Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Capitel.

Auf das Schiff getreten, sandte Thiodolf entsetzliche Blicke um sich her. Die Berserkwuth, sah man wohl, begann ihr ingrimmiges Spiel in seinem Geist. Er schaute starr auf Pietro hin, prüfte mit grausiger Sorgfalt die Schneide einer eben ergriffenen Streitaxt, und sagte zu den Schiffsleuten:

»Anker los! Die Segel den Winden! Hier ist Alles verfehlt, und meine Rache kann ich während des Fahrens recht gut nehmen, ihr sollt ein etwas blutiges Schauspiel sehen, aber ein merkwürdiges.«

Die Mannschaft beyder Barken wagte nicht das mindeste gegen den Willen des zürnenden Helden einzuwenden, und stach in See. Er aber ging voll schauerlicher Gelassenheit anfänglich hin und her, und endlich langsam, die Streitaxt hoch geschwungen, gegen Pietro zu, welcher, wohl fühlend, daß keines seiner Worte hier eine Vermittelung bewirken könne, sich zum Kampf auf Leben und Tod bereit machte.

Da stellte sich auf einmahl, in unerhörter Furcht alle gewohnte Furcht besiegend, Malgherita zwischen die Fechter.

»Thiodolf,« – sagte sie, und zeigte auf ihr schlagendes Herz, – »hierher deine Waffe, dir gilt es ja wohl gleich, ob du mich so tödtest, oder mit Schrecken und Jammer, und ich bin wahrhaftig die Schuldige.«,

»Das glaub' ich nicht,« entgegnete Thiodolf, »und mag es auch gar nicht glauben, denn mir ist damit gedient, daß ich Einen vor mir habe, an dem ich Rache nehmen kann. Mache dich mir aus den Augen, du möchtest wohl vergehen vor meinem Anblick, wenn der alte, finstre Geist meines Hauses erst volle Gewalt über mich gewinnt. Konntest ja schon den Hella nicht wohl ertragen. Mache dich fort, sag' ich Dir.«

»Nimmermehr!« seufzte die bleiche Jungfrau. »Ich weiß, daß ich nun sterben werde, aber mit Pietro will ich sterben. Und hier, so ganz dicht vor der Todespforte, beschwör' ich es Dir, ich ganz allein bin Schuld an Allem; ich ganz allein habe gebothen, den Strand zu meiden. Du hattest ja gesagt, du wolltest dir alleine helfen.«

»Das hatt' ich wohl freylich;« sagte Thiodolf mit gemäßigtem Grimm, ließ die Streitaxt sinken, und sah eine Weile starr in Malgheritens Angesicht. Endlich rief er aus: »wie das Kind da sogar den Bersekerzorn beschwören kann mir ihren holden Augen! Ach, und sie gleicht Isolden doch sehr, wenn sie auch freylich nur ein ganz kleines Bildchen von ihr ist.«

Damit warf er die Streitaxt von sich, ging freundlich auf Pietro zu, und sagte: »aber mein guter Waffenbruder, warum zogst du denn eher vom Lande, als ich ins Horn stieß?«

Wie er nun von Allen vernahm, das habe Pietro durchaus nicht gewollt, und es seye nur auf Malgheritens ängstliches Bitten und Befehlen geschehn, ward er sehr nachdenklich und still, und sprach endlich zu einem der ältesten Isländer: »wenn ich mich jemahls wieder so toll erzeige, geb' ich dir Vollmacht, mich halten zu lassen, und nöthigenfalls auch Bande um mich zu werfen, ich hätte ja lebenslang keine Ruhe wieder gehabt, wäre mir da der liebe Bruder so unverdient vor meiner eignen Hand gefallen.«

Der alte Mann sah ihn kopfschüttelnd an, und sagte: »Herr, ich glaube, Ihr könntet eher uns alle zusammt binden, als wir Euch, und absonderlich, wenn Ihr erst einmahl von der rechten Beserkerwuth besessen wäret.«

»Ja, das kann freylich wohl seyn, erwiederte Thiodolf bedenklich, und um so schlimmer ist es mit mir und der ganzen Schiffsgenossenschaft bestellt.«

Darauf seufzte er tief, setzte sich an's Steuer, und man konnte den ganzen Tag über kein einziges Wort von ihm herausbringen, so freundlich und nachgiebig er sich auch übrigens gegen alle Menschen betrug.

Am Morgen nachher sah er vergnügter aus. –

»Ich werde mich gewaltig in Acht nehmen;« sagte er, Pietro's und Malgheritens Hände fassend. »Und wenn es demungeachtet aufblitzen und aufdonnern will in mir, so erzählt mir nur gleich die Geschichte, wie der weiße Christ am Seestrande zu seinen fischenden Jüngern kam in den Nebeln der Morgendämmerung, ich weiß nicht, wie es zugeht, aber davor wird mir immer so sehr sehnsüchtig und weich und freundlich zu Muthe. Was nun unsre jetzigen Angelegenheiten betrifft, lieben Kinder, so laßt Euch erzählen.«

Und damit berichtete er ihnen Alles, was er gewollt hatte, und was ihm mislungen war, wobey Pietro und Malgherite wohl bisweilen über seine wunderlich wilde Treuherzigkeit lächeln mußten, er selbst aber gar nicht begreifen konnte, warum nicht Alles auf das allerbeste abgelaufen sey. Endlich setzte er hinzu, er wolle sie beyde nur erst sicher nach Toscana führen, dann jedoch wieder umkehren, Isolden nachhohlen, und die Versöhnung ganz gewißlich auf seine Weise zu Stande bringen. –

»Redet mir nichts ein, Kinder, schloß er seinen Spruch, ihr versteht Euch, wie ich wohl merken kann, doch nicht so recht auf nordländische Anschläge, und weil schlimmsten Falles nur meine eigene Haut dabey draufgehen kann, und die meiner verbundenen Genossen, hat auch Niemand nach der Geschichte zu fragen, als ich.«


 << zurück weiter >>