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Zweytes Capitel.

Im tiefer dämmernden Dunkel ward etwas durch die Zweige sichtbar, wie ein Gemäuer, und Pietro fragte den Isländer, ob das dorten seines Oheims Wohnung sey.

»Nein,« kam die Antwort zurück, »es ist meines Vaters Wohnung; sein ehrliches Grab. Ohne ihm ein Lied zu singen, geh' ich nicht gerne vorbey – wenn Ihr ein Augenblickchen warten wolltet, schön Fräulein – der Regen zieht noch nicht so nahe herauf.«

»Ihr guter Sohn,« sagte Malgharita mit bewegtem Lächeln, »thut, mit es Eure fromme Sitte ist, ich lass' Euch gerne Zeit.«

Damit waren sie gegen das hohe Heldengrab herangekommen, auf dessen rasigem Gipfel ein ungeheurer Stein, mit wunderbaren Bildern und Zeichen beschrieben, in die Höhe ragte, Pietro und Malgherita ließen sich unter einen weitschattenden Ulmbaum nieder, der Isländer eilte den Hügel hinauf, erklomm den Denkstein, und sang von da herunter ungefähr folgende Worte:

   »Vater ist längst gefallen
Vor Seeräuberscharen,
Schläft nun aus im schattigen Hügel tief.
Sohn, sehr jung und frisch noch,
Sieht sich weit vom Stein um,
Weit in die Welt, und will auch selbsten hinaus.

   Vater, gern wollt ich wissen,
Wo du sitzest und zechest!
Ist es in Walhall? Ist es beym weißen Christ? –
Ficht du frisch nur, Jüngling,
Früh' genug wirst's erfahren.
Wenn du trittst zum Vater in's Todtenthal.

   Viel Geschlechter geboren,
Viel Geschlechter vergangen
Sind auf der alten Erde, seit sie steht;
Aber die Alten und Neuen,
Alle sind sie gestorben,
Und wer ein Held war, lebt im hallenden Sang.«

Darauf sprang der Jüngling freudig vom Steine herab, kam zu den Liebenden, und sie setzten ihren Weg miteinander fort.

Malgherita jedoch konnte es nicht lassen, ihn nach dem Singen etwas scheu von der Seite anzusehen, und sagte endlich: »Ihr habt uns, Herr, noch nicht einmahl kund gegeben, wer Ihr denn eigentlich seyd.«

»Ach, das ist vor der Hand nur noch allzuleicht und allzukurz geschehn,« antwortete er. »Schaut, wenn ich Euch sage, daß ich Thiodolf heiße, und der Asmundurssohn bin, und daß mir beyde Aeltern schon lange in den Grabeshügel vorangegangen sind, da wißt Ihr meine ganze bisherige Geschichte. Die meines rühmlichen Vaters möchte ein gut Theil weitläuftiger klingen, und meine soll es mit der Zeit wohl auch. Fragt nur nach ein Paar Jahren wieder vor.«

»Ich meinte nicht eigentlich das,« sagte Malgherita. »Ihr sangt aber vorhin so wunderliche heidnische Worte und doch den Nahmen des lieben Christs wieder dazwischen.« –

»Ja so,« unterbrach sie Thiodolf, »ich weiß schon. Wo Ihr herkommt, glauben sie allzumahl an den weißen Christ.«

»Weißer Christ!« sagte Pietro staunend. »Was soll das heißen?«

»Nun Euern, Euern Christ soll es bedeuten,« entgegnete Thiodolf. »Es kommen wohl manchmahl Christenpriester auf unser Eiland herein, die begehren, wir sollen uns auf ihre Weise mit Wasser besprengen lassen, und an den Gekreuzigten glauben. Was sie von dem erzählen, klingt so anmuthig und hold, daß wir gar gerne zuhören, auch den Christ lieb haben, und ihn deswegen den weißen nennen, wie wir es mit allen guten Geistern thun.«

»Warum laßt Ihr Euch denn nicht auf seinen heiligen Nahmen taufen?« fragte Pietro.

»Viele von uns haben's gethan,« entgegnete Thiodolf. »Aber sie glauben doch auch an unsre alten, ehrlichen Götter mit. Eines, meinen sie, thun, und das Andre nicht lassen.«

»Pietro, Pietro, wohin sind wir gerathen?« flüsterte Malgherita zitternd, und hielt sich fest an dem Geliebten an.

»I, beruhigt Euch doch,« sagte Thiodolf freundlich. Es ist ja nur wegen der Zauberey, daß wir nicht ganz Eures Glaubens werden. Die brauchen wir hier gar zu nöthig unter unsern Alfen und Spukdingern sonst; lustiges Volk, daran Ihr den Winter über mancherlei Spaß haben sollt, Fräulein.«

»Was Ihr Eisriesen hier Spaß nennt;« murmelte Pietro mißvergnügt in sich hinein, und fragte gleich darauf lauter: »seyd Ihr und Euer Oheim denn getauft, Thiodolf, oder nicht?«

»Primsignet sind wir,« entgegnete dieser. »Das heißt, wir haben uns vorläufig mit dem Kreuze bezeichnen lassen, und können nun Verkehr haben mit Christen sowohl, als mit Heiden. So haben es Eure Bischöfe selbsten verordnet. Aber mit dem Taufen hat es wohl noch lange Zeit. Manchmal kriegen wir Lust dazu, und manchmahl wieder gar nicht.«

»Ich habe ja doch Dich, Pietro!« sagte Malgherita leise in sich hinein, die bange Seele mit diesem holden Troste beschwichtigend, und der Ritter, der es vernahm, drückte, in erhöhter Zuversicht zu sich selbst, die zarte Hand der Geliebten freudig an sein Herz.

Indem führte eine unversehene Wendung des Pfades sie plötzlich an ein großes, weitläuftiges Gehöft, das dunkel und verworren vor ihren Blicken gegen den mächtigen Himmel empor stieg.

»Hier werden wir den Winter mit einander verleben;« sagte Thiodolf.


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