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Er mochte lange so gelegen haben, da wich die Betäubung von ihm; er fühlte sich wieder frisch und stark. Sein erster Gedanke war an Bertrams Eigenthum. Das lag noch fest auf seiner Brust, indem er sich nun eben des Weitern besann, hörte er die Stimme der Dame von vorhin dicht neben sich, die drohend sagte:
»Haltet mit Euern überflüßigen Dienstleistungen ein, Harun, ich wiederhol' es Euch, ihr wißt, Achmet ist dem scheußlichen Blutbade entronnen, und wird gleich mit einigen Sclaven hier seyn, den frechen Wilden dort in Bande zu legen, die er nicht so leicht zerbrechen soll. Dann nehmen wir Rache an ihm und Euch, dafern Ihr nicht den Augenblick von ihm laßt und Euch aus unserm Schloße fortmacht.
»Er ist mein Gastfreund,« entgegnete Harun. »Da thu' ich an ihm, wie ein braver Araber, was meines Amtes ist, und wenn Ihr mir darum Böses erzeigt, mögt Ihr es bey Euch selbst verantworten.«
Damit hob er von Neuem an, des Jünglings Schläfe recht ämsig mit einem stark duftenden Balsam zu reiben, aber rasselnd in seinen Waffen fuhr der urplötzlich in die Höh', stand fest und freudig auf den Füßen, und sagte, Haruns Hand fassend:
»Das ist hübsch von Dir, daß du mir so hülfreich nachgekommen bist. Fürchte dich nun auch vor keinem Menschen weiter, ich bin vollkommen wieder in meiner lustigen Kraft.« –
Auf die zitternde Frau warf er nur einen verächtlichen Blick. sprechend: »Pfui, schämt Euch was! So schön und so schlecht.«
In diesem Augenblick rannten mehrere Leute eilig die Stiegen hinauf. – »Ihr kommt mir gerade zur rechten Stunde!« lächelte Thiodolf ingrimmig vor sich hin, faßte Rottenbeißer fest am Griff, und trat dicht an die Thür.
Mit fünf bis sechs schwarzen Knechten sprang Achmet herein, erzbeschlagne Bande in den Händen tragend, aber so wie sie den Helden mit seinem leuchtenden Schlachtschwerte stehen sahen, blieben sie allzumahl bleich und regungslos stehen. –
»Ihr seyd mir die rechten Gesellen!« sagte Thiodolf. »Worauf wartet Ihr nun? Wollt Ihr denn nicht heran?« Da ergriffen die Schwarzen heulend die Flucht. – »Lauft nur!« rief Thiodolf ihnen nach; »aber Du, Achmet, laufe mir nicht, ich bin schnell, wie ein Hirsch, und dich muß ich auf alle Weise haben.«
Achmet ermannte sich, warf die Bande auf die Erde nieder, und schritt mit gezücktem Säbel vor. Die Klingen flogen auch einigemahl klirrend gegen einander, aber Rottenbeißer lastete allzuschwer. Die Waffe des Arabers schmetterte gegen den Boden, Thiodolf ergriff ihn, band ihn, und blieb dann gelassen vor ihm stehen, sprechend:
»Nun mein' ich, es geschähe dem Burschen ganz recht, wenn ich ihn, also gebunden, in einen Sumpf versenkte, oder in Ermangelung dessen in's Meer, denn er hat ein Feiglingsstück gethan, wie er so mit fünf, sechs Andern über einen Ohnmächtigen her wollte.«
»Ihr werdet diesen Fürsten nicht tödten, ohne mich mit um's Leben zu bringen;« sagte die Dame, indem sie entschlossen zwischen Thiodolf und Achmet hintrat. »Er ist nun einmahl das Licht meines ganzen Lebens, und ich lasse nicht von ihm. Hütet Euch also, daß Ihr Eure Hände nicht mit Frauenmord entehrt.«
