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Mit beynahe kindischer Lust aß Thiodolf von den goldnen Südfrüchten, ließ die glühenden Weine gegen das Licht im geschliffnen Glase funkeln, und sie dann lächelnd in langsamen Tropfen über seine Zunge rinnen. – »Singe doch, Malgheritchen, singe doch,« bath er mitunter, »ein Liedchen zu deiner Mandoline, und lieben Leute, thut die Fenster auf, damit die würzigen Luftwellen von draußen hereinkönnen, und die Strahlen des goldneren Mondes. Kinder, es ist unaussprechlich herrlich bey Euch. Ich will mir auch eine Burg oder ein Paar in der Nähe erobern, damit wir immerdar hier beisammen wohnen können.«
Aber mitten in all' der heitern Festlichkeit und Lust erhob er sich ernsthaft von seinem Sitze, sah nach den Sternen hinaus, schnallte sein klirrendes Silberschwert um, und sagte: »es wird Zeit, ich muß mir doch vor allen andern Dingen erst Isolden aus der provenzalischen Burg herüberhohlen, und somit, Ihr lieben, fröhlichen Freunde, habt gute Nacht.«
Alle Versuche, ihn von der Fahrt abzuhalten, waren vergebens. Er blies sein Heerhorn zum offenen Fenster hinaus, daß die Sangvögel auf einen Augenblick davor verstummten, wie vor einem Donnerschlage, und alsbald sah man die Isländer im emsigen Gewimmel über hie mondhellen Wiesen eilen, nach dem Meere hinab, ihre Schiffe zur Abfahrt rüstend, und wunderliche, hier noch ganz, unerhörte Lieder dabey anstimmend. Die Landesbewohner, Männer, Weiber und Kinder, wandelten ihnen staunend, aber zutraulich und freundlich nach.
Derweile hatte Pietro alles Gefolge aus dem Saal gewinkt, und sich mit Thiodolf und Malgherita allein befindend, sagte er: »da du so bald scheiden willst, Waffenbruder, bin ich dir noch Rechenschaft darüber schuldig, wie es mit der Wittwe meines Vetters, der schönen, entführten Laura steht, damit du nicht etwa glauben mögest, es hindre mich irgend eine Unritterlichkeit daran, ihrem Entführer nachzueilen.«
»Manchmal ziehn mir wohl dumme Gedanken durch den Kopf,« erwiederte Thiodolf, »aber so dumme doch hoffentlich nun und nimmermehr.«
»Die Ferne taugt nicht zum Anwald,« sagte Pietro, »und mir ist, als würden wir einander in langer Zeit nicht wiedersehen.«
»Das kann nun freylich wohl geschehn,« sprach Thiodolf, »denn ich möchte ungern ohne Isolden zu Euch zurückkommen, und mag seyn, daß es mir etwas schwer wird sie zu gewinnen. Aber was du da von der Ferne sagtest, versteh' ich nicht. Mir kommt es gerade umgekehrt vor. Weißt du ja doch, wie lieb mir Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild erst am Herzen liegen, seit sie so hübsch weit von mir weg sind. Und wenn du meinst, die seyen nur nicht sonderlich anmuthig zu beschauen gewesen – ach Herzensfreund, der schönen, hochmüthigen Isolde hat auch das Fernseyn eben keinen Schaden gethan. Willst du mir aber etwas erzählen, so hebe nur in aller Götter Nahmen an, ich höre Geschichten gern.«
Und Pietro sprach folgendergestalt:
»Als um die Hand der schönen Laura die erlesenste Ritterschaft von ganz Toscana warb, befremdete es Viele, daß der holde Preis meinem zwar edlen und reichen, aber ziemlich bejahrten Vetter Paolo zu Theil ward, ich selbst konnte mich um so minder darin finden, da ich wußte wie Laura ganz und gar in der untergegangenen Griechen- und Römerwelt lebte, deren Bildsäulen, Schriftrollen und andre Denkmale um sich her versammelnd, und wie der gute Graf Paolo an dergleichen Dinge wohl in seinem ganzen Leben nicht gedacht hatte.
Dem mochte seyn, wie ihm wollte: Graf Paolo führte die schöne Herrin zum Altar, und beyde lebten eine geraume Zeit in großer Freudigkeit und unter mannigfachen Festen mit einander fort.
