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Drittes Capitel.

Nicht lange nachher, da kam Thiodolf mit Isolden auf den bezeichneten Ort im Walde, und ihn verlassen findend, sah er mit zornigen, feuersprühenden Augen um sich her.

»Entschwunden?« rief er aus. »Hat denn die Erde ihren Schlund aufgethan, oder die Luftgeister ihre Flügel? Denn so spurlos hätten sich doch sonsten gewißlich meine ruhmvollen Isländer nicht vertreiben lassen. Waffen müßten doch auf allen Fall hier umherliegen, und Todtengebeine die Menge. Aber ich will schon gleich eine Warte finden, von der Eins gehörig um sich sehen kann.«

Und damit klomm er einen gewaltigen Kastanienbaum hinauf, nach Isolden zurückrufend: »mache dir nicht etwa unnöthige Mühe, Kind, mit dem Davonlaufen, in einer ganz, ganz kleinen Weile hätt' ich dich ja dennoch wieder ein. Wenn ich dir rathen soll, so bleib du hier ruhig unter dem Kastanienschatten.«

Isolde that nach dem wunderlichen Gebot. Wie eine schöne Bildsäule hielt sie sich unbeweglich zwischen dem Gezweig, aber sie glich auch einem Steinbilde darin, daß sie todtbleich aussahe, und die Augen ohne Leben, und in furchtbarer Starrheit unter der schönen Stirne hervorblicken ließ.

Da kam ein geschmückter Jüngling durch den Forst gegangen. Glykomedon hieß er, und war aus der großen, griechischen Kaiserstadt Konstantinopolis gebührtig. In vielerley zierlichen Künsten geübt, dem Handelsverkehr und der Ritterschaft gleich emsig ergeben, aus edlem, dem Kaiserhause verwandtem Geschlecht entsprossen, und dennoch an kaufmännischen Verbindungen reich, hatte er gewußt, sich gleich achtbar in der großen Stadt Marseille, und in der Burg des großen Freyherrn darzustellen. Wie er nun im wallenden Federnschmucke seines Baretts, einen reichgestickten, rothleuchtenden Mantel um sich her fliegend, an der Seite ein köstliches Schwert, durch die Hainesschatten heran kam, streckte Isolde bittend die rechte Hand nach ihm aus, legte aber auch zugleich den Zeigefinger der linken, Stillschweigen gebiethend, auf ihren blühenden Mund. Glykomedon, schon längst sich nach der Liebe der schönen Herrin sehnend, trat mit schlagendem Herzen leise hinzu, aber ein zweiter Wink Isoldens, der den im Kastanienwipfel um sich schauenden Eisriesen kund gab, störte ihm sein freudig kühnes Hoffen. Einige flüsternde Worte der Dame sagten, was hier zu thun sey, aber er griff nicht, wie sie es gemeint und gewollt hatte, nach dem glänzenden Schwert an seiner Hüfte; vielmehr stand er nachdenklich, und wie es schien, etwas zweifelnd still, hin und her einen scharfen Blick nach dem Kastanienwipfel empor sendend. Plötzlich aber riß er den rothen Mantel von seiner Schulter, hüllte Isolden darein, und drückte ihr sein Federnbarett auf das Haupt, sie zugleich – wie Freund dem Freunde zu thun pflegt – unter den Arm fassend, und mit ihr tiefer in die Hainesschatten hinein wandelnd.

Des jungen Isländers Adlerauge hatte bald darauf ausgemittelt, hier seye keine Spur von Pietro und Malgheriten, oder auch nur von seinen Waffengenossen an der Küste mehr vorhanden. Als er hinabblickend, nun auch Isolden vermißte, fuhr er voll ingrimmigen Zornes, den Baum hinunter, und weil er nichts weiter wahrnahm, als die ruhig durch die Laubgänge hinwandelnden Jünglinge, rannte er ihnen gewaltigen Schwunges nach, und holte sie auch mit wenigen Sprüngen ein.

»Ihr Knaben, sagte er, habt Ihr nicht eine schöne, hohe Jungfrau gesehen, die von der Gegend aus, wo ich her komme, irgend nach einer Stätte hinläuft? Etwa nach der Burg dort oben? Verhehlt mir nichts, Ihr geputzten Kerlchen, bitt' Euch sehr, denn ich könnt Euch wohl sonst in meinem Grimme noch gar zerreissen.«

Isolde bebte heftig, und verhüllte ihr Antlitz noch tiefer in den leuchtenden Mantel, Glykomedon aber wandte sich mit anmuthiger Geberde rechts, und sagte: »dort hinauf, lieber Herr, sah' ich sie laufen, und mir schien es in der That, als richte sich ihr Weg nach der Burg.«

Darauf ging er mit Isolden links in das Gebüsch hinein, und Thiodolf beflügelte seinen Lauf, die ihm angewiesene, entgegengesetzte Bahn entlang.

Er war noch nicht weit gerannt, da begegnete er einem Geschwader des großen Freyherrn, das auf Kriegsweise gegen den Strand herzu geritten kam. Er wollte der Schar ausbeugen, um seinen Lauf nicht zu hemmen, aber zwey andre Haufen zogen in Verbindung mit jener einen Halbkreis bis an das Meer, untereinander durch einzelne Schützen und Reiter verbunden, und bemüht scheinend, Alles aufzufangen, was sich in dem Raume, welchen sie durchzogen, betreten lasse. – »Macht Platz!« rief Thiodolf ihnen zu; sie achteten dessen nicht, und rückten nur schlachtfertiger und sorgsamer heran. Noch dazu rief ein großer, in Jägerpracht leuchtender Herr – es war der große Freyherr – von seinem schlanken Grauroße herab: »im Kastanienwalde find' ich sie nicht. Fangt mir Den ein. Der muß mir Kunde geben«

»Muß ich?« rief Thiodolf zurück. Und von zwey Wurfspeeren, die er in der Hand schwenkte, warf er einen so schnell und sicher, daß er das Roß eines auf ihn ansprengenden Jägers durchbort in die Gräser niederstreckte. Die andre Lanze schleuderte er, wie zum Spiel, gewaltig in die Höhe, und fing sie wieder, langsam seinen Rückweg nach dem Meere antretend, und den Verfolgern bisweilen die leuchtende Stahlspitze entgegen haltend. Sie wurden etwas langsamer in ihrem Treiben, und es machte sich kein Einzelner mehr gegen ihn vor, da sie ihn alle, wie ein bereits umschloßnes und gefangnes Wild ansahen, das bald vor der ungeheuern Uebermacht ganz von selbsten erliegen müsse.

So gelangte der Isländer an den Strand, wo sie ihn ganz gewiß zu fassen vermeinten, und die Nächsten sich mit Mänteln und Schilden deckten, um dem Lanzenwurf, womit seine bewehrte Rechte noch drohte, zu entgehen; aber Thiodolf sprang leicht in das Meer, als seye das nur ein Bad, zum freudigen Spiel bereitet, und schwamm mit gewaltigen Armesschlägen nach seinen Schiffen zurück. Kaum besannen sich die staunenden Verfolger genug, um ihm einige Armbrustbolzen nachzuschicken, die unschädlich im Wasser verzischten. Thiodolf aber war dadurch erzürnt worden, denn als ihm ein Nachen von den Schiffen entgegen kam, und er sich hinein geschwungen hatte, warf er seinen Speer nach dem Ufer zurück, und heftete damit den kühnsten Schützen entseelt an den Grund, ausrufend: »da habt Ihr noch ein kleines Andenken. Nehmt Euch künftig vor meines Gleichen in Acht!«


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