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Neunzehntes Capitel.

Man hatte sich nach der Fahrt von einigen Wochen einem schönen Lande genähert, welches mit hohen, grünenden Bäumen, sanften Anhöhen und herrlichen Burgen sehr lockend in das Meer hinaus sah, und von Thiodolf gleich erkannt wurde. Denn er wußte aus den Lehren seines Oheims überhaupt gut Bescheid, und ward jetzt noch überdem durch einige alte, geübte Seefahrer Islands, die ihn begleiteten, über jede Einzelnheit unterrichtet.

Er ging deßhalb zu Pietro und Malgherita, und sagte: »schauet, da ist schon Euer schönes Frankreich, mit seinen Nordküsten. Beinah auch könnt' ich mit gutem Fuge sprechen mein schönes Frankreich. Denn da drinnen wohnen viel gute Nordlandsritter, viele, die recht nahe mit mir verwandt sind, als ich da nennen könnte das Geschlecht der Montfaucons. Wir halten auch noch immer gute Brüderschaft, und ich hätte große Lust, ein wenig zu ihnen an das Land zu gehen. Nur will man behaupten, diese Herren seyen die zierlichsten Rittersleute in aller Welt geworden, so daß sie in Deutschland, Italien und Spanien, und wo sie nur irgend hinkämen, für einen rechten Ausbund aller feinen Sitte gälten. Wie ich mich nun dabey ausnehmen würde – das ist allen Göttern und Göttinnen in Asgard bewußt. Es wird also wohl das geratenste seyn, daß ich mich erst ein wenig in der Welt auf und abtreiben lasse, und mich mit tüchtigen Püffen zurecht schleifen, bevor ich den artigen Herrschaften zu Gesichte komme.«

»Du hast viel von einem Demant an Dir, Thiodolf!« sagte Pietro, ihn mit freundlichem Ernste anblickend. »Da muß denn freylich hart und fleißig dran geschliffen werden, und mancher andre, minder edle Stein wird zu Staub gerieben deßhalben, aber wenn nun auch die Arbeit einmahl zu Stande ist! Du bist ein glücklicher, hochbegabter Mensch, lieber Jüngling!«

»Ja,« entgegnete Thiodolf lachend, »wenn ich auch heute schon vollkommen abpolirt wäre und glatt – an diesen fränkischen Küsten hier dürften wir uns doch auf keine Weise aufhalten, denn wir müssen ja noch um ganz Hispanien herum, bis wir an Malgheritchens schönem VVaterlande die Anker werfen, und Zeit ist ein kostbares Ding.«

»An meinem Vaterlande die Anker werfen?« rief Malgherita aus. »Wir müssen ja nach Toscana. Oder willst du uns verderben? Weißt du denn nicht, wie mein Vater auf uns zürnt?«

»Laß dem alten Herrn immerhin das Vergnügen,« erwiederte Thiodolf. »Auf den schlimmsten Fall stehst du zusammt deinem Eheherrn unter tapferer Nordlandskrieger Schutz. Was aber das Beste dabey ist, so hab' ich mir vorgenommen, eine Versöhnung unter Euch zu Stande zu bringen. Ich habe mir das auf eine ganz eigne Weise ausgedacht, und guter, kräftiger Wille kann viel.«

»Es wäre doch ganz seltsam,« sagte Pietro nach einigem Sinnen, »wenn es gerade unserm Freunde Thiodolf aufbehalten wäre, mit schlichter Treuherzigkeit auszuführen, was so viele kluge Provenzalen und Italier, sowohl von ritterlichem als geistlichem Stande, vergeblich unternahmen.«

»Ach,« seufzte Malgherita, den wunderlichen Isländer anlächelnd, »Ihr edler gastlicher Held, wenn Ihr auch das noch an uns thätet!«

»Ja, man kann nicht wissen, wozu Eins aufgehoben ist,« sagte Thiodolf. »Mag seyn auch, daß die ganze Geschichte gar nicht einmahl nothwendig ist, und daß sich Euer Vater schon ganz von selbsten des Brummens begeben hat. Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild brummten mich auch bisweilen an, und nun weiß ich doch, ist ihnen das Herz sehr wehe nach mir. Die Wahrheit zu gestehen, schlägt meines gleichfalls gar innig nach den lieben alten Leuten hin. Wenn ich so manchmahl von ihnen geträumt habe, und wache dann plötzlich auf, und sie sind mit einem Mahle so weit –«

Er hielt einen Augenblick inne, und fuhr mit der Hand über die Augen; dann aber sagte er lächelnd: »ich muß drüber erstaunen, wie man einander so lieb gewinnt, wenn erst ein Stückchen Weltmeer dazwischen liegt. Zu Hause, kann ich Euch wohl sagen, war mir das liebe alte Paar oftmahlen genugsamlich zuwider. Was nun aber unsre Begebenheiten am provenzalischen Ufer betrifft, so bitt' ich Euch beyde gar herzlich, laßt mich nur verfahren, wie es mein eigner Kopf mir eingibt, und plagt mich mit vielen Fragen nicht. Denn soll ich erst hin und her ordentlich Rechenschaft geben, so werd' ich vollkommen wirr.«

Pietro und Malgherita mußten lächeln über ihren wunderlichen Freund. Da sie aber seine getreue Sinnesweise kannten, und jetzt auf keine Art viel in der Provenze zu verlieren hatten, legten sie die Ausführung des ganzen Vorschlages unbedenklich in seine Hand.


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