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Neunzehntes Capitel.

Der gefürchtete Seemann wußte, seit sich die Inselbewohner ihm nachgiebig und seinem Rechte bedienstet erzeigten, so mild und gütig zu ihnen zu sprechen, daß ihnen alsbald alle Furcht verging, und sie mit einigem Behagen zu dem fremden riesig schönen Jüngling aufsahen; ja, einigen schien sogar mit ihrem Antheil an der Schätzung eine so wundersame Bekanntschaft nicht eben allzu theuer bezahlt. Man wußte zudem, daß wer sich guter Freundschaft mit irgend Einem der nordländischen Meerhelden zu rühmen wußte, eben dadurch mit all dessen furchtbaren Genossen befriedet war.

In diesem ruhigen Verkehr hub Thiodolf an, zu forschen, ob nicht eine Dame, wie Isolde, an dieser Küste erschienen sey, die hohe, königlich leuchtende Gestalt mit so scharfen und klaren Worten bezeichnend, daß Pietro und Malgherita einander anlächelten, und sich gestehen mußten, es sey, als rufe ein Magier das Bild der Verlornen mit beschwörenden Worten aus dem Meere herauf.

Auch die Inselbewohner lächelten, als breite sich der Nachglanz einer sonnigen Erscheinung über ihre Stirnen aus, und bald wurden mehrere Stimmen laut, verkündend, ja, in der That habe sich ein so erhabnes Frauenbild schon vor Monden an ihrem Ufer sehen lassen, in Geleitschaft des ritterlichen Handelsfürsten Glykomedon, der aber schnell damit fürder gesegelt sey, man wisse nicht, ob nach den Küsten der Lakedämonischen Freimänner hinüber, ob etwa weiter um die Moreische Halbinsel herum.

Sehr wohl kannte Malgherita des weitgereisten Glykomedons Nahmen, und meinte ihn schon früher einmahl auf ihres Vaters Burg bey einem Sängerfeste erblickt zu haben. Thiodolf ließ sich ihn von den Leuten beschreiben, beschrieb seinerseits wieder, und rief plötzlich aus:

»Der Feigling hat mich unerhört betrogen! Der war es, der unter den Kastanienschatten hinging, einen andern Knaben – so meinte ich – an seiner Hand, aber das ist wahr und wahrhaftig Isolde gewesen!«

Die furchtbare Gluth begann aufzusprühen aus seinen rollenden Augen, und die Inselbewohner fuhren scheu zurück.

»Ruhig, Kinder,« sagte er. »Glykomedon ist ja nicht unter Euch. Wie war sie denn gegen ihn?«

»Halb scheu, halb vertrauend, Herr;« kam die Antwort zurück; »wenigstens sah es so aus. Bisweilen strahlte sie ihn mit den herrlichen Augen forschend an, daß er, wie von einem Pfeilgeschoß getroffen, davor zusammen bebte. Dann wieder wußte er ihr von seltsamen Dingen vorzureden, von der Zerstörung ihrer väterlichen Burg –«

»Das ist eine Lüge!« fiel Thiodolf ein.

»Und wie die ganze Gegend umher in Feuer und Brand stehe durch einen schrecklichen Isländer, und wie der nun verfolgend hinter ihnen her sey –«

»Genug!« sagte Thiodolf. Und nach langen Schweigen Malgheritens Hand fassend, seufzte er recht aus Herzensgrunde: »o höre doch, höre doch, mich flieht sie, und mit dem bethörenden Schwätzer zieht sie durch die Welt!« – Er sah aus, wie ein schmerzlich Verwundeter, der sich in edlem Führermuth vor den Scharen noch aufrecht erhält.

Plötzlich aber wieder zu der alten freudigen Kraft ermannt, fragte er nochmals: »Nach den moreischen Küsten hinüber?« Und auf die bejahende Antwort hieß er die Anker lichten, die Segel den Winden geben, noch vorher so viel Gold und Kostbarkeiten an die Inselbewohner ausstreuend, daß – hätte nicht dießmahl das Ermahnen einiger alten Kriegsleute geholfen – der ganze Asmundurstribut wieder aus seinen Händen fortgestäubt wäre.


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