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Zwanzigstes Capitel.

Die Nacht lag tief über den Lakedämonischen Felsenufern, vorsichtig ruderten die Schiffe durch die schäumende Brandung hinan, und Thiodolf beugte vom Steuerruder Brust und Haupt nach vorwärts über, sprechend:

»Das haucht mir gar herrlich und feyernd entgegen von diesen Höhen und Waldungen. Hier mögen schon einstmahlen große Thaten vollbracht worden seyn.«

»So ist es auch;« entgegnete Pietro, der ihm zur Seiten stand, »in diesen Gegenden haben die mannhaftigsten und schreckenlosesten Streiter des ganzen uralten Griechenlandes ihr Wesen getrieben. Ein wildes, kampfgieriges Geschlecht, sagt man, hause auch noch bis auf diese Stunde hier. Sie nennen sich die Freimänner von Lakonien, geben den griechischen Kaisern nur seltnen, meist immer abgezwungenen Zins, und hülflose Fremdlinge scheren das unwirthbare, räuberische Gestade.«

»O mein Pietro,« rief Thiodolf in großen Freuden aus, »da kommen Leute, wie wir es sind, eben an die rechte Stelle. Verkünde mir aber doch etwas von den alten Sagen aus der schönern Zeit, wo hier wohl noch Helden wohnten, die nicht nur der Menschen Schrecken waren, sondern auch der Menschen Lust.«

Und viele der feyerlichen Geschichten quollen von Pietro's Lippen, vor allem die That des Leonidas und seiner Dreyhundert, und wie der einzige aus der Schlacht Entronnene geachtet und entehrt herumgehen mußte, bis er in einem andern rühmlichen Treffen fiel, und der Tod ihm seine Schmach löschte mit eigenem Herzensblut.

»So war es Recht!« sagte Thiodolf glühenden Auges. »O behüte doch jeden wackern Kerl ein günstiges Gestirn, daß nie etwas auf seine Ehre sprühe, davon man sprechen könne, es sey ein Flecken. Denn sieh, Bruder, der arme Uebergebliebne, von dem du erzählst, hatte es wohl auch nicht so böse gemeint. Er dachte vielleicht, Bothschaft müsse doch irgend Jemand bringen, und nun bekam es ihm so! –«

Lange in ein tiefes, wehmüthiges Nachdenken versunken, munterte er sich selbst endlich mit den Worten wieder auf:

»Nun, ein ehrliches End' hat er ja dennoch gefunden, und daran lassen es die Götter wohl nimmer, wie hart sie auch sonsten treffen mögen, einem treuen Herzen fehlen!«

Man warf eben jetzt Anker; aber die See ging sehr hoch, die Schiffe blieben in einer unruhigen, schaukelnden Bewegung; Malgherita kam auf das Verdeck, und klagte, ihr sey ängstlich und krank, und vor dem Windesgeheul und Wogengeroll komme nichts als Wehklage in ihren verstörten Sinn: Furcht vor der väterlichen Verwünschung, Jammer um das entrissene Kind.

»Wir wollen an's Ufer,« sagte Thiodolf, »ist auch die Nacht sehr schwarz, so leuchten doch unsre Fackeln gut, und da wird es dem zagenden Frauenbild sicherlich besser.«

Malgherita, schon so lange an Thiodolfs siegreichen Schutz gewöhnt, hatte nichts wider seinen Vorschlag, und man landete.

Eine waldige Höhe hinan führte es, wie ein betretener Pfad. Das Leuchten der Fackeln, der Wiederschein der Rüstungen blitzte schaurig über die nächtigen Blätter hin; aber liebliches Kräutergedüft wehte vom Boden auf, die verschlungnen Olivenzweige wölbten sich wie festliche Laubenbogen über der Wandelnden Haupt.

Oben war ein geräumiger, freyer Platz, in der Mitten ein Steingemäuer. »Es ist wohl noch ein Altar aus der Heidenzeit;« sagte Pietro, erstaunte aber, wie er die Hand darnach ausstreckte, frische Kränze davon herabhängen zu fühlen. Eben wollte er nach einer Fackel greifen, um Alles näher zu beleuchten, da hub sich eine dunkle Mannesgestalt vom Fuße des Altares in die Höh', die seufzte:

»Laßt mich in Ruh, ich hab' es abgemacht mit der wilden Welt, in die Ihr hinein gehört. Aber heiß schmerzt mir noch immer vom Scheiden die Brust.«

Die Nordmänner bebten in schweigenden Schaudern zurück. Thiodolf aber schritt vor und sagte:

»Bist du etwa der, welcher bey Thermopylä übrig blieb? Und kannst noch keine Ruh finden im Hügel? Gieb dich zufrieden, und hebe dich von hinnen. Es sollen tapfere Heldensänger deinen Ruhm singen, denn ehrlich vor dem Feind geblieben bist du ja doch.«

»Ehrlich vor dem Feind geblieben bin ich ja doch,« murmelte die Gestalt wie ein hohles Echo zurück, und sank langsam wieder zusammen.

»Laßt ihn,« winkte Thiodolf den Kriegern zu. »Er schmiegt sich wohl jetzt eben wieder in sein Erdenbett hinunter.«

Aber man merkte wohl bey'm matten Sternenlicht, daß er oben auf dem Rasen liegen blieb. Da leuchteten die Krieger mit ihren Fackeln hinzu; nicht eines Gestorbenen, aber wohl eines Sterbenden Antlitz starrte ihnen entgegen, und nach wenigen schweren Athemzügen lag er als eine Leiche da.

»Es ist einer von den Freymännern Lakoniens,« sagte Pietro. »So hat man mir ihre wunderliche Tracht und Gestalt beschrieben. Er muß in einem heißen Gefechte gefallen seyn. Seht nur, aus wie vielen tiefen Wunden das Blut über seine Stirn und seine Brust hingeronnen ist.«

Malgherita zitterte heftig. »Wir stehen auf gräßlichem Boden,« sagte sie. »O bitte, hebt mich dort auf das Gemäuer hinauf. Meine Füße tragen mich nicht mehr, und wenn ich hier in das Gras niedersänke, würde mir's immer seyn, als fänd' ich eine Leiche zum Kopfkissen.«

Pietro und Thiodolf hoben sie auf den Altar. Schweigend und ernst standen und lagen die Nordmannen im trüben Fackelschimmer umher. Malgherita hüllte sich in ihre Gewande, und so blieb es, bis die Sonne ihre ersten Strahlen über die östlichen Hügel heraufsandte.


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