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Drittes Capitel.

Vor dem Eingange hing ein Hammer an einer eisernen Kette herunter; den faßte der junge Isländer, und donnerte damit dreymahl gegen den Thorweg an. – »Nur sachte, nur sachte!« hörte man drinnen eine ferne, starke Stimme rufen. »Ich merk' es gleich am ersten Schlage, daß du der Thiodolf bist. Brauchst mir ja nicht die Bretter an der Pforte einzuschmettern.« Und zugleich vernahm man ein tiefes Lachen, und bald darauf ein Hin- und Hergehen im Gehöft, während ein lautes Hundegeheul von mehrern Seiten losbrach.

»Laßt mich 'neinkommen, Ihr Doggen!« rief der Jüngling. »Ich will's Euch gedenken, wenn Ihr den Thiodolf nicht besser kennt. Ruhe!«

Das Heulen ward augenblicklich still, aber rasch auf die Mauer klomm ein zottiges Unthier, sah sich funkelnden Auges um, und fuhr dann mit gewaltigem Sprunge herab, und auf die am Thore Harrenden los. Malgherita schrie in Seelenangst auf, aber Thiodolf, das Thier, welches ihm demüthig schmeichelte, am Kopfe krauend, sagte:

»Wie kann man sich doch davor so fürchten! Es ist ja gar nicht einmahl wer von den Hunden; es ist ja nur mein Wolf, und wenn ich dabey bin, oder mein Oheim, beißt er niemanden.«

Derweile gingen die Thorflügel des seltsamen Gebäudes auf, und mehrere Männer mit langen Bärten, in Wolfs- und Bärenfelle gehüllt, große, lodernde Holzfackeln in den Händen, zeigten sich von innen. Malgherita, ihr Entsetzen verbergend, schritt an Pietro's Hand hinein, und durch die zwey Reihen, welche jene bildeten, nach dem Eingange des Hauptgebäudes zu, von wo es aus weiter Halle herüber leuchtete durch die offne Thür, wie Herdeslicht. Die bärtigen Männer neigten sich tief und freundlich, wie ihre Gäste durch sie hinschritten, und Thiodolf geboth im Vorübergehen, das Beste und Erquickendste vorzusuchen zum Mahle für das wunderholde Frauenlichtlein und den edlen Ritter, welche er einführe, worauf auch alsbald Viele von der Dienerschaft mit großem Eifer hier- und dorthin rannten. Der Wolf trabte lustig neben seinem Herrn her, und wies den Hunden, die aus mannigfachen Luken des Gemäuers behaarte, schwarze Köpfe hervorsteckten, grimmig seine Zähne, worüber ihn aber Thiodolf am Ohre zauste, daß er schrie.

Sie traten in die Halle des Hauses; da saßen hinter der Herdesflamme auf zwey hohen Stühlen gerade und ernsthaft ein Mann und eine Frau, beyde von hohem Alter und in wunderlicher, aber prächtiger Tracht. Die waren fast anzusehen wie zwey gewaltige Bilder, und Pietro und Malgherita hielten sie auch zu Anfang wirklich dafür, meinend, daß Feuer vor den Beyden brenne ihnen zum abgöttischen Opfer.

Aber Thiodolf trat zu ihnen hin, sprechend: »Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild, da bringe ich uns zwey feine Gäste;« und alsbald stieg der alte Mann von seinem hohen Sessel herab, grüßte Malgherita, nicht ohne sittige Zier, und führte sie auf seine Stelle, wahrend die Alte ihren Ehrenplatz ruhig behauptete, und den Fremden nur die Hand freundlich entgegen both.

Es nahm sich seltsam aus, wie die blühende, rehschlanke Malgherita und die alte, ernste Gunhild nebeneinander auf den hohen Stühlen saßen; und Thiodolf, der mit seinem Oheim und Pietro vor ihnen auf niedrigern Sitzen um das Feuer her Platz genommen hatte, sagte: »Die hübsche Fremde ist nun noch weit hübscher anzusehen, seit sie neben meiner guten alten Muhme sitzt. Es ist beynahe, wie die helle Zukunft, von der die Christenpriester immer sprechen, neben der uralt versunknen Asenzeit. Wartet einmahl, Muhme Gunhild, Ihr müßt es auch sehen.« – Damit sprang er in treuherziger Eile auf, riß einen spiegelblanken Schild von der Wand, und fragte sehr freundlich, ihn den beyden Frauen vorhaltend: »nicht wahr, Muhme Gunhild, es gibt ein anmuthiges Bild? So den Abstich, meine ich.«

Pietro konnte sich des Lachens kaum erwehren, und der alte Nesiolf lachte wirklich recht herzlich, und sagte: »er macht's nun einmahl nicht anders. Da muß er erst noch weit in die Welt hinein, eh' er ihre Weise lernt.« – Auch Gunhild lachte gutmüthig mit, und Thiodolf hing den Schild gelassen wieder an seinen Ort, schon gewohnt, wie es schien, daß Oheim und Muhme bisweilen ihren wohlgemeinten Spaß über ihn hatten, und sich eben nicht sehr darum kümmernd, was sie an ihm Verwunderliches fänden.

Malgherita aber konnte nicht mitlachen. Es kam ihr Alles so unheimlich und streng und magisch hier vor, und seit sie nun der hohe Sitz neben Gunhild von Pietro getrennt hatte, standen ihr Thränen der Bangigkeit in den Augen, und ein heftiges Zittern flog über ihren ganzen Leib. Die gute Alte bemerkte es, und zugleich auch jetzt erst, daß Malgheritens Kleider von Seewasser ganz durchdrungen warm. Da eilte sie, den schönen Gast in ihr Gemach zu führen, und sie mit trocknen Gewanden zu versehen, indem sie sehr ernsthaft nach ihrem Neffen zurückschalt, daß er das nicht gleich gesagt, und gewiß nach seiner sorglosen Weise die zarte Wanderin unnöthig unterwegens aufgehalten habe.

»Ja freylich, freylich, sagte Thiodolf mit strengem Kopfschütteln über sich selbst, das hab' ich gerade so gemacht, wie es die Muhme sagt. Aber warum ist auch das provenzalische Kind so schön; da denke mal Einer an Erkältung, wenn er die sieht. Es ist, als wäre eine holde, hochgewaltige Nixe aus dem Meer aufgetaucht, und damit gut.«

Der alte Nesiolf hatte derweil auch den Ritter seiner durchnäßten Kleider entladen, und ihn in einen prächtigen Pelz mit goldnen Spangen gehüllt. Malgherita kam bald darauf im reichen Nordlandsschmucke mit Gunhild zurück, und sah in den fremden Gewanden unbeschreiblich reitzend aus. Man setzte sich wieder um das Feuer, die Diener brachten Meth und Speise, und es war, als ob die beyden Fremden in der nordischen Tracht auch nordisch heimatlicher geworden wären. Der Alte erzählte von seinen Feldzügen in Sicilien, und sang noch einige Lieder her, die er von dort behalten hatte, wogegen Pietro von mehrern Helden aus Norderstamme sprach, wie ritterlich die noch immer den normannischen Nahmen an Südlands Küsten in Ehren zu halten verstanden. So schlug man mit traulichen Worten Brücken herüber und hinüber in die verschiedenartige Heimath, und es kam bald sogar Malgheriten viel näher von Island nach Marseille vor, als in der jünstverflossenen Stunde.

Man trennte sich, um zur Ruhe zu gehen, wobey Gunhild, die von Malgheriten erforscht hatte, sie seye nur Pietro's Braut, nicht seine Hausfrau, die Jungfrau mit sich in ihre Kammer nahm, der Oheim aber den Ritter einlud, seine Lagerstätte zu theilen; »denn,« sagte er, »wenn ihr bey Thiodolf schliefet, möchtet Ihr leichtlich ungestüm geweckt werden. Der rennt nach jedem Bärengeheul, und wär's um Mitternacht, in den wilden Forst hinaus.«

»Ja das kann ich nun freylich nicht lassen; entgegnete Thiodolf, ich denke immer so: jagen ist besser als schlafen, denn zum Schlafen hab' ich noch immer Zeit genug, wenn sie mich Vatern in den Erdhügel nachtragen, und die Steinthür hinter mir zumachen. Die Todten jagen zwar wohl auch hier auf Island. Noch vorige Nacht, als der Mond so einen recht kalten, weißen Mantel über die Berge gebreitet hatte –«

»Du sollst nichts Schauerliches vor Schlafengehen erzählen;« sagte Gunhild. »Siehst du denn nicht, wie die Jungfrau zusammenbebt?«

»Das ist aber auch eine rechte Hängebirke mit Schwanken und Zittern!« rief Thiodolf unwillig, und verließ die Halle, worauf die Andern gleichfalls in ihre Kammern gingen.


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