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Vierzehntes Capitel.

In der Nacht, wo Thiodolf an der afrikanischen Küste das Rachegefecht in Achmet's Pallaste hielt, waren auch auf Castelfranco wunderbare und entsetzliche Dinge vorgegangen. Malgherita hatte einige Wochen früher ein wunderschönes Knäblein geboren, ohne daß in der feyerlich ängstlichen Stunde der grause Vaterfluch in Erfüllung ging, so zaghaft auch im Grunde ihres Herzens beyde Eheleute irgend einer bedrohlichen Erscheinung entgegen sahen. Aber alle Besorgniß war dennoch mit dem ersten Lächeln des holden Kindes nicht von ihrem Sinne fortgewälzt. Malgherita erinnerte sich sehr wohl der ausdrücklichen, bedeutsamen Worte des Freyherrn: auf ihrem Schoße solle sie kein gesundes Kind wiegen, bis die furchtbar geheime Bedingung des Fluches gelöst sey. Wenn daher die Wärterinnen ihr den lächelnden Liebling hinreichen wollten, wehrte sie ihn von sich ab, fürchtend, auf ihrem Schoße könne und müsse ihn der angewünschte Tod überfallen. Auch geboth sie, daß man ihn Tristan taufe, der traurigen Wolken eingedenk, die gleich von der Geburt an über sein junges Leben hereinhingen, und theils wohl mit in der Erinnerung an den Nahmen ihrer Schwester Isolde, als welche, wie jene schöne Königin in den alten Sagen einem Tristan, – wenn auch im sehr verschiednen Sinne, – dem armen Kinde als ein gefährlicher und zerstörender Stern aufgegangen war.

Nun wandelten in der erwähnten Nacht Pietro und Malgherita unter den Orangenbäumen ihres Schloßgartens umher. Ein mildes Thauen wehte aus beglänzten Mondwolken nieder, liebliches Geflüster hielten die duftigen Zweige und Blätter miteinander; aus der Burg herüber funkelte wie ein Gestirn das Licht aus dem Kämmerlein, wo Tristans Wiege stand.

»Wer dahinein dürfte!« seufzte Malgherita. »Wer schaukeln dürfte dich kaum erst vom Himmel geschwebten Engel auf mütterlichem Schoß! Strenger Vater, das hat dein herber Fluch mir verwehrt.«

Pietro seufzte schwer, und konnte keine tröstliche Erwiederung finden. So schritten sie denn schweigend neben einander auf und ab, in all ihrem Liebesglück wie von schwerer Gewitterluft beinahe zerpreßt.

Da rauschte es an der Pforte, die nach dem Felde hinaus führte, und stöhnte und klopfte gar ängstlich. Malgherita schauderte zurück, und wollte nicht zugeben, daß Pietro öffne, meinend, es stehe gewiß ein entsetzlicher Spuk draußen. Er führte sie also erst in einen Seitenflügel des Schlosses hinauf, und ging alsdann, nach dem nächtlichen Gaste zu sehen. Aber Malgherita lehnte sich in banger Neugier aus dem Fenster, und blickte scharf über die Burgmauer hinab. Eine Mönchsgestalt kauerte, halb zusammengesunken, draußen. Vor der schrie Malgherita ängstlich auf: »O Gott, der Unheilsbothe! Das ist er, den mir das schauerliche Mönchsgebürg an der Norwegsküste verkündete!«

Nicht lange darauf kam Pietro mit dem Gaste hereingeschritten: er meinte, seine zagende Gattinn dadurch zu beruhigen, denn es war ja eben der Priester Jonas, der sie auf Island zusammengegeben hatte. Aber Malgherita schöpfte nur neues Entsetzen daraus, gedenkend an des alten Nesiolfs grause Bilder und Gedanken von dem erschlagenen Christenpriester, und an alle trübe Vorbedeutungen, welche damals die Hochzeitfeyer umschwebt hatten.