»O, da wird was werden! »entgegnete Thiodolf. »Glaubt mir, ich bin der Mann darnach, ihn mit der rechten Hand zu ersäufen, und Euch mit der linken zurückzuhalten, bis er unter ist. Was Ihr dann nachher anfangen wollt, das thut Ihr auf eigne Rechnung.«
»Ich möchte Euch selbst bitten, mein wunderlicher, furchtbarer Gast,« sagte Harun, »daß Ihr Euch als ein milder Sieger bewieset. Gar zu ungern sähe ich einen Flecken auf dir haften, du hohe, kräftige Heldenerscheinung.«
»Das ist eben die Sache, Freund,« erwiederte Thiodolf, »ich möchte gern als ein tüchtiger, getreuer Richter bestehen, denn dazu, meine ich eben, bin ich in dieses Gebau hereingestellt.«
Nach einigem ernsthaften Nachsinnen setzt' er sich auf eins der Kissen in der Halle nieder, und sagte: »Ich werde hier Recht zu sprechen und zu thun bemüht seyn, so gut es sich machen lassen will. Antwortet aber ordentlich, und lügt nicht.«
»Ich kann dich freylich auch vorher losbinden,« sagte er gleich darauf zu Achmet, »denn mit dem Entspringen hat es keine Noth. Nur warne ich Dich, daß du es nicht etwa versuchst, denn das möchte dir doch allzuschlecht bekommen.«
Damit lösete er ihn aus den Banden, ließ sich wieder auf das Kissen nieder, uns geboth nun dem Fürsten, er solle erzählen, wie er zu dem schönen Frauenbilde gekommen sey.
Es ergab sich bald, die entführte Dame sey eben die Gräfin Laura, über die, als seines Vetters pflichtvergessene Wittwe, Pietro so bittre und harte Klagen geführt hatte, und Fürst Achmet sey sowohl der Mohrenjüngling mit dem Zitherspiel, als auch der Ritter, vor dessen Speer der alte Graf Paolo bey'm Turnier in sein Blut gefallen war.
»Das bessert Eure Sache nicht sonderlich, Herr,« sagte Thiodolf kopfschüttelnd; »vielmehr haftet ja nun der Mord des greisen Paolo noch ganz besonders schwer auf Euch, wenn man gleich wohl sieht, daß Ihr die Dame nur mit ihrem guten Willen entführt habt.«
»Den Grafen Paolo traf ich unversehens zum Tod,« entgegnete Achmet, »ich wollte nichts Anders, als mich vor meiner Dame in ritterlicher Zier und Ueberlegenheit zeigen. Da riß die Wildheit des Gefechts, und die verschiedene Kampfesweise, die bey uns und bey den Christenrittern herrscht, einen so harten und blutigen Ausgang herbey.«
»Wenn Eins dem glattzüngigen Herren nur trauen dürfte!« sagte, Thiodolf. »Aber sein Feiglingsstück von vorhin, wie er mich in der Ohnmacht binden wollte – es zeugt allzusehr wider ihn, und gebt Acht, die Sache geht ihm an's Leben.«
»Soll's denn dahin kommen!« rief Laura, die Hände ringend. »Und wir hatten uns ein Daseyn geträumt voll endloser Lust bis in weite, weite Jahre hinaus!«
»Ja,« erwiederte Thiodolf, »warum habt Ihr keine bessern Gedanken gehegt. Dergleichen ruhmleeres Geschwelge mag nicht leicht zu bessern Dingen führen. Mir ist es auch widrig, daß ich ihn nun tödten muß, aber ich merke wohl, ich darf nicht anders. Ist hier eine gute Sumpfwiese in der Nähe, Achmet, oder ein Teich, wo man es kurz und gut mit Euch zu Ende bringen kann?«
»Thiodolf,« sagte Harun, »wenn Ihr ihm und Ihr irgend eine ersprießliche Buße auflegtet, wär es auch wohl genug.«
Der richtende Jüngling sann eine ganze Weile scharf und regungslos nach. Endlich sagte er:
