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Die Liebe des Prinzen August von Preußen zu Madame Recamier.

Nach dem Tode ihrer Mutter verlebte Madame Recamier sechs Monate in der stillsten Zurückgezogenheit, einem so nachhaltigen Grame hingegeben, daß man um ihre Gesundheit ernstlich besorgt zu werden anfing. Es war deshalb für ihren Gatten und ihren Vater eine große Beruhigung, als sie sich endlich entschloß, der zärtlichen Einladung der Frau von Staël Folge zu leisten und in Coppet die für Leib und Seele so nothwendige Stärkung zu suchen. Sie ward von Frau von Staël, die alles leidenschaftlich betrieb, mit hellem Jubel empfangen, der indeß mit Thränenströmen abwechselte. Der Jubel galt der Ankunft der schwärmerisch geliebten Freundin, die Thränenströme flossen dem bleichen Aussehn der sonst so strahlenden Frau.

Noch ein anderer Gast in Trauer erschien häufig bei Frau von Staël, aus dem nicht fernen Genf oft und öfter nach Coppet herüberkommend. Es war der Prinz August von Preußen. Trug Madame Recamier die Trauer um ihre Mutter, beweinte sie den Verlust ihrer glänzenden Stellung, so befand sich der Prinz. August in fast gleicher Lage. Das Schwarz seiner Kleidung galt seinem, am 6. October 1806 bei Saalfeld gefallenen, Bruder; der Gram seiner Mienen galt dem Sturze der preußischen Monarchie. So trugen Beide fast gleiches Leid. Und auch in äußerlicher Beziehung hatten sie viel Gemeinsames. Der Prinz und Madame Recamier waren beide von auffallender Schönheit, voll edler Empfindungen, voll stolzer Zurückweisung alles Niedrigen und Unehrenhaften.

Es war nur zu natürlich, daß der Prinz August, gleich seinem Bruder für Frauenschönheit leicht entzündlich, sich sterblich in Madame Recamier verliebte. Deshalb nahm er mit Begierde das Anerbieten der Frau von Staël an, sich die häufigen Reisen von Genf dadurch zu sparen, daß er ein ständiger Gast in Coppet werde. Winkte ihm doch jetzt die Aussicht, mit der schönen Julie von früh bis spät dieselbe Luft zu athmen.

Madame Recamier, deren Dasein so ganz von edler Freundschaft erfüllt ward, sollte auch einmal im Leben die höchste Beseligung desselben kennen lernen, nämlich die Liebe. Und der schöne, ritterliche, durch den Schmerz verklärte Prinz August war es, der ihr dies mächtige Gefühl einflößte. Wir müssen, um dem so leicht sich erhebenden Vorwurfe zu begegnen, daß Madame Recamier ein großes Unrecht beging, als verheirathete Frau für den preußischen Prinzen Liebe zu empfinden, hier ihr eheliches Verhältniß näher beleuchten. Ward ihre nur töchterliche Stellung zu ihrem Gatten richtig begriffen, so muß jeder Tadel augenblicklich verstummen.

Als Herr Recamier die schöne Julie in ihrem fünfzehnten Lebensjahre heirathete, während er fast dreimal so alt war, da hatte er sie vorzüglich gewählt, um sich ihres wunderreizenden Anblicks in steter Nähe erfreuen zu können. Eine heiße Liebesgluth loderte nicht für sie in seiner Brust, wie er denn, obgleich ein liebenswürdiger und stets heiterer Sohn des südlichen Frankreichs, nicht gerade von ausgeprägter Sinnlichkeit war. Dadurch, daß die verzehrendste Leidenschaft so wenig Gewalt über ihn hatte, bewahrte er sich bis in sein hohes Alter Gesundheit und ein gleichmäßiges Temperament. Der Sirocco der Leidenschaft dörrt die frischesten Säfte in dem kräftigsten Körper. Da nun Madame Recamier fast noch Kind war, als er sie heirathete, und sie überdies für ihn nicht das Höchste empfand, was es einem Weibe meist leicht macht, dem Manne das Höchste zu gewähren, so widerstrebte sie einem engern Zusammenleben mit ihrem Gatten, und dieser opferte ihren Bedenklichkeiten Wünsche, die er bei einem leidenschaftlicheren Temperamente nicht zu unterdrücken vermocht hätte. So war Madame Recamier, als sie den Prinzen August von Preußen kennen lernte, nach den Begriffen der katholischen Kirche gar keine verheirathete Frau, sondern noch Jungfrau. Man konnte es ihr mithin nicht zum Verbrechen anrechnen, wenn sie mit wonnigem Schauer unter den glühenden Blicken erzitterte, die der stolze und schlanke Hohenzoller auf sie warf, sei es, daß sie im Parke von Coppet neben ihm wandelte, sei es, daß sie am Abende im Salon auf Bitten der Frau von Staël die Harfe spielte und dabei mit ihrer süßen, wenngleich nur schwachen Stimme sanfte Lieder sang. Unter den vielen anziehenden Momenten in dem Dasein der Madame Recamier waren die im Schlosse Coppet mit dem Prinzen August verlebten Wochen sicher die am meisten poetischen.