Da kam endlich ein junger Sänger auf die Burg, der trug eine Lyra im Arm, wie sie die alten Hellenen zu schlagen wußten; er sang recht wunderlieblich, und gefiel der Laura in seinen wallenden mohrischen Gewanden sehr gut, obgleich ihn die mehrsten Leute selbst für einen ungetauften Mohren hielten.« –
»Ungetauft!« unterbrach ihn Thiodolf; »gut! da möchte sie ihn immerhin geliebt haben. Ungetauft bin ich auch. Aber ein Mohr! Pfui doch. Die Kerls sollen ja schwarz aussehen wie die Nacht.«
Pietro belehrte ihn lächelnd, auf den hispanischen und afrikanischen Küsten sähe man jetzt edle Araber hausen, die nicht eben braunere Farbe trügen, als Italiäner, und die man nur Mohren nenne, weil sie über das alte Mauritanierland herauf gekommen seyen. Das ließ sich Thiodolf eher gefallen, und Pietro fuhr fort:
»Dem Grafen Paolo gefiel der Sänger aber dennoch nicht, und er trieb ihn einstmahlen bey Nacht und Nebel von der Veste aus. Man weiß die nähern Umstände nicht, nur das weiß man gewiß: Signora Laura that, als seye nichts Erhebliches vorgefallen, und wußte dem alten Herren hold und liebreich genug zu begegnen, um ihn dahin zu bringen, daß er an ihrem Nahmenstage ein glänzendes Turnier ausschrieb in seiner Burg, und selbst dabey auf das prächtigste geschmückt, und noch recht mannlich aussehend, in den Schranken erschien.
Unser lustiges Jubeln verkehrte aber bald zum traurigen Ernst. Ein unbekannter Ritter von seltsamer Tracht, und ungewöhnlichen Sitten im Rennen, traf den edlen Wirth mit so wunderlicher Geschicklichkeit durch's Visier, daß Paolo alsbald leblos auf dem Sande lag, während der als Friedenszeichen herabfliegende Schleyer der Dame uns Fechtern jedweden Ausbruch des plötzlichen Zornes untersagte. Als wir nachher, zu Gericht und Urthel geordnet, den mörderischen Fremden zu erfragen strebten, war er auf eine unbegreifliche Weise verschwunden.
Und eben so halb, und schlecht, und unsicher, Ihr Kinder, blieb es durch viele Monden lang mit dem Betragen der Wittwe. Nicht Rache war zu nehmen, nicht Freundschaft und Vertrauen war zu halten; da entschloß ich mich, und zog hinaus, Burg und Vaterland und Verwandtschaft mit dem Rücken ansehend, mir ungetrübtes Glück aufsuchend in fremden Gegenden, und fröhlicheres Leben. Das hat mir nun ein günstiger Himmel in Malgheritens Armen beschieden, und die unholde Schönheit ist hinweggerissen aus unsrer Nähe durch einen heilbringenden Sturm.«
»Das konnte mit dem Weibsbilde nicht gut enden,« sagte Thiodolf. »Ein altes Sprichwort bey Uns zu Lande heißt: wirf dir Fluch und Schuld vom Nacken, sonst kannst du dir den Falken Glück nicht herunterlocken aus den Wolken.«
Damit reichte er dem holten Paare treuherzig die Hände zum Abschied hin, schritt aus der Halle, und hieß sie zurückbleiben. »Denn,« sagte er, »uns Allen dreyen, fühl' ich wohl, ist etwas weh'. Da soll man sich doch den Stachel des Scheidens nicht so vielmahl in's Herz drücken, als es Schritte von hier an das Meeresufer gibt. Frisch ein für allemal das Messer hinein gestoßen, und rasch wieder heraus. Da heilt die Wunde bald und rein. Gute Nacht, Kinder, Ich hab' Euch von ganzer Seelen lieb.«
Und schon war er aus der Thür, und Pietro und Malgherita sahen einander bleich und traurig an.
Aber auf Malgheritens Antlitz schwebte noch weit eine andre Blässe, als die, welche der Abschied mit seiner Wehmuth darüber hingelegt hatte. Pietro merkte es wohl, aber er scheuete sich, darnach zu fragen, denn in ihm selbst regte sich ein ähnliches unheimliches Gefühl.
»Hast du den Spruch behalten, womit Thiodolf schied?« sagte Malgherita nach einer Weile ernst und feyerlich. »Wirf dir Fluch und Schuld vom Nacken, sonst kannst du dir den Falken Glück nicht herunter locken aus den Wolken. Pietro, wir locken ihn uns auch nicht herab. Wenigstens so mühelos nicht, als wir es im kühnen Sinne gedacht.«
Pietro wollte beruhigende Worte erwiedern, aber es war, als sey ihm die Zunge wie gelähmt. Endlich brachte er hervor, ob es nicht Mühe und Noth genug sey, was sie durch den Schiffbruch, und den Isländischen Winter, und überhaupt so mannigfach bis jetzt erlitten hätten, aber Malgherita antwortete:
»Täusche dich nicht. Wir sind noch nie an irgend einem Theil unsres Herzens angegriffen worden, und dahin muß es kommen, gewiß. Noch hat das Schicksal nur neckend mit uns gespielt, es hat nur die Geigen gestimmt zum furchtbaren Tanze, aber unser Leichtsinn, und die Stirnwunde meines Vaters heischt mehr. Du weißt ja, Pietro, ich trage ein Kind unter meinem Herzen, und schallet nicht der Donner jenes geheimnißreichen Vaterfluches auch noch in deine Ohren?«
»So dulden wir ja doch vereint!« entgegnete Pietro, und einander mit heißen Thränen umfassend, sanken sie zitternd zum Gebethe nieder.
Derweile hörte man das jubelnde Singen der Isländer vom Strand herauf, die eben jetzt freudig in die helle Mondnacht hinaus segelten.