»Gut; ich glaube, es geht auch so. Wir haben in Island eine alte Rede, die heißt: kranke Weiber heilt das Kopfkissen, kranke Männer der Sattel oder das Schiff. – Nun ist es bey Bethörten wohl eben nicht anders, und da will ich versuchen, ob ich Euch Beyde heilen kann. Euch, Laura, durch ein recht stilles, ruhiges Jahr, oder auch etwas drüber, und ihn durch ein recht fleißiges, rüstiges, voll Seesturm und Reisegefahr aller Art. Die Gräfin Laura bring' ich vor der Hand in ein Kloster. Da soll sie sich besinnen, ob es ihr nicht überhaupt besser wäre, drin zu bleiben, wegen der mancherlei nachdenklichen Sachen, die in ihrem Leben vorgekommen sind. Derweile fährt der Achmet nach meiner Heimath Island hinauf, grüßt dorten meinen Oheim Nesiolf und meine Muhme Gunhild von mir, und bringt mir Bothschaft, was sie machen, und auch, wie es meinem lieben, zahmen Wolf ergeht, den ich dorten zurückgelassen habe. Seht, Kinder, damit ist uns allen geholfen, denn ich muß Euch nur aufrichtig gestehen, so einen Bothschafter hätt' ich vorlängst schon gerne gehabt, ihr Beyde aber werdet vielleicht darüber ordentliche, rechtliche Leute, eine Freude den Göttern und Menschen. Wenn aber auch nicht, so mag sich der Achmet nachher seine boshaftige Laura immerhin wieder aus dem Kloster abhohlen.«
»Wo soll ich Euch aber wiederfinden, Herr?« fragte Achmet.
»Ich will schon dafür sorgen,« entgegnete Thiodolf, »daß eine Straße hinter mir leuchten soll, auf der von Verirren die Rede nicht ist.«
Achmet bereitete sich, einen Schwur zu leisten, daß er Thiodolfs Gebot vollziehen wolle, aber dieser ließ es nicht zu. –
»Ihr habt dafür gesorgt, lockerer Herr,« sagte er, »daß man sich auf dergleichen Dinge aus Euerm Munde nicht verlassen kann, ich weiß schon einen andern Zaum, den ich Euch anlegen will.«
Sie machten sich nun in der Morgendämmerung auf den Weg nach dem Strande. Laura und Achmet schritten trübsinnig und beschämt voran, Thiodolf und Harun gingen ernsthaft hinter ihnen drein. Als der greise Araber am Ufer Abschied nahm, sagte er: »Wolle Mahoma, mein tapfrer Nordmann, daß ich Euch in den Lauben seines Paradieses wiederfinde.«
»Eher möcht' es auch wohl nicht geschehn,« sagte Thiodolf ernsthaft, »und wer weiß überhaupt, ob gerade dort. Denn seht, alter Herr, das ist nun schon der dritte Aufenthalt, wo ich höre, daß wackre Leute nach dem Tode zusammentreffen, und ich glaube doch festiglich, daß es nur einen einzigen von der Art geben kann. Nun, Allvater wird's schon zu machen wissen, und ich denke, wir kommen gewiß alle Beyde da hinein.«
Der Araber neigte sich ehrerbietig, und grüßte noch lange vom Strande her mit losgewundenem Turban seinem Gastfreunde nach.
Als die Küsten von Afrika dem Auge der Seefahrer zu entschwinden begannen, sang Thiodolf:
»Großer, gelber Löwe
Ging durch heißen Sand um,
Hey, starker Asmundur, den hieb dein Sohn zu todt!
Frecher Feste Jubel
Flog aus üpp'gem Schloß auf,
Hey, starker Asmundur, da hieb dein Sohn darein!«
Er wollte weiter singen, aber da kam Isoldens Andenken über ihn; das fröhliche Siegslied erstarb auf seinen Lippen, tief neigte er das Haupt, und zwey große Tropfen rollten aus seinen Augen über den goldnen Helmfridschild her, unter.