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Fünfzehntes Capitel.

Beim Abschiede ging es ernst und feyerlich her, und sehr gesetzt. Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild legten den jungen Reisenden ihre Hände fest auf die Häupter, dann küßten und drückten sie sie mit großer Kraft und verquellenden Thränen, ohne daß sich eben Worte dabey hätten vernehmen lassen, und hinter den Hinausgeschrittenen  ließ der Alte die schweren Thore und Riegel des Baues mit mächtigem Klange zurasseln, wie um sich und seiner Hausfrau jede Lust nach dem Treiben der scheidenden Jugend zu benehmen.

Als nun die Dreye so miteinander durch die Thäler hinschritten, und sich ihnen nach und nach die Aussicht auf das Meer kund gab, welches in morgenröthlichen Schimmern, von wunderbar gestalteten Frühnebeln überwallt, unbeschreiblich feyerlich und geheimnißvoll vor ihnen lag, sagte Thiodolf: »dabey muß ich an eine schöne Geschichte denken, welche Eure Christenpriester zu erzählen pflegen; ich meine, wie der weiße Christ erschlagen und begraben war, und sich doch wieder aus dem Grabe aufgerichtet hatte, und umherging auf Erden, die guten Freunde zu trösten, die sogar schwer um ihn trauerten, denn sie hatten gehofft, er sollte sie als ein König und Held von mancherlei Uebel erretten. Auch hatten sie der seligen Friedensstunden vorher so sehr viele mit ihm verlebt, und solche Stunden lassen gewiß nimmermehr mit süßen Erinnerungen von treuen Herzen los. Und wie sie nun immer noch nicht recht wußten, wie sie dran waren; ob er aus dem Grabe aufgewacht sey oder nicht; – denn die Wenigsten hatten ihn seitdem mit eigenen Augen erschaut; – da fischen einmahl am morgenduftigen Strand welche von seinen allerbesten Freunden, – der tapfere Fechter, dessen Schwert bey der Gefangennehmung so gut getroffen hatte, war auch mit dabey, – und da steht unversehens der getreue, weiße Christ am Ufer, und ladet sie zu sich, und sie kennen ihn Anfangs noch nicht so recht, aber endlich merken sie's doch, und freuen sich, ach, freuen sich so sehr! – Fürwahr, es ist gewiß ein sehr guter Geist gewesen, Euer weißer Christ!«

Pietro und Malgherita fühlten sich tief bewegt vor der ahnenden Erzählung, die so treuherzig aus des Jünglings Munde im Frühdunkel dahin quoll, und es ward ihnen fast, als sähen sie das Meer bey Tiberias im Heiligen Lande vor sich. Sie hatten's auch im Willen, mit ihm von den beseligenden Geschichten fürder zu sprechen, aber da riefen die Hörner des Schiffsvolkes so betäubend. Kriegsleute kamen mit Meldungen und Anfragen zu dem jungen Führer, und wie Malgherita von weiblicher Bangigkeit vor dem Einschiffen ergriffen ward, der Ritter von zarter Sorgfalt um die Sicherheit und Bequemlichkeit seiner jungen Frau, vergaßen sie Beyde aller andern Gegenstände, und man betrieb nur eben mit achtsamer Anstrengung, was unmittelbar vor den Augen lag.

Es war nun endlich Alles an Bord, die Anker wurden gelichtet, und das Schiff fuhr mit geschwellten Segeln auf hohem Meere dahin, immer der aufsteigenden Morgensonne entgegen. Die isländischen Seeleute sangen freudige Lieder in's immer heller werdende Himmelblau empor, vieles Geflügel kreiste in wechselnden Schwingungen über den Häuptern der Reisenden, wie um ihnen noch zu guterletzt Geleit und Abschiedsgruß vom Lande nachzubringen. Alle waren sehr vergnügt; nur Malgherita, die zwischen Thiodolf und ihrem Eheherrn am Steuer saß – der junge Führer hatte beschlossen, es selten aus seiner eignen Hand zu lassen – schauete bisweilen ängstlich hin und her, und je lichter der Tag heraufstieg, je sorgsamer ließ sie ihre schönen Augen auf dem Verdeck umherstreifen.

»Was fehlt Euch denn, mein zartes Frauenbild?« fragte der Steurer endlich. »Ihr scheinet etwas zu vermissen auf unsrer Fahrt.«

»Ach nein, Thiodolf, entgegnete sie, »ich vermisse nichts. Vielmehr fürchte ich mich, etwas zu erblicken, was ich lieber mein ganzes Leben lang nicht vor Augen bekommen möchte, ich weiß, Ihr seyd ein guter, freundlicher Mensch, und man kann frey heraus mit Euch reden, in unsern heimathlichen Landen, seht Ihr, erzählen sie allgemein, Ihr Heiden könntet niemahlen zur See fahren, ohne entsetzliche Götzenbilder mit Euch zu nehmen, und davor fürcht' ich mich nun so gar sehr. Es muß doch ein grauenvoller Anblick seyn.«

»Grau'nvoller Anblick!« lachte Thiodolf. »Das möcht' ich nun doch wissen! Da, seht Ihr die großen Hammer dorten am Vordertheil des Schiffes? Das ist der Asathorshammer. Zu dem opfern und rufen wir bisweilen. Das ist die ganze Geschichte.«

»Ach, Ihr wollt mir es nur verhehlen,« sagte Malgherita. »Wo wären denn Machmud, und Apoll und Trevisant, die gräßlichen Beherrscher aller Heidenschaft?«

Thiodolf lachte noch herzlicher, und sagte: »Ihr mögt mir bey Euch zu Land das wohl hübsch zusammenführen, was Ihr Heidenschaft zu nennen pflegt. Ob es bey andern Völkern dergleichen Gottheiten gibt, wie Ihr eben genannt habt, weiß ich nicht, denk' es jedoch wohl mit der Zeit auf meinen Zügen zu erfahren. Was aber uns betrifft, wir wissen von alldergleichen wunderlichen Nahmen nichts.«

»Um Gott,« rief Malgherita, »woran glaubt Ihr denn? Ihr müßt doch an irgend etwas glauben.«

»Freilich,« sagte Thiodolf. »Wir glauben an den Heldenvater Odin, und an seinen gestorbenen Gottsohn Baldur, und an alle großen Asen; auch an den herrlichen Allvater, der über Alles in Allem Befehl führen wird, wenn erst die Welt in Feuer vergangen ist.«

»Freund,« sagte Malgherita, sich zu Pietro wendend, »kommt es dir nicht vor, als stammle ein Kind an den Geheimnissen unsres seligmachenden Glaubens?«

Pietro neigte nachdenklich bejahend sein Haupt, und die drey Reisegenossen hatten fürderhin noch öfter Gespräche desselben Inhaltes, aber immer kam etwas dazwischen, welches sie auf andere Dinge zurückrief; bald ein Schiff, welches sich in blauer Ferne wahrnehmen ließ, und davon man nicht wissen konnte, ob es befreundet oder feindlich zu behandeln sey, bald ein Zagen Malgheritens über irgend etwas Unerwartetes am Himmel oder in der Fluth, oder auch wohl ein verliebtes Getändel Pietro's, wenn er seine holde Ehefrau mir einer der schönen Heidengöttinnen verglich, von welchen Thiodolf erzählte.


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