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Sechzehntes Capitel.

Unter einem dichten Olivengezweig, das Pietro halb zur Laube und halb zur Hütte ineinander verschränkt hatte, lag Malgherita im Morgenschlummer; ihr Ritter saß neben ihr, bleichen und schwer betrübten Angesichtes, auf ganz andre Weise die holde Schläferin bewachend, als er es wohl sonst in glücklicheren Tagen aus süßer Liebeständelei gewohnt gewesen war. Da zuckte ein Strahl der Frühsonne über Malgheritens Wimpern hin, sie fuhr lächelnd in die Höhe, gleich darauf einen Guß von bittern Thränen über ihr Antlitz hinströmend, wie um damit das helle Licht einer nicht mehr in ihr Leben gehörenden Freudigkeit zu löschen. Pietro drückte sie sehr bewegt an seine Brust. –

»O wie viel glücklicher waren wir, als du damals auf Island in meinen Armen erwachtest!« rief er aus. Und dennoch kamen wir uns recht hülfsbedürftig und verlassen vor.«

»Auf Island! wiederholte Malgherita, nachsinnend, und ihre Thränen trocknend. »Pietro, ich habe in diesen Morgenträumen auch wieder Verbindung mit Island gehabt. Weißt du wohl, daß es mir zu Sinn war, als tanzten die Lieblinge – du erinnerst dich wohl, sie nennen dorten ihre kleinen Alfengeister so, – als tanzten die um mich her, und wollten mir wieder Räthsel aufgeben. Einige schaukelten sich auch auf den nahen Fruchtbäumen, und naschten davon, und lachten, daß es so gut schmeckte, und warfen den Tanzenden mit freundlicher Neckerey das erlesenste Obst von ihrem Schmause herab. Dabey nickten sie mir liebevoll zu, und sangen, sie seyen mir nachgezogen sehr weit, sehr weit, mit gutem Rath, aber es belohne sich recht lustig, wenn man hübschen Frauenbildchen diene. Mir ward das Herz ganz leicht, und ich mußte lächeln, bis mir der Sonnenstrahl in's Auge riß, und ich den Verlust unsres lieben Kindes wieder so gar hart und bitter empfand.«

Sie hub von Neuem heiß zu weinen an, und Pietro fühlte auch seine Augen feucht, so daß er sein Angesicht abwandte, die Thränen zu bergen. Da sagte Malgherita:

»Holder Freund, die Lieblinge haben mir auch einen Trost gebracht. Ob es nun Träumerey war, ob wirklich eine glückliche Ahnung darin liegt, – ich weiß es nicht. Aber das weiß ich wohl, sie sangen mir unter alten Räthselstrophen von zwey Schwestern – es soll wohl auf Isolden und mich gehen – auch sehr viel von dem schönen Griechenlande vor, und von der Kaiserstadt Konstantinopolis. Es war auch fast, als müsse ich unsern kleinen Tristan dort wiederfinden. Aber auf alle Weise fühl ich's: wär' ich nur erst einmahl dort, ich könnte von meinem Grame vielleicht genesen.«

»O laß uns doch gleich aufbrechen!« rief Pietro, und sprang empor, gewöhnt, Malgheritens leiseste Wünsche alsbald in's Werk zu richten. Aber seine jetzige Armuth und Machtlosigkeit in's Gedächtniß rufend, sank er im zürnenden Kummer wieder an der weinenden Gattinn Seite zurück.

So saßen sie eine ganze Weile trauernd bey einander. Da rauschte es endlich über ihren Häuptern, und sie sahen, wie eine blanke Speerspitze, nach vorn herüber geneigt, als um unter den Zweigen durchzukommen, dennoch in deren Windungen sitzen geblieben war, und nun von einer kräftigen Hand ungeduldig hin und her gerissen ward. –

»Bei Gott,« rief Pietro aus, »das ist ein Nordlandsspeer!«

»Ja wohl, herzlieber Bruder!« tönte eine bekannte Heldenstimme, und die Lanze im Laube hängen lassend, sprang Thiodolf zu den Beyden vollends in die Umschattung herein. Wie er aber in Malgheritens verweinte Augen sah, brachen ihm helle Thränen hervor; er kniete vor ihr in's Gras nieder, streichelte ihre und Pietro's Hände, und sagte nur immer: »O, Ihr lieblichen Freunde, hab' ich Euch so fröhlich verlassen, und muß Euch nun so herzenstraurig wiederfinden!« –

