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Achtes Capitel.

Als sich nach einiger Zeit die schöne Sicilia mit ihrem rauchenden Berge vor den Schiffenden aus den Fluchen heraufhob, standen alle Isländer auf den Verdecken ihrer Fahrzeuge, und streckten die Arme freudig nach der herrlichen Erscheinung aus.

»Hekla'sbruder!« riefen sie; »willkommen Hekla'sbruder! Ist es nicht, als sähe man den alten, lieben Feuerberg selbsten vor sich?« – Und endlich brachen sie in folgenden Gesang:

      »Tief im Schoß der Erden toset
Tag und Nacht die Macht des Feuers,
Flammen, wie die Welt alt, flackern:
Fühlt man's kaum im obern Raume.
Doch wie dort im Norden Hekla
Dampft, und hier der Aetna Kampf droht,
Freut sich Herz, daß frisch und herrlich
Feuerring die Erd' umschlinget.«

»Ich kann's noch immer nicht begreifen,« sagte Thiodolf vor sich hin, »wie sich damals Malgheritchen nicht besser über den glührothen Hekla ergötzen konnte. Der Aetna hier spielt ja noch bloß Rauch in die Luft – und ach, wie freudig schlägt mir schon davor die Brust.«

Indem sie Anker warfen vor dem blühenden Eilande, hörten sie den Gesang einiger Fischer, die an der Küste umherruderten, und etwa diese Worte sangen:

   »In des Abends Röthen
Kam auf blauen Wassern,
Tod seinen Hassern,
Der starke Norderheld.
Mohren zu tödten,
Das ist, was ihm gefällt,
Doch Weibern ist er gern und froh gesellt.

   Ist die Schlacht geschlagen,
Kann er sich bey Tänzen,
Hellbunt in Kränzen
Gar flink und zierlich dreh'n.
Weiß wer zu wagen,
Und keck dem Tod zu steh'n.
Der weiß auch wohl um Liebe süß zu fleh'n.«

»Wollten das die Götter!« seufzte Thiodolf. »Dann hätte sich wohl Isolde nicht so ungeberdig gegen mich erzeigt. Denn mit dem Feststehen vor dem Tode, – das sollt' ich meinen, so gut, als irgend Einer zu können, ich muß aber die lustigen Fischersleute auf alle Weise näher sprechen.«

Er winke sie heran, und weil zu der Zeit viel tapfre und getreue Normannen auf der Insel waren, hegte man gegen deren Landesbrüder auch nicht das mindeste Mistrauen. Die Fischer ruderten vergnügt herzu, und baten den edlen Herrn, in einer Umdachung, die sie dicht am Ufer von Orangen- und Platanenzweigen zusammengeflochten hatten, ein wenig auszuruhen.

»Habt Ihr auch Wein dorten?« fragte Thiodolf; »ich will ihn Euch gut bezahlen, und trink' ihn über die Maßen gern.«

»Guten Syrakuser!« entgegneten die Fischer, und er fuhr ohne weiters mit ihnen und einigen Waffengefährten an's Land.

Als man nun gegen die Orangenschatten herankam, sagte er den Isländern in's Ohr:

»Kinder, ich kann Euch nicht helfen, Ihr müßt mir dießmahl voran, und nach dem Achmet Umfrage halten. Unter dem Gezweige hier sieht es gar zu anmuthig aus, ich sehe auch helle Flaschen funkeln, und weil es hier Freundesland ist, darf ich wohl im Hintertreffen bleiben. Nun erkundigt Euch hübsch ausführlich; wiederfinden werdet Ihr mich hier gewiß noch, falls Ihr auch etwas lange bleiben solltet.«

Die Kriegsleute zerstreuten sich, und Thiodolf trat mit seinen freundlichen Wirthen unter das laubige Dach.

»Kinder,« sagte er, als man hinter den Bechern saß, »da sangt Ihr ja vorhin ein hübsches Lied von einem tapfern und anmuthigen Nordmann. Welchem Helden hat denn das gegolten.«

»Dem großen Ritter Helmfrid,« erwiederte ein Fischer. »Der wußte sich so rühmlich zu betragen, daß nicht nur Burgen und Schiffe, sondern auch die Herzen der edelsten und schönsten Frauen ihm keinen Widerstand leisten konnten. Oftmahls hat er auch um irgend eine schöne Dame geworben, aber wenn er nur eben daran war, das süße Ja von ihren Lippen zu hören, erglühte er, wie in Zorn und Scham, wandte sich ab, und suchte andre Bahnen.«

»Schon recht,« sagte Thiodolf, »ich kann mir die Ursach ziemlich denken. Aber wenn ich nur wüßte, wo er wäre, ich wollte ihm einen gewissen Schild bringen, und seinen zornigen Gram damit zur Ruhe beschwören.«