Der alte Priester schien auch eben keine erfreuliche Kunde zu bringen. Pietro hatte ihn in der ersten Eil und einer Art von Freude, welche in ihm vor diesem Zeugen und Befördrer seines holden Minneglücks aufging, nicht zu Worte kommen lassen, aber jetzt erhub der Greis bedenkliche Reden von einer dunkeln, zahlreichen Kriegsschar, die feindlich gegen die Burg heraufziehe. Der Ritter zweifelte nun, ob der Alte nicht etwa verstört im Gemüthe sey, mit seinen seltsamen Nachrichten, und begehrte, zu wissen, wie er denn so plötzlich hier in den Süden hereingerathe

»Kinder,« entgegnete Jonas, »Euer schützender Engel hat mich hereingeführt, dafern Ihr meiner Warnung Gehör schenkt, im Uebrigen laßt es Euch genug seyn, zu wissen, daß meines Gleichen, die, wir uns der Bekehrung unsrer heidnischen Brüder gewidmet haben, niemahlen so gar fest an einen und denselben Ort gebunden sind. Unsere Obern rufen, und wir ziehn. Auf einer solchen Fahrt landete ich hier; ich hörte, wie man sich in einer abgelegenen Bucht besprach, die Veste des Marchese von Castelfranco mit Feuer und Schwert zu überfallen. Da eilte ich denn zur Warnung herauf, und, liebe Kinder, flieht mit Windesschnelle, oder vertheidiget Euch gewaltig. Eure Feinde sind zahlreich, und ich glaube, der große Baron aus der Provenze führt sie in eigener, heldenkräftiger Person selbsten an.«

Mit diesen Worten kam ein schier wahnsinniges Schrecken über Malgheriten. Bald trieb sie ihren Gemahl zur Flucht, bald zur Vertheidigung an, und wenn er dann das Zimmer verlassen, oder auch nur an das Fenster treten wollte, um seine Vasallen zu berufen, fiel sie in krampfhaften Zuckungen vor seine Füße hin, und ließ ihn nicht von der Stelle. So rief sie auch heftig nach ihrem Kinde, und dann wieder noch heftiger und ängstlicher, man mögt sich hüthen, daß nicht Vater, nicht Mutter ihm nahe komme, sonst breche die Verwünschung aus, und der arme kleine Tristan seye durch Isolden unwiederbringlich verloren.

Mitten zwischen diese Schrecken brachen andre Schrecken herein. Der große Freyherr hatte wirklich bereits im verderblichen Zorn einen Theil der Burg eben so schnell erstiegen, als gestürmt. Flammen loderten von da herüber, wüthendes Siegesgeschrey brauste durch alle Säle und Gärten heran. Die Burgmannen flohen oder fielen in ihr Blut. Mühsam nur, und mit Anstrengung eines verzweifelten Muthes, schlug sich Pietro, Malgheriten auf dem Arm, durch die siegstrunkenen Geschwader, und flüchtete mit ihr in den nahen Wald hinein. Von dem kleinen Tristan blieb ihnen auch nicht die mindeste Spur.

Als nun die Sonne heraufstieg, sah die Burg Castelfranco nicht viel anders aus, als sie der alte Hirt vor einiger Zeit im wahrsagenden Muthe gesehen hatte. Ein öder, ungeheurer Trümmerhaufen lag sie da; nur einzelne Flammenblitze zuckten wie schmerzhaft darüber hin. Starr blickte Pietro's Auge nach dem zerstörten Ahnensitze hinüber. Malgherita weinte heiß um ihr Kind, und verbarg das Haupt an des Gatten Brust, sprechend: »nun hat uns das Schicksal an unsres Herzens Wurzel gefaßt. Nicht wahr, Pietro?«

Derweile schied der alte Jonas, der ihnen treulich bis hierher nachgekommen war, in großer Bewegung von ihnen, und seufzte: »warum darf ich doch nicht bey Euch bleiben, Ihr Trostbedürftigen! Aber ich gürte mich, wie es der Höchste befiehlt, und fern nach unbekannten Heidenvölkern treibt mich sein heiliger Wille hinaus.«


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