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Siebentes Capitel.

Die Bilder der anmuthigen Heimath zogen lockend durch Malgheritens Sinn; sobald sie auf ihrem Lager die Augen schloß, wehete es über ihre Augenwimpern, wie Frühlingshauch aus Orangenwäldern her, und drang es in ihr Ohr, wie Nachtigallenlied und Wellenspiel der silberblauen Bäche, die sich durch die provenzalischen Ebenen ergehen. Wenn sie aber in recht süßem Entzücken und Hoffen der Sehnsucht darauf merkte, drang eine röchelnde Stimme zwischendurch, die sagte: »wer heißt Euch denn so wild im Dunkeln zuhauen, Ritter? Wißt Ihr denn, wen Ihr getroffen habt?« – Und ein blutiges Haupt sah durch ihre geschlossenen Augenlieder scharf in die Augensterne herein. Sie wußte wohl, daß Stimme und Haupt dem alten Schloßvogt ihres Vaters gehöre, den Pietro bey der Entführung mit seinem Schwerte traf, und vielleicht zum Tode. Dann fuhr sie entsetzt aus dem Schlummer auf, und tiefe Dunkelheit lag um sie her, und die alte Gunhild athmete schwerschlafend unter den Decken ihres Lagers hervor. Schaudernd legte sich Malgherita wieder zurück, und that die Augen zu, und es tanzte ihr wie Lichter vor, daß sie daran gedenken mußte, sie habe wohl die Kerze in ihrem Zimmer bey der Flucht nicht gelöscht, und die väterliche Burg sey davon in Brand gerathen; ein Gedanke, der sie oftmahlen ängstigte, und sich jetzt in schrecklich flammende Träume verwob, ja, es kam ihr in solchen vor, als seyen alle Kastanien- und Olivenwälder in der Provenze von dem Brande mit ergriffen, und die ganze schöne Heimath glühe nun durch die Schuld der Entführten zum unlöschbaren Brande auf, von einer Gränze zur andern, durch Ritterburgen, und Städte und Dörfer, und Klöster und Einsiedeleien hin.

In Mitten dieser schreckbaren Gesichter drang eine Stimme durch Malgheritens Schlaf, die rief: »Halloh! Wohlauf! Halloh! Wohlauf! Das Feuerspiel ist angegangen! Der Süden brennt bis hier herauf!« – Schreiend riß sich die Jungfrau empor, und ein ganzer Gluthstrom von flackerndem Licht begegnete ihren Augen durch das Fenster herein. Herüber von einem gewaltigen Berge loderten die Flammen empor in rother, entsetzlicher Farbe, die Nacht verwandelnd in Tag, und auf dem Rüsterbaume vor dem Fenster wiegte sich ein riesiger Mann, schwarzdunkel abstechend gegen den blendenden Schein, und in die Hände klopfend, als seye das gräßliche Spiel seine Lust, und vielleicht auch sein Werk.

»Malgherita zitterte, und wimmerte leise, »ach gütiger Himmel, nun bin ich wahnsinnig geworden, oder das Ende der Welt bricht herein.« – Der große Mann auf dem Baume aber schlug lachend gegen das Fenster, so daß sich die Jungfrau in athemloser Angst vor dem Bette der eben erst völlig erwachenden Gunhild niederwarf.

»Ruhig, ruhig!« sagte diese, nachdem sie eine Weile durch das Fenster in die Gluthen hineingesehen hatte. »Es ist eine alte, gute Bekanntschaft, die unserm Eilande kein Uebel zufügt, und die dessen leuchtendster Schmuck ist. Der Heklaberg wirft Feuer aus; da gibt es nichts zu erschrecken; wir sind nicht in der mindesten Gefahr.«

Malgherita blickte ihr halb zweifelnd, halb getröstet in's Gesicht, und wollte eben den Mund zu einer Frage öffnen, als der riesige Mann auf dem Baume draußen sich wieder zu regen begann, und folgende Worte sang:

   »Flammenfluthen
Aus dem Felsenkessel,
Hochauf, himmelan
Hüpfet und lodert!
Schürt sie recht schnelle,
Scherzende Alfen!
Lachet, Ihr Lieblinge,
Laut durch das Thal!

   Wiederhall, gieb Antwort
Welt übers Land her!
Stoße, du Nachtsturm,
Streng' an die Felsen an!
Gellend Getöne,
Glührothes Flackern
Hey, da erhebt sich uns
Hochherrlich Fest!«

Und wieder schlug er lachend in die Hände und gegen das Kammerfenster an. Malgherita aber barg das Haupt in die Gewande der Alten, und flehte sie an, sie von dem entsetzlichen Kobold zu erretten. Da schritt die erzürnte Gunhild rasch gegen das Fenster vor, und rief durch die Scheiben: »wahnwitziger Neffe, was treibst du auch? Willst du mir die zarte Jungfrau hier innen zum Tod erschrecken mit deinem unbändigen Singen und Geklopf?«

»Nun, nun,« entgegnete Thiodolf ganz freundlich von außen, »was hab' ich doch schon wieder versehen? Freut sie sich denn nicht? Oheim hat mir ja oft erzählt, es gäbe in den Südlanden eben solche Feuerberge, wie dieser hier. Da hab' ich lange drauf gehofft, daß unser Hekla 'mahl losdonnern sollte, weil ich gern möchte, daß sich Malgheritchen recht bekannt und behaglich bey uns fühlen möchte, ganz wie zu Hause, ist es nun nicht so? Lärmt er vielleicht nicht genug, so wie ihr auch das Meer letzthin nicht blau genug war? – Geduldet Euch nur, ich singe noch ein Paar zaubrische Lieder in die Flammen, da werden sie wild, wie Utgardaloke, der böse Gott, wenn das Gift der Schlange auf ihn träuft.«

Und er hub schon an, seine Kehle zu dem furchtbaren Sange zu stimmen, aber Gunhild rief ihm zu, Malgherita liege in halber Ohnmacht von dem Entsetzen, welches er ihr bereitet habe. Da stieg Thiodolf kopfschüttelnd und sehr betrübt vom Baume herunter.

Malgherita richtete endlich vor Gunhilds mütterlichem Zureden nach und nach den zarten, zusammengeschreckten Geist wieder empor, und schaute sogar nicht ohne ein Gefühl von schauerlicher Behaglichkeit in die Heklasgluthen hinein, von welchen ihr in der heitern Provenze einzelne, abgerißne Sagenlaute zu Ohren gekommen waren, und die sie nun so wunderlich nahe mit eigenen Augen vor sich sah.

Um die Ruhe dieser Nacht war es bey schon herandämmerndem Morgen einmahl geschehen; man hörte, wie die Männer sich unten in der Halle versammelt hatten, und Gunhild führte ihr bebendes Pflegetöchterlein die dunkeln Stufen hinab, über die sich bisweilen einzelne, furchtbare Lichter der fern heraufzuckenden Flammen hinstreueten. Der Oheim, Pietro und Thiodolf saßen um den Herd; die Frauen nahmen ihre gewohnten, erhöheten Sitze ein, und es ward viel Tadelndes und Zurechtweisendes gesprochen über den wilden Jüngling, der die zarte Jungfrau so sehr erschreckt hatte. Der hörte gesenkten Hauptes und ganz demüthig zu, murmelte aber doch bisweilen in sich hinein, es seye weiter nichts, als ganz unerhörtes und verwünschtes Unglück, davon ihm die Lust, welche er für Malgheritchen so lange schon erharrt habe, so schlecht ausgelaufen sey. Er wolle in Zukunft auf andere und viel bessere Späße denken.


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