»Ihr würdet zu spät kommen, lieber Herr,« erwiederte ein Fischer, »wenigstens zu spät in Allem, was Liebesabentheuer betrifft. Der große Ritter Helmfrid muß nun schon ein uralter Greis seyn.«

»Sie sagen,« fügte ein andrer hinzu, »er seye jetzt das Oberhaupt der nordischen Leibwache geworden, die der reiche Griechenkaiser an seinem Hofe hält, und welche die Schar der Wäringer geheißen ist. Er soll überhaupt gar ein mächtiger und herrlicher Fürst dorten seyn.«

»Da ist er, was ihm ziemt,« sagte Thiodolf, »und die Leute, die ihn also halten, thun um kein Haar mehr, als ihre Schuldigkeit. Das Odin helfe, was muß es eine Freude seyn, so einem Fechter auch nur ein einzigesmahl in's Angesicht zu sehen.«

Ueber diese Reden war eine blühende, anmuthige Frau herbeygekommen. Die gehörte zu den Fischern, half Wein zutragen, einschenken, und sagte endlich zu demjenigen, welcher ihr Eheherr war:

»Das sind mir einmahl andere und hübschere Gäste, als die Corsaren von letzthin.«

»Korsaren!« fuhr Thiodolf in die Höhe. »Könnt Ihr mir nicht sagen, ob der Araberfürst Achmet vielleicht ihr Anführer war?«

»Ey freylich war er das,« entgegnete die Frau, »ich weiß es so genau, als irgend Jemand. Denn als sie uns schon hinlänglich geplackt hatten, und eben im Begriff standen, abzusegeln, ward ich noch auf das Schiff gerufen, um einem schönen Frauenbild die Haare zu ordnen und zu flechten.«

»Ja?« rief Thiodolf aus. »O du liebe, anmuthige Fischerin, so bist ja du es eben, die mir aufgeht, wie ein wegweisendes Sternlein, und noch dazu als ein gar hübsches und freundliches anzusehen ist. Erzähle mir nun, wie war es mit dem schönen Frauenbilde?«

»Nun, ich flocht ihr das seidne Gelock,« entgegnete die Befragte lächelnd, »und derweile kniete der Araberfürst auf einem seidnen Polster vor ihr, und redete in seiner Sprache freundliche und zärtliche Dinge zu ihr, aber ich konnte nicht viel davon hören. Denn ringsumher sangen Knaben und Jungfrauen Liebeslieder zu ihren mohrischen Instrumenten. Die Herrin sah unter den schmeichelnden Klängen recht wie eine Königin aus, so klar und sicher schauten ihre Augen in Merresgrün und Himmelbläue hinein.«

»O, ich kenne das,« murmelte Thiodolf vor sich hin. »Grade so hab' ich sie zum erstenmahle gesehen. Als ob sie eine Sonnenblume wäre, die stolze Jungfrau, und nichts als Sonne gut genug für ihren Blick. – Hörtet Ihr nicht,« fuhr er, sich zu der Frau wendend, fort, »wohin sie gesteuert sind?«

»Ich denke, lieber Herr,« erwiederte diese, »nach Afrika ging es zu. Wenigstens klang aus den Liedern und auch aus des Araberfürsten Worten viel herdurch von einem Schlosse, das unweit von den Trümmern der alten Carthago stehe, oder wohl zum Theile darauf, und wo die rechte Liebesfreude aufgehen solle aus einer untergesunkenen Welt.«

»Ich hab' es! Allen Göttern sey Dank!« rief Thiodolf, sprang auf, und erfaßte sein Heerhorn. Bald aber wieder, sich zu den Fischern wendend, sagte er freundlich: »erschreckt Euch nicht, Kinder, wenn ich ein bischen sehr laut blase. Das will nun einmahl gethan seyn, denn ich habe keinen Augenblick Zeit mehr dran zu setzen.«

Und gleich darauf schmetterte der Donner des gewaltigen Hornes durch die blühenden Thäler hin. Eilig kamen die Isländer zurückgerannt, und er rief ihnen in vaterländischer Sprache entgegen:

      »Klug schritten die Krieger
Erkundend durchs Land um,
Und der Heerhauptmann saß hinter den Bechern und trank.
Kam zu ihm beym Kelchglas
Der Kunden allerbeste; –
Wir wissen nun Alles. Die weißen Segel spannt auf.«

Damit legte er ein Paar Goldringe in die Hand der artigen Fischerfrau, die sich voll freudiger Danksagung vor dem schönen Helden neigte, eilte mit den Seinen an Bord, und steuerte fröhlich hoffend nach den afrikanischen Küsten zu.


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