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Achtzehntes Capitel.

Weil sich des alten Helden tröstliches Urtheil von Pietro's Wunde alsbald bestätigte, eilte Thiodolf, ihn Malgheriten zurückzuführen. Die tapfern Norwegskämpfer sangen und klangen ihren rühmlichen Gästen mit Harfen und gefüllten Methhörnern nach, und so segelten die Sieger freudig zu ihren Genossen hinüber, wobey Thiodolf am Vordertheile den Schiffes stand, Pietro zu seiner Seite, und das goldene Helmfridschild, hoch an einem Speere vor ihnen funkelnd, die glückliche Bothschaft bereits viel früher an den Mönchsfelsen hinstrahlte, als das Schiff dorten zu landen vermochte.

Der freudig entgegenkommenden Malgherita sagte Thiodolf: »hört an, schönes Weiblein, Ihr habt doch wohl sehr gut gethan, daß Ihr Euern Eheherrn mitfahren ließet an den bergischen Strand. Ehrlich herausgesagt, er hatte bis auf diesen Tag ein bischen zu viel Dienste, die ich ihm geleistet, auf dem Kerbholz, und die rechte freye Freundschaft fand vielleicht nicht allemal ihre ungestörte Rechnung dabey. Nun aber ist Alles in gutem Stande. Ohne ihn läge ich bleich und kalt am Lindenhügel, oder nun wohl schon in der Runengruft, und das Helmfridschild hinge an seiner alten Stelle. Küsse mich, Bruder Pietro, denn Gleich und Gleich gesellt sich gern.«

Die beyden jungen Helden umarmten sich, und Malgherita blickte mit freudigerem Stolz und schönerer Liebe zu ihrem Ritter hinauf. Als sich Thiodolf eine Weile nachher entfernt hatte, um das Einschiffen zu betreiben, zeigte sie nach dem Mönchsfelsen hin, der jetzt in den röthlichen Abendlichtern, zum Theil von Nebeln überwallt, sehr wunderbar anzusehen war, und sagte: »ach Pietro, ich wollte, dies riesige Steinbild wäre nimmermehr vor meine Augen gekommen; das wird mir nun gewißlich noch oft in Träumen erscheinen. Denn glaube mir, wer erst einmahl den eisernen Norden recht starr und unverwandt angesehen hat, wird ihn nicht wieder aus dem Geiste los, ob auch Südens würzigste Blumen und Früchte in ganzen Lauben umherdufteten, und jegliche Schaudergestalt, die man dorten erblickte, vermehrt gewaltiger den trüben Reihen.«

Pietro wollte es ihr ausreden, aber sie versicherte, auf irgend eine Weise müsse solch eine furchtbare Mönchsgestalt noch sehr erschrecklich vor ihr aufsteigen. Darüber bliesen die Hörner zur Abfahrt, und man gab mit aufsteigender Sternennacht die Segel den Winden.

Es strichen laue Luftzüge über das Meer, wie um den Reisenden schon südliche Grüße in den Norden hereinzuhauchen, und Thiodolf sagte zu Pietro und der schönen Herrin: »der Mond steht hell über den Wassern, ihr könntet wohl noch ein wenig hier am Steuer bey mir sitzen bleiben, und wir hielten Gespräch miteinander in dem anmuthigen Halbdunkel.«

»Recht gern;« sagte Malgherita. »Erzählt uns die Kunde von dem goldnen Schilde, welches Ihr heute erobert habt.« –

»Wenn Ihr Lust dazu tragt, ich thue es mit Freuden;« erwiederte Thiodolf, und hub seinen Spruch folgendermaßen an:

»Helmfrid hieß ein Mann. Der war aller Speerwerfer, Schwimmer und Schiffleute bester auf Island. Dazu trug er ein hohes Gemüth, und war von so herrlicher Gestalt, als man sich nur immer Jemanden vorstellen kann. Unsere alten Leute, die noch mit ihm zugleich Jünglinge gewesen sind, wissen nicht genug davon zu erzählen. Wie er nun mehr und mehr in das Mannesalter hineinwuchs, und noch immer nicht daran dachte, um irgend eine holde Jungfrau zu werben, fragten ihn seine Genossen wohl bisweilen, ob er denn gar keine Liebe zu schönen Frauenbildern trage? Da antwortete der Helmfrid einstmahlen so: ›recht große Liebe trage ich zu schönen Frauenbildern, aber eben deßwegen sind mir die schönsten, die ich bis auf diesen Tag gesehen habe, noch nicht schön genug, so weit ich auch in der Welt herumgekommen bin. Ich höre jedoch von einer Fürstentochter auf Norweg sprechen; die soll über Alles auf Erden schön seyn, und da will ich mit nächstem hin, und sie mir gewinnen, denn die gehört für mich, oder für Keinen.‹ – Bald darauf hat er sich auch wirklich nach Norwegen eingeschifft.

Als er nun dahin kam, mochte vielleicht die Fürstenjungfrau von den kühnen und hochfahrenden Reden ihres Werbers etwas vernommen haben, und erzeigte sich daher aus der Maßen stolz gegen ihn. Auch legte sie ihm Waffenübungen auf, die bey andern Fechtern für unausführbar galten, indem sie ihm nämlich bald riesenhafte Speere zum Wurf bringen ließ, bald wüthende Rosse vorführen, um sie zu bändigen, und was dergleichen Forderungen mehr waren; Alles in der Absicht, er solle einmahl irgend Etwas unausgeführt lassen, und dadurch gebeugt werden in seinem hohen Sinn. Aber er verherrlichte sich in den schwierigen Proben nur mehr und mehr, und die Jungfrau wußte gar nicht, was sie ihm noch fürder auferlegen möchte.

Da ist sie ihm einmahl am Lindenhügel begegnet, und hat zu ihm gesprochen: ›Ihr starker Helmfrid, Ihr redet mir beständig von Eurer Minne vor, aber was Ihr thut, mir deren Aechtheit zu beweisen, sind Waffenspiele, die Euch selbsten ergötzen, und Euern Ruhm vermehren helfen. Ich wollte Euch wohl ein Andres aufgeben, das Ihr mir ungethan lassen solltet.« –

Und als er nun mit Bitten in sie drang, es ihm zu eröffnen, sagte sie, er solle sich seines Gewaffens abthun, und ein armer Fischer werden ihr zu Lieb. Das ist am selben Tage noch geschehen, aber es sind nicht drey Wochen vergangen, so haben die andern Fischer ihren so muthigen und geschickten Genossen wie ihren Herrn betrachtet, davon er allgemein der Fischerkönig geheißen hat, und zu großen Ehren gekommen ist.

Wiederum begegnete ihm die Fürstentochter, und schalt ihn, daß er Alles in sein Lob verkehre, begehrend, er solle nun die Netze von sich werfen, und ein Schmid werden. Alsbald geschah auch das, aber was half's? Nun wollte Niemand andre Waffen mehr tragen, als die der Schmidt Helmfrid gefertigt; vor seiner Thür ward es nicht leer von fürstlichen Rossen, die er beschlagen sollte, und die Kriegsleute erzeigten ihm mehr Ehrerbietung, als dem Fürsten selbst, welcher der Vater der Jungfrau war.

Da geboth sie ihm endlich gar, er solle ein christlich Klausnergewand anziehen, wie er sich denn auf seinen Zügen hatte taufen lassen, und nicht mehr aus dem Lindenforste herauskommen, auch mit Niemandem in der Welt Verkehr haben. Das hielt er mit großer Strenge und Sanftmuth; nur gegen die, welche ihn ungeachtet seines Verbothes besuchen wollten, erzeigte er sich etwas heftig, denn er hat einige davon mit Steinen lahm geschmissen.

Nun empfand endlich die Jungfrau bey sich selbst, wie die große Liebe und Treue des tapfern Helmfrid ihre Härtigkeit gänzlich geschmolzen habe. Da kam sie eines schönen Abende zu ihm in den Lindenforst, und hieß sich seine Braut, und gab ihm ihre schöne weiße Hand. Von selbiger Stunde an kam aber ein großer Uebermuth in sein Herz zurück; er wollte nun keinem Menschen ein gut Wort gönnen, um sein schönes Lieb, waffnete sich wieder in hellen Stahl und ging mir vielen Islandskriegern, die sich dazumal in Norweg aufhielten, und Alles thaten, was er wollte, in offener Hofhaltung vor den Fürsten sprechend:

»Deine Tochter und ich sind einig. Sie fährt als meine Hausfrau mit mir nach Island. Sage ihr deßhalb ein schleuniges Lebewohl, denn meine Wimpel wehn, und meine Segel schwellen.« –

Das hat der Norwegsfürst aber übel genommen, und weil der Helmfrid sie durchaus mit Gewalt fortführen wollte, ist es endlich darüber zu einem heftigen Fechten gekommen. Das hätte nun weiter nichts geschadet, aber der starke Helmfrid hatte vergessen, daß ihm durch das strenge Einsiedlerleben viel von seinen Kräften entgangen war. Da ward er denn wider alle Gewohnheit sieglos, und zwar so sehr, daß ihn seine Krieger nur kaum ins Schiff retteten, denn er war ohnmächtig von Wunden, und sein großes goldnes Schild blieb in der Gewalt des Feindes zurück.

Die Schmach konnte er nimmermehr vergessen, und hat sich seitdem nicht wieder in den nordischen Reihen sehen lassen. Aber aus den Südlanden sind ungeheure Sagen von den Heldenthaten, die er nachher dorten vollbracht, heraufgeklungen zu uns. Man sagt auch, der Norwegsfürst habe ihm darauf Versöhnung und seine Tochter antragen lassen, aber Helmfrid habe ganz roth vor Zorn und Scham im Gesichte ausgesehen, und geantwortet: ›Schild verloren, Alles verloren, und die Liebe mit!‹

Da hat sich die Braut von der Welt zurückgezogen in eine alte Seeveste ihres Vaters, wo sie bis auf diese Stunde als eine steinalte Jungfrau leben soll. Man hat noch folgendes Lied von ihr:

Ueber die schäumigen Wasser
Schau ich nach Island,
Aber es kommt kein Helmfrid,
Siegskranz in den Locken.

Mond bleich und blutig
Blickt scheidend vom Meer auf,
Wie blutiger Schildrand –
Weh' blutiger Schildrand! –

Weil jetzt aber wirklich der Mond schon wieder ganz bleich in die Fluthen tauchen will, und die Mitternacht herangebrochen ist, dächte ich, Ihr gingt zur Ruhe, lieben Kinder. Meine Mähr' ist ohnehin zu Ende, und ich steur' Euch, derweile Ihr schlaft, um ein gut Stückchen weiter.«


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