Frau von Staël, welche die auflodernde Liebe des Prinzen auch mit weniger scharfem Auge bemerkt hätte, sowie die ihr lauter und lauter antwortende Stimme im Busen der Madame Recamier ebenfalls ihrem feinen Aufmerken nicht entging, Frau von Staël begünstigte das zwischen Beiden sich entspinnende Verhältniß auf alle Weise. Sie hatte ihre schöne Freundin immer nur als die Tochter eines so viel älteren Gatten betrachtet, und es erschien ihr deshalb durchaus als kein Unrecht, von zweien der schönsten Menschenkinder, die durch keine höheren Pflichten zurückgehalten wurden, unter ihren Augen einen Roman abspielen zu sehen. Ihre glänzende Beredtsamkeit, die allerdings einen mächtigen Bundesgenossen in der Liebe fand, die Madame Recamier für den ritterlichen Prinzen gefaßt hatte, bewirktes, daß ihre schöne Freundin und der stolze Hohenzollernsproß sich mit einander verlobten.

Jetzt schrieb Julie pflichtgemäß an ihren Gatten, von dem sie sich im Geiste losgesagt hatte, einen ausführlichen Brief, in dem sie ihm offen gestand, wie zum ersten Male im Leben das unbezwingliche Gefühl der Liebe ihren Busen erfülle, wie der Prinz August dies Gefühl theile, und wie sie hoffe, daß Herr Recamier, da er für sie stets ein nachsichtiger, väterlicher Freund gewesen, in eine Scheidung willigen und ihr so ein wahrhaftes Glück ermöglichen werde. Die Antwort des Herrn Recamier war eine sehr edle, seinem Charakter zum größten Lobe gereichende. Sie war eingegeben von väterlichem Wohlwollen, von der ruhigen Weisheit eines älteren Freundes, und doch durchzittert von der süßen, tiefen Empfindung, die naturgemäß in seiner Brust Platz gegriffen, nachdem er vierzehn Jahre hindurch mit einem so schönen und edlen Wesen unter demselben Dache geweilt hatte. Gleich auf der ersten Seite trat wieder seine unbeschreibliche Güte für sie hervor. Er wollte ihr Glück nicht hindern und einer Scheidung, wenn sie dieselbe entschieden begehre, nicht widerstreben. Nur sollte die Scheidung nicht in Paris vor sich gehen. Dann aber prüfte er mit großer Einsicht, ob sie das gehoffte Glück auch wirklich in der Verbindung mit dem preußischen Prinzen finden werde. Er erinnerte an ihre verschiedene Religion, an ihre verschiedene Nationalität, und an den Geburtsstolz, der in Deutschland so üppig wuchere. Ein Hohenzoller werde wahrscheinlich nicht davon frei sein. In Paris habe sie als Königin geherrscht, in Berlin werde sie von der Königsfamilie stolz und spröde empfangen werden, und sehe sich dort zu einer unbedeutenden Stellung herabgedrückt. Und dann, werde sie die kalte, langweilige Gesellschaft der Deutschen ertragen? Frau von Staël, obgleich in Deutschland überall mit Huldigungen empfangen, sei doch fast gestorben aus Sehnsucht nach den Pariser Salons. Wer bürge ihr ferner, daß die Liebe des Prinzen eine beständige sein werde? Zum Schlusse erinnerte Herr Recamier mit zarter Andeutung daran, wie sie eine Scheidung wol nimmer verlangt hätte, ja nicht hätte verlangen können, wenn er ihr zu Liebe nicht Wünsche geopfert, wozu sicher nicht viele Männer bereit gewesen. Genug, der Brief des Herrn Recamier appellirte zugleich an die Klugheit und an den Edelmuth seiner Gattin, und die Wirkung seiner Zeilen entsprach ihrem, in jeder Hinsicht ausgezeichneten, Inhalte.

