu scheint. Daß mein beleidigter Gegner den ersten Hieb hat, versteht sich von selbst.«

Es war eben nichts dagegen einzuwenden, obgleich die jetzt aufgerufne Nordlandssitte schon lange außer Gebrauch gewesen seyn mochte, und man rüstete sich also zu dem furchtbaren Werk mit allem gebührenden strengen Ernst.

Zwey erfahrne Kampfhelden stellten sich einander gegenüber, und legten sich mit den gezückten Schwertern aus, um zu erproben, ob das nun die rechte, nicht zu tödtlich nahe, nicht zu unschädlich weite Entfernung sey, und als sie darüber einig waren, stampften sie mit den beerzten Fersen tiefe Zeichen in den Grund, traten zurück, und Thiodolf und sein Widersacher nahmen die bezeichneten Stellen ein. Den goldnen Helmfridschild am Halsriemem auf den Rücken geworfen, das Schwert gesenkt in der Rechten, unbedeckt und frey stand Thiodolf da, mit den großen, blauen Augen freudig gegen seinen Mitkämpfer hinblickend, und den furchtbaren Hieb erwartend, zu welchem dieser die Klinge schwang.

Das Schwert wirbelte in leuchtender Schwingung einigemahl durch die Luft, – keine Miene verzog der junge, bedrohte Held, – jetzt, schien es, müsse der Schlag herunter schmettern, – da warf der alte Kriegsmann seine Wehr urplötzlich klirrend in die Scheide, und rief:

»Nein, ich kann ihn auf diese Weise nicht treffen, den jungen, lichthellen Sproß aus uraltem Stamm, und sprächen auch alle Asgardsgötter: hau drein! Gar zu hold und kühn und lieblich sieht er aus.«

»Ja, was soll denn nun aber sonst daraus werden?« fragte Thiodolf unwillig.

»Junger Herr,« entgegnete der Alte, »das wird großentheils auf das Beantworten einer Frage ankommen, die ich Euch vorlegen will. Wenn ich Euch nun gehauen hätte, aber weder zum Tod, noch zur Ermattung – wie hättet Ihr mich wieder getroffen?«

»Gewaltig!« entgegnete Thiodolf; »so Odin mir helfe. Ich glaube immer, es wär' Euer Letztes gewesen, alter Herr.«

»Nun wohl,« sagte der Greis, »da läßt sich eine Versöhnung stiften; Ihr habt mein ja nicht, als eines Ohnmächtigen, schonen wollen. Herzenslieber Thiodolf, Ihr stelltet Euch meinem Hieb, Ihr wolltet gleichfalls gegen mich loshauen – die Beleidigung ist ab und todt, und ich küß' Euch aus ganzem Herzen mit dem Friedenskuß, Ihr junges herrliches Fürstenkind. Wer aber das Mindeste wider diese Sühne einzuwenden hat, dem brech' ich den Hals.«

Das frohe Zusammenschlagen der Waffen zeigte, wie der Greis keinen Gegner hierbey antreffen werde, in erhöhter Liebe zu dem jungen, edlen Führer schwamm und ruderte man zu den Schiffen zurück, wo Malgherita, vernehmend, auf welche rühmliche Art Alles geschlichtet sey, nicht umhin konnte, dem kühnen Freund die rosigen Lippen zum Kusse hin zu reichen; fröhlich beugte sich Thiodolf gegen die zierliche Gestalt herab, und Pietro stand ohne alle Anwandlung der einst so thöricht aufwallenden Eifersucht dabey, wohl wissend, welche zuverlässige Schätze er in Hausfrau und Waffenbruder besitze.


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