Malgheriten strömte dazwischen in weicher Klage ihre Unglücksgeschichte von den zarten Lippen. Als sie nun den Verlust des Kindes erzählte, fuhr Thiodolf in die Höhe, furchtbar mit den Waffen zusammenrasselnd, und ausrufend: »Hey, warum hab' ich das nicht in voriger Nacht gewußt, auf den Trümmern von Castelfranco!« – Gleich darauf aber setzte er sich wieder ruhig in's Gras, sprechend: »Nein, es ist doch recht sehr gut, daß ich nichts davon gewußt habe. Da wär' es zu einem wilden Ende gekommen, und nun, liebe Kinder, kommt es gewiß noch zu einem sehr guten. Seht, der Fluch des großen Freyherrn muß gelöst werden können; irgend etwas von dessen wunderlichem Inhalte weiß ich schon. Nur gehört Isolde mit in den Reihen, und glaubt mir, ich finde sie wieder auf.«

»Ist sie denn nicht bey dem Vater?« fragte Malgherita. »Um Gott, Freund, wo ist sie denn sonst?«

»Ja, wer's wüßte!« entgegnete Thiodolf. »Hör' Malgheritchen, das ist vor der Hand noch eine etwas verwickelte Geschichte, und die Zeit zum Erzählen fehlt. Sage mir lieber, womit kann ich dir jetzt einen Dienst thun?«

Sie sprach von ihren Träumen, und von der Sehnsucht nach den Griechenlanden und nach Konstantinopolis, und alsbald rief Thiodolf aus: »Ei, Malgheritchen, liebes Kind, wozu liegen denn meine zwey Barken segelfertig am Strande, als um dich zu führen, wohin es dir behagt?«

»Es ist nur,« entgegnete diese, ihn dankbar anlächelnd, »daß du über diesen Umweg wohl Isoldens Spur verlierst.«

»Spur!« sagte Thiodolf etwas unwillig. »Spüre mir 'mahl etwas aus da auf dem blauen Wellenrücken des Meers, oder droben in den Bahnen der leuchtenden Luft! Bessere Spur hab' ich auch nicht von Isolden. Wär' es aber auch, ich brächte dich doch vorerst hin, wohin du Lust hast, denn du bist gar zu gut und niedlich, Malgheritchen. Wenn Eins tüchtig zufragt, allenfalls auch mit den stählernen Zungen von Speer und Schwert, findet man alle Spuren in der Welt aus, ob sie gleich ein bischen groß und weitläuftig ist.«

Während nun die Dreye in wieder vereinter Reisigenossenschaft an's Meer hinab gingen, traf man auf allerlei traurige Ueberbleibsel vom wilden Angriffe des großen Freyherrn. Verbrannte Hütten sahen mit ihren schwärzlichen Balken und Steinen aus den Gebüschen vor, bleiche Menschengestalten wankten darum hin, unter ihnen welche, die man noch wohl als vormals fröhliche Mitgenossen des Festes bey Pietro's und Malgheritens Ankunft erkennen konnte. –

»Wie gesagt,« murmelte Thiodolf in sich hinein, »es ist recht sehr gut, daß ich mancherley nicht gewußt habe, als ich gestern Nachts mit dem großen, stolzen Manne über den Trümmern von Castelfranco zusammen traf.« –

Dann stieß er in sein Heerhorn, daß die verschüchterten Strandbewohner recht heftig davor zusammenschraken. Aber sie wurden bald inne, wie wenig sie Ursach dazu hatten. Die herbeyeilenden Nordmänner wurden befehligt, Gold und Lebensmittel und Kostbarkeiten aus den Schiffen zu hohlen, und das stob Alles so schnell und reichlich aus den Händen des jungen Führers fort, daß derselbe Gang aber und abermals wiederholt werden mußte, und die noch kaum jammerbleichen Gesichter sich in Freude rötheten über einen plötzlich bescherten Wohlstand, desgleichen man nimmermehr, auch in den glücklichsten Tagen nicht, geahnt haben mochte.

Einige erfahrne Isländer schienen ihrem großmüthigen Heerfürsten bedenkliche Einreden thun zu wollen, aber er sah sie mit Blicken an, vor denen sie bereits gewohnt waren, jedwedes Wort zurück zu halten. Sie gewannen also nichts, als daß einige Hirten in ihrem italisch fröhlichen Uebermuth ihnen die ernsten Gebärden verzerrend nachmachten, worüber Thiodolf von ganzem Herzen lachen mußte, und in sehr lustigem Muthe vom Lande stieß.


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