Madame Recamier zog sich in die Einsamkeit zurück, um den Brief ihres Gatten, ungestört durch die Vorstellungen eines Dritten, auf sich wirken zu lassen. War ihre Liebe zu dem preußischen Prinzen auch eine so mächtige gewesen, daß sie alle, von ihr selbst erhobenen, Bedenken zum Schweigen gebracht hatte, so richteten sich doch jetzt, indem sie die ebenso würdigen, als zärtlichen Worte ihres Gatten überdachte, Edelmuth und Dankbarkeit, diese zwei Grundsäulen ihres Wesens, wieder empor, nachdem sie durch Amor mit leichtem Schnellen seines rosigen Fingers waren umgestürzt worden. Sie vergegenwärtigte sich die Liebenswürdigkeit und Güte, mit der Herr Recamier jeden ihrer Wünsche erfüllt, das stets bereitwillige Gehör, das er ihr bei ihren Verwendungen für Arme und Unglückliche geschenkt, das zarte Nachgeben, mit dem er auf seine männlichen Rechte verzichtet hatte; sie sah ihn jetzt vor sich, an der Schwelle des Greisenalters und beraubt seiner frühern so glänzenden Stellung, kurzum, ihr Herz wallte auf in Rührung und Opferdrang. Denn ach! sie liebte den preußischen Prinzen mit starker, gewaltiger Liebe, und sie mußte ringen unter Thränen im Gebete, um die Kraft zu finden, auf dem engen Pfade zu wandeln, reich an Dornen für die wunden Füße, aber auch reich an Balsam für das Herz, das allmälig gesundet im Bewußtsein treuer Pflichterfüllung. Madame Recamier fand bei ihrer eigenen großen Liebe und bei der glühenden Zuneigung des Prinzen nicht die Kraft, ihm ein Wort zu sagen, das allen seinen Hoffnungen ein Ende machte. Sie kehrte deshalb im Beginn des Winters nach Paris zurück, was durch die Rücksicht auf ihren Vater, der ja seit dem Januar Wittwer war, hinlänglich begründet wurde. Doch auch von Paris aus fand sie noch nicht den Muth, den Absagebrief zu schreiben. Der Prinz wurde indeß durch seinen Vetter und König nach Preußen zurückgerufen, um dort an dem Aufbau des durch die Schlacht von Jena zu Boden geworfenen Staates mitzuarbeiten. Madame Recamier hoffte, daß Zeit und Entfernung bei ihm die heiße Gluth der Liebe in die sanftere Zuneigung der Freundschaft umwandeln werde. Freilich waren seine Briefe nicht dazu angethan, sie in dieser Hoffnung zu bestärken. Sie waren durchlodert von dem Feuer der verzehrendsten Liebe. Er beschwor sie fast in jedem Briefe, ihres Eides eingedenk zu bleiben. Nur der Gedanke, daß sie nach glücklich überwundenen Schwierigkeiten die Seine werde, lasse ihn die Trennung ertragen und bewahre sein Leben vor Verzweiflung. Seine Liebesklagen waren so rührend, daß Madame Recamier nicht umhin konnte, ihm ihr Bildniß zu schicken. Aus einem Briefe vom 24. April 1808 ersehen wir, daß der Prinz, obgleich erst wenige Monate seit seiner Trennung von Madame Recamier verflossen waren, bereits dreißigmal an sie geschrieben hatte. Der einunddreißigste Brief enthält den Dank für das ihm gesandte Bildniß. Der Prinz schreibt:

»Ach, wie ungenügend weiß ich das Glück zu schildern, das mich Ihr letzter Brief empfinden ließ! Wie kann ich der Wonne Ausdruck geben, die mich durchrieselte, als ich Ihren Brief las und dann Ihr süßes Bild betrachtete! Ganze Stunden stehe ich vor diesem entzückenden Bilde, und ich male mir ein Glück aus, das alles übertrifft, was die Einbildungskraft Köstliches zu ersinnen vermag. Welch' menschliches Glück ist dem Hochgefühle zu vergleichen, von einem Wesen, wie Sie, geliebt zu werden!

Sie wissen durch meinen vorigen Brief, mit welcher Ungeduld ich Ihre Antwort erwarte, die über meine Abreise nach Aachen entscheiden wird.«

Wenn der Prinz dann im weiteren Verlaufe seines Briefes, sobald er von seinen feurigen Liebesversicherungen auf die kältere Gegenständlichkeit des Lebens übergeht, wenn der Prinz aus Furcht vor der französischen geheimen Polizei sich sehr vorsichtig ausdrückt, und den König von Preußen als seinen »Verwandten«, und die Königin Louise als dessen »Frau« bezeichnet, so war sein Verfahren von einer sehr begründeten Besorgniß eingegeben. Denn wie Napoleon in seinen Unterredungen auf St. Helena ganz unbedenklich seinen Getreuen eingestand, hatte seine geheime Polizei die meisten Briefe gelesen, die der Prinz August und Madame Recamier mit einander wechselten. In einem Briefe an seine schöne Freundin, oder, wie er damals glaubte, an seine Braut, nennt der Prinz den preußischen Staat »unser Handelshaus.« Als er der Madame Recamier anzeigt, daß der Freiherr von Hardenberg zum ersten Minister ernannt worden, meldet er diese Nachricht in folgender Fassung:

»Es haben sich einige vortheilhafte Veränderungen in unserm Geschäfte zugetragen; die Gunst des Geschicks ließ uns einen sehr tüchtigen ersten Commis finden; freilich erweckt dies erst entfernte Hoffnungen.«

Wir kehren jetzt zu dem einunddreißigsten Briefe des Prinzen zurück, in den wir diese nothwendigen Erklärungen einschalten mußten. Es heißt dort weiter:

»Ich kann nicht genug die schmeichelhafte Aufnahme rühmen, die ich bei meinem Verwandten und dessen Frau gefunden habe, sowie bei allen Freunden, die ich hier wiedersah. Nach einer Trennung von zwei Jahren, habe ich endlich meine Schwester wieder an's Herz gedrückt. Diese so süße und auch so traurige Vereinigung hat in uns die schmerzlichsten Erinnerungen wachgerufen. Häusliches Unglück war hinzugekommen, um die Trauer über das Vaterland noch zu erhöhen. Meine Schwester hat ein reizendes Töchterchen verloren; meine theilnehmende Freundschaft mindert in etwas ihr Leid; sie ist eine der liebenswürdigsten Frauen, die ich kenne, und ich bin sicher, daß sie Sie ganz so schätzen wird, wie Sie es verdienen. Leben Sie wohl, theure Julie. Die Aussicht, Sie wiederzusehen, macht mich unendlich glücklich.«

Doch der Prinz und Madame Recamier sollten sich nicht so bald wiedersehen. Bei der Rücksichtslosigkeit der napoleonischen Regierung konnte der Prinz sich nicht heimlich auf französisches Gebiet wagen, noch ließ es sich machen, daß Madame Recamier sich nach Carlsbad oder Teplitz begab, wozu sie mit den süßesten Lauten der Liebe aufgefordert ward. Der Prinz ward vor Sehnsucht zuletzt krank, und sein Zustand, als er die Röthel bekam, war nicht ohne Gefahr. Doch sollte er genesen, freilich ohne daß er sich seiner Wiederherstellung freuen konnte. Denn kaum war er vom Lager erstanden, so erhielt er von Madame Recamier einen Brief, der seine Seele mit Verzweiflung erfüllte. Bei reiferem Nachdenken hatte sich nämlich die ebenso kluge, als edle Französin überzeugt, daß eine Verbindung zwischen ihr und dem preußischen Prinzen für sie, aber namentlich für ihn, eine Quelle mannigfacher Demüthigungen und Kränkungen sein werde, die es zu einer friedlichen und glücklichen Ehe nicht würden kommen lassen. Sie benahm deshalb dem Prinzen in einem Briefe jegliche Hoffnung. Der Prinz antwortete sogleich, daß ihn der Blitz getroffen, als er ihren grausamen Entschluß gelesen. Doch erklärte er, sich bei diesem Bescheide nicht beruhigen zu wollen. Er verlangte eine Unterredung mit ihr, wo sie ihm Auge in's Auge sagen solle, daß sie von ihm zu lassen gedenke. Madame Recamier, obgleich vor der schmerzlichen Aufregung zurückbebend, die ihr die begehrte Unterredung unausbleiblich verursachen mußte, glaubte doch, dem Prinzen diese Bitte nicht abschlagen zu dürfen. Sie erklärte sich demnach bereit, mit ihm zur Zeit des Herbstes in Schaffhausen zusammenzutreffen. Der Prinz langte zur festgesetzten Zeit an dem verabredeten Orte an, fand aber Madame Recