Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreyzehntes Capitel.

In den schönen Tagen, die der Lenz über die Erde bringt, und womit er jetzt auch das entlegene, hoch nordliche Island erfreute, waren Pietro und Malgherita einstmahlen nach dem Meeresufer hinunter geschritten. Unvermerkt hatte sie ihr Weg an dieselbe Stelle geführt, wo sie im vergangenen Herbste aus dem Schiffbruche den Strand erreichten, und wie Alles nun so hell und blühend um sie her aussah, die Sonne lustig blitzend von den blauen Wogen herauf, kam die Erinnerung der Vergangenheit über sie, und sie erhuben folgenden Wechselgesang:

Pietro.

   Ein Fischer ging an Baches Strand
Durch provenzal'sche Blüthenauen,
Und ließ in seine hohle Hand
Der Augen feuchte Perlen thauen.
Von seiner Schulter hing die Zither,
Er sah fast aus, als wär's ein Ritter.

Malgherita.

   Ein Fräulein stand auf Schlosses Wall
Und schaut' in's Blüthenthal hernieder;
Da hob sich's, wie mit Zitherschall,
Haucht' um sie her mit Liebsgefieder.
Ein Fischer sang, und ging im Singen –
Ach Gott, das war ein süßes Klingen!

Pietro.

   Ein alter, barscher Kampfesheld –
Es war der Freyherr vom dem Schlosse –
Kam von der Jagd heran durch's Feld,
Und hielt auf seinem hohen Rosse,
»Mein Fischer, hast du was gefangen?
Komm mit zur Burg. Sollst Lohn erlangen.«

Malgherita.

   Ein Fräulein sah vom Wall herab,
Sah, wie ihr Vater sprach zum Fischer,
Und schritt beängstet auf und ab;
Nun stockt' ihr Herz, nun schlug es frischer.
Sie mußte wohl den Fischer kennen,
Und wünschte, Niemand möcht' ihn nennen.

Pietro.

   Ein Fischer ging in Schlossesrund,
Ein Fischer trat in Schlosseshallen.
»Ey, sprach der Burgherr, gieb mir kund,
Wie so viel Fisch' in's Netz dir fallen?«
»Mein edler Herr, das macht das Singen.
Fast könnt' ich mit die Welt erringen.«

Malgherita.

   Ein alter Kampfheld hat begehrt,
Zu hören eines Fischers Weisen,
Und hat gemeint, die sey'n nicht werth,
Just allzuweit darnach zu reisen.
Das Töchterlein vom alten Ritter,
Ach Gott, war hin von Lied und Zither.

Pietro.

   Ein Fräulein sah nun Fischer an,
Als der in ihrer Burg gesungen.
Da war auf Liedes goldner Bahn
Ihr treue Lieb' in's Herz gedrungen.
Wohin auch Fischer sey geschwommen,
Ein Herzlein hat er mitgenommen.

Malgherita.

   Ein Fischer schritt aus einer Burg,
Und Thränen aus dem Aug' ihm flossen,
Er war im Herzen durch und durch
Mit süßem Minnepfeil geschossen,
Und stets verwandelt kam er wieder.
Und stets im Klang der Liebeslieder.

Beyde.

   Ein Ritter und ein Fräulein sang
Hoch oben auf den Nordlands Heiden,
Was einst im Süden hold und bang
Ihr Herz durchflog mit süßen Leiden,
Und ihre heißen Wangen glühten
Vor Sehnsucht nach der Heimath Blüthen.

Weil sie nun Beyde mit diesen Versen eine von den artigen Listen besungen hatten, welche vormals durch Pietro ausgedacht und in's Werk gerichtet waren, um Malgheriten auf dem Schlosse ihres Vaters zu sehen, ward ihnen in der That ganz sehensüchtig nach den blühenden Südlanden zu Muth, und sie sahen das Meer wie beschwörend an, es solle sie überführen nach Toscana, in das Blumenrevier, über welches hin des Marchese Pietro von Castelfranco herrliche Ritterburg leuchtete.

Da hörten sie vom Meere heran folgenden Gesang:

   »Will wer mitfahren
Ueber den Wellenspiegel?
Haben ein helles, hochsegliges Schiff gebaut!
Flüchtig und feste
Fährt's dich von Island
Stracks bis an den Strand, der golden strahlet von Frucht.«

Malgherita meinte jetzt in der That einige der Alfen singen zu hören, welche Thiodolf Lieblinge nannte, und in deren Sinn es nun vielleicht gekommen sey, sich ihr hülfreich zu beweisen. Auch ward urplötzlich ein schönes, blankes Fahrzeug sichtbar, mit Männern in leuchtenden Waffen darauf; das schlug mit vielfachen Rudern kühn und gewandt die Meeresfläche, fing mit schneeweißen Segeln den Lufthauch in aller Fülle auf, und schien sich in dreisten und dennoch leicht ausgeführten Wendungen ordentlich zu ergetzen.

Endlich warf es Anker vor der Bucht. Der glänzendste von all den geharnischten Helden an Bord sprang in die See, schwamm mit seinem vollen Gewaffen durch die Brandung an's Land, stellte sich grüßend vor Malgherita und Pietro hin, und sprach, auf das Schiff zeigend: »das hab' ich recht absonderlich den Winter hindurch für Euch erbaut, und wenn es Euch recht ist, fahren wir in den nächsten Tagen darauf hinaus in die lustige See, und ich steure Euch mit eigner Hand zu Euern bunten Südlanden zurück, wobey ich sie mir denn auch auf meine Weise einigermaßen ansehen will.«

Da merkten sie erst, daß es Thiodolf war, der zu ihnen sprach, und dankten ihm gar herzlich. Er aber trieb sie, eilig mit ihm nach dem Nesiolfsgehöfte zu gehen, um dort wegen der Abreise Alles gehörig in Ordnung zu bringen.


 << zurück weiter >>