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Sechzehntes Capitel.

Sie waren schon mehrere Tage lang fürder geschifft, da ging einstmahlen die Sonne zwischen finstern Gewölken unter, und das Meer zeigte sich sehr unruhig. Malgherita, des frühern Sturmes gedenkend, welcher sie nach so furchtbarer Noth im vergangenen Herbst an Islands Küste geschleudert hatte, zitterte heftig, aber Thiodolf sagte lachend: »o schönes Weiblein, ich hab' es dir wohl schon früher gesagt, die Burschen, welche Euch damals führten, waren nichts Besseres werth, als was sie betroffen hat, so ungeschickt und feigherzig sind sie bestanden im Seesturm. Aber hier lenken tapfere Isländer das Schiff, und der Thiodolf sitzt am Steuer. Und über Alles – hegst du denn nur so schlechtes Vertrauen zu Euerm weißen Christ?«

Malgherita fühlte sich beschämt und ermuthigt zu gleicher Zeit; sie wünschte Thiodolfen, der beschlossen hatte, vorzüglich in diesen Stunden vom Steuer nicht zu weichen und zu wanken, gute Nacht, und begab sich mit ihrem Eheherrn zur Ruhe.

Es mochte kurz nach Mitternacht seyn, da erhub sich urplötzlich ein großes Geschrey auf dem Schiff: die aufgeschreckte Malgherita sah Fackeln durch das Kajütenfenster hereinfunkeln aus der öden Nacht, und Pietro bemerkte mir nicht geringem Schrecken, das Licht müsse von einem andern Schiffe herkommen, mit dem man in der Dunkelheit aneinanderzusegeln in dringender Gefahr sey. Natürlich entschied der Augenblick, und das that er so günstig, als man es sich wünschen konnte. Die beyden Fahrzeuge waren einander alsbald wieder verschwunden, und man hielt das leichte Kämpfen mit dem nur eben etwas bewegten Meere ruhig und ohne alle Anstrengung aus. Malgherita's und Pietro's Augen sanken in süßen Schlummer zurück.

Die Morgensonne stand abermals hell über den Wassern; die jungen Eheleute waren lächelnd, und sich Glück wünschend wegen der verschwundenen Gefahr, aufgestanden, und wollten so eben Arm in Arm aus ihrem kleinen Gemache heraustreten, da kam ihnen Thiodolf ganz freudestrahlend entgegen.

»Kinder,« rief er aus, »das gute Glück ist auf Adlerfittigen hinter uns drein. Nicht genug, daß uns heute Nacht das fremde Schiff nicht umgesegelt hat, wie wir so in der Finsternis auf einander trafen – nein, dies Schiff ist auch noch ein ganz unerhört herrlicher Fund. Seht, der fremde Steuermann freut sich auch gewißlich über uns, und segelt uns mit eben so herzinnigem Verlangen entgegen, als wir ihm, seitdem wir in des Morgens freudig glühenden Lichtern unsre Flaggen und Zeichen erkannten.«

»So ist es Euch wohl ein sehr lieber Freund,« sagte Malgherita, »der jenes Fahrzeug führt? Oder gilt es vielleicht irgendwo eine Festlichkeit?«

»Freund? – Nein, daß ich nicht sagen könnte; entgegnete Thiodolf. Aber Festlichkeit? Ja, darauf kommt es heraus. Denn seht, der dorten auf dem fremden Schiff ist Smartur, der Seeräuber, ein Bruder des greisen Mördur, den ich erschlug. Nun will der Rache haben an mir wegen des erschlagnen Bruders, und ich will Ruhe haben für Island, indem ich dieses Gezüchte vollends todt schlage; da sollst du 'mal schauen, Malgheritchen! Es wird gewiß eine gar freudige Festlichkeit.«

Weil nun Malgherita sehr beängstigt zusammen bebte, fuhr er tröstend fort: »Du weißt es nur noch nicht, wie Nordlands Speere herrlich sausen über die hallenden Fluthen hin. Und Pietro wird hoffentlich auch mit Theil nehmen an dem lustigen Reigen. Ex wirft die Lanze schon recht gut.«

»Ja, Theil nehmen werde ich;« sagte Pietro, von freudiger Ritterlichkeit erglühend. »Und, Malgherita, ich bitte dich sehr, du wollest mir und andern braven Fechtern das Herz nicht schwer machen mit unnöthigem Jammer. Horch auf, wie bläst der Feind seine Kampfeshörner schon so gar nahe!«

»Gieb dich nur zur Ruhe, schön Weibchen,« rief Thiodolf. »Mein Schild ist dem Pietro zur Deckung dicht bey, und nothfalls auch meine Brust. Hey, wie soll er dir noch tausendmal besser gefallen, wenn er sieghaftig zurückkommt.«

Die beyden jungen Helden eilten auf das Verdeck; Malgherita streckte bethend die Hände halb ihnen nach, halb zum Himmel empor, während Pietro unter Thiodolfs sorgsamer Beihülfe bald, völlig gewaffnet vor den Scharen stand.

Das Gefecht begann. Wer noch nie die ritterliche Lust erprobt hat, mit gewichtigen, eisengespitzten Speeren zu werfen, kann nur kaum ermessen, wie freudig es den Nordlandshelden bey ihrem Seegefechte zu Muthe war, wo der Tod so dicht an den Schläfen vorüber rauschte, oder auch machtlos abprallte von den tönenden Schilden. Und dann schleuderte man ihn wieder voll zuversichtlicher Kraft hinein in die feindlichen Scharen, oftmahls eben denselben Speer dazu gebrauchend, welcher nur erst toddrohend dicht neben den Werfer hingefahren war, und von der Gewalt des Schwunges noch zitternd, sich tief in die Planten des Verdeckes eingepfählt hatte, jeder Wurf, der jenseits in einer Feindesbrust haftete, oder auch nur in einem Feindesschilde, stählte den Arm mit vertrauender Kraft; jede Lanzenspitze, welche diesseits traf, entflammte zu tödtlicherem Zorn. Zudem bewahrte sich das Wort, das vorhin Thiodolf zu Malgheriten gesprochen halte, herrlich; die Lanzen rauschten ganz absonderlich tönenden Schwunges über die hallenden Seefluthen hin. Pietro warf, durch die mit Thiodolf auf Island gehaltnen Kampfspiele geübt, wie ein alter Nordmann; nur in den Deckungen mit dem Schilde war er noch nicht geübt genug; aber wie ein schützender Engel stand ihm Thiodolf zur Seite, in mannigfachen Schwenkungen auffangend, was dem Freunde irgend gefährlich nahen mochte, ohne doch selbst dabey das eigne kräftige Werfen auf einen Augenblick zu versäumen, und öfters ausrufend: »schleudre nur frisch in das Gewitter hinein, Waffengenoß! Die Regentropfen fang' ich dir mit meinem ehrnen Schirme hier schon auf.« –

Die Schiffe näherten sich derweile einander mehr und mehr, und weil die Kampflust auf beyden Fahrzeugen gleich groß war, warf man wechselseitig lange, eiserne Haken in die Borde hinüber und herüber, und zog sich mit angestrengten Kräften mächtig an, so daß man plötzlich unter unvermuthetem Krachen gewaltsam aneinander stieß. Während noch Alles auf den beyden Schiffen davor taumelte, war schon Thiodolf wie mit Adlerschwung unter die Gegner hinüber, faßte den grimmigen Swartur in den Nacken, schlug ihm mit dem Wurfspeer ein paar Mahl donnernd über die Sturmhaube, und schleuderte ihn alsdann weit in das Meer hinaus, so daß der betäubte Ueberwundne, ohne mehr, als noch ein einziges Mal aufzutauchen, alsbald rettungslos zu Grunde ging.

Da war die Schlacht entschieden; die Kriegsleute auf dem Seeräuberschiff senkten ihre Speere, und Thiodolf nahm sie zu Gnaden an. Er besetzte ihr Fahrzeug mit seinen Mannen, und weil sie sich erbothen, ihm zu dienen, empfing er vom jedem Einzelnen den Handschlag, sie sogleich auf ihre neuen Posten anstellend. Dann führte er Pietro zu Malgheriten, sprechend: »siehst du wohl, daß ich ihn dir gesund zurück gebracht habe? Sey nun auch künftig hübsch zutraulich und lustig, wenn's wieder einmahl vorkommt, denn wir erleben dergleichen wohl noch viel öfter mit einander. Du siehst ja doch nun, daß so ein Speertreffen eben kein Menschenfressen ist.«

Während nun die beyden Eheleute sich mit einander freundlich und glückwünschend besprachen, ging Thiodolf wieder auf dem Verdecke bald dieses, bald jenes Schiffes umher, sich die besten und zierlichsten Speere unter den geworfenen aussuchend, als wovon er ein großer Liebhaber war.

Er ließ sich dabey mit einem Swarturskrieger in's Gespräch ein, ihn befragend, wo sie denn eigentlich hingewollt hatten. –

»Herr« entgegnete dieser, »wir wollten nach Norweg, in die Gegend, wo die Stadt Bergen steht. Da wird um diese Zeit ein großes Fest gefeyert zum Andenken des Sieges, den sie dorten einstmahlen über den großen Islandsfechter Helmfrid gewonnen haben, so daß er sein Schild hat zurück lassen müssen, denn er rang vergeblich nach einer schönen Fürstentochter, ihr werdet das wohl in Euern heimischen Liedern noch wissen.«

»Ja, ich weiß wohl,« sagte Thiodolf. »Der Bruder des Helmfridschwertes hängt auch an meiner Seite, und wie wär' es, wenn ich mir das Schild mit dazu gewönne?«

»Herr,« sprach der Swarturskrieger, »Ihr würdet eine große Menge gewaffneten Volkes dorten finden, und wohl übermächtigen Widerstand.«

Thiodolf aber erwiederte nichts, ging an das Steuer des Hauptschiffes, und hielt scharf gegen Südwesten zu.


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