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Zehntes Capitel.

Die beyden Männer saßen einander gegenüber in einer großen Halle, mit Bildern aus sehr alter Zeit bemalt, und besprachen ihre Angelegenheiten. Zwischen ihnen stand ein Mahl von reichen Früchten, und eine Flasche köstlichen Weines leuchtete vor Thiodolf, welcher ihr fleißig Zuspruch that. Gewissenhaft in der Angelegenheit des Freundes hatte er schon die Abholung von Bertrams Juwelen in Richtigkeit gebracht, als er erst anfing, nach Isolden und Achmet zu fragen.

»Mit einer wunderschönen Frau ist der kühne Fürst vor einiger Zeit heimgekehrt,« entgegnete Harun, »und die Feste drängen sich auf seinem prachtvollen Schlosse. Ich will Euch einen Rath geben, lieber Freund. Gehet Ihr morgen gegen Abend als ein Zitherspieler vor die Burg – Ihr könnt doch die Saiten schlagen? –«

»Nicht viel schlechter, als die Klinge:« entgegnete Thiodolf, zuversichtlich nickend.

»Nun gut,« fuhr der Alte fort, »so ist das die allerbeste Weise, zu erforschen, wie es dorten aussieht, und seine Entwürfe darnach anzulegen.«

»Da will ich Euch nur Eins zum Voraus sagen,« entgegnete Thiodolf. »Wenn ich so hingehen kann, wie ich hier bin, mag es geschehn. Aber mich etwa als Muselmann verkleiden, – daraus wird nun und in alle Ewigkeit nichts. Als Nordmann will ich leben, als Nordmann will ich sterben, und es soll kein einziger Augenblick dazwischen kommen, der sagen kann, ich hätte für was Andres gegolten.«

»Ihr seyd ein wunderlicher Gesell,« sprach Harun mit einiger Unzufriedenheit, »und erzeigt Euch viel zu bedenklich. Kann der Alchymist doch Metalle verwandeln für alle Zeit, was sträubt sich denn der Mensch ein ander Röcklein anzuthun auf zwey, drey Stunden!«

»Mit 'nem Isländer machen sich dergleichen Kunststückchen nicht so gar leicht!« entgegnete Thiodolf trotzig.

»Nun, nun,« sagte der Alte begütigend, »es wird sich auch wohl auf andre Weise machen. Sie haben im Schlosse Alles sehr lieb, was Sang und Klang heißt, und vor der wunderlichen Erscheinung eines isländischen Sängers gehen die Pforten vielleicht um desto schneller auf.«

»Ja,« sprach Thiodolf, »das haben alle Pforten so in der Art, wenn Isländer dran klopfen; denn thut's die Güte nicht, so thut's die Gewalt.«

Indem ward er eines großen, mit grellen Farben auf die Wand gemalten Bildes ansichtig, worauf die Lampe, wie er sie jetzt eben, um sich bequemer einzuschenken, drehte, ihre lichten Strahlen warf. – »Das ist wohl eine sehr uralte Mahlerey?« fragte er.

»Freilich,« kam die Antwort zurück, »noch von der Carthagerzeit her, denn unser Gesetz verbiethet uns, dergleichen Bilder zu fertigen.«

»Das ist ja ein seltsames Gesetz,« rief Thiodolf aus, »das den Menschen verbiethen will, hübsche Bilder zu machen, daran noch über viele hundert Jahre hinaus andre Leute ihre Lust haben können. Wenn ich's nur sonsten verstände, daran woll't ich mich nimmermehr hindern lassen.«

»Der Prophet,« entgegnete Harun, »spricht, all' die Gebilde würden einst vor Gottes Gericht von ihren Bildnern Seelen fordern zu den geformten Leibern.«

»Das klingt sehr nachdenklich,« sagte Thiodolf, aber ich meine doch, wenn nur die Bilder von rechter Art sind, hat es damit nichts zu sagen. Für jetzt, mein edler Wirth, wollet mir erklären, was die Gestalten da an der Wand bedeuten mögen: der junge Ritter, der vor einem Opfersteine steht, seine Hände feyerlich gegen den Himmel empor gestreckt, und der alte Kriegsherr daneben, der das Ansehen hat, als ob er ihn sehr ernsthaft ermahne.«

»Es hat in der grauen Carthaginenserzeit, entgegnete Harun, einen großen Helden gegeben, der einen noch viel größern Helden zum Sohn hatte. Weil nun dazumal die Stadt Carthago mit der Stadt Rom in einem solchen Streite lag, daß man wohl voraussehen konnte, eine von beyden müsse ihren Untergang dabey finden, ließ der alte Held den jungen – in welchem er die große und ganz unvergleichliche Herrlichkeit wohl ahnete, – einen Schwur ablegen, daß er allen Römern feind seyn wolle, ohne alle Versöhnung bis zum Tode. Der junge Held hat den Eid auch freudig geleistet, und ihn festgehalten durch sein ganzes Leben hin, so daß die große Stadt Rom beynahe vor seinem Zorne gänzlich von der Erde weggetilgt worden wäre.«

»Das gefällt mir gut,« sagte Thiodolf, »und wenn hier die Leute an der Wand gleich beyde etwas wunderlich aussehen, etwas dürr, und gar heftig in ihrer ganzen Gestaltung, merkt man ihnen doch an, daß es Kerls sind von tüchtiger und rechter Art. So ein Eid, und die ersten Waffen dazu in die Hand genommen, – es ist was Schönes, und wollt' ich wohl, es gäbe irgend noch eine solche Anstalt in der Welt. Nur freylich, nicht bloß gegen Römer, oder gegen sonst Den und Jenen müßt' es gelten, sondern gegen Alles, was schlecht ist, und für Alles, was recht ist.«

»Die Christen haben eine ähnliche Art von Rittereid bey sich eingeführt,« sagte Harun; »nur freylich, getauft muß der seyn, der sich dazu bekennen will.«

»Schade!« rief Thiodolf, »ich wäre sonst gleich mit dabey.«

Zugleich wollte er seinem Wirth einen Gutenachttrunk zubringen, und bemerkte erst jetzt, daß Harun überhaupt keinen Tropfen Wein an den Mund brachte. – »Was ist denn nun das wieder?« fragte er. »Das hat Euch doch Euer Gesetz nicht verbothen.«

»Ja,« sagte Harun, »das hat das Gesetz uns verbothen, und der große Mohoma hat uns das Beispiel der Erfüllung gegeben. Der konnte sich in alle Himmel der Begeisterung schwingen, ohne dazu einen Tropfen des berauschenden Trankes zu bedürfen.«

»Mahoma!« sprach Thiodolf nachsinnend vor sich hin. »Das wird wohl der Machmud seyn sollen, nach dem mich Malgheritchen in diesem Frühling fragte. Nein, allen Göttern sey Dank! Der gehört nicht zu uns. Schon recht, wenn er an und für sich so begeistert war, aber er hätte doch andern braven Leuten nicht die Traubenlust verderben sollen!«

»Spotte nicht!« unterbrach ihn Harun sehr ernsthaft.

»Nein, wahrhaftig, ich spotte nicht,« erwiederte Thiodolf treuherzig. »Mich wandelt eine rechte Ehrfurcht an vor dem Helden, der so ein köstliches Erdengut verachten konnte, und doch feurig war, wie Ihr sagt, bis in die Himmel hinein. Nur ich versteh' ihn nicht recht, und bin auch leider nicht der Kerl dazu, es ihm nachzuthun.« –

Damit leerte er eine neu herbey gebrachte Flasche fast auf einen Zug, und wünschte seinem Wirthe gute Nacht. Als er schon auf seinem Lager war, vernahm er noch Harfenklänge, und den Gesang Haruns, vom flachen Dache des Gemäuers herunter. Es galt die Lust in den Gärten Mahoma's, und die vielen schönen Frauengestalten, welche den Helden dorten mit immer wechselnder Liebe begegnen sollen. Thiodolf aber hielt die Eine Isolde im Herzen, welche er sich Morgen zu erobern hoffte, und schlief, ihr Bild vor den sinkenden Augen, lächelnd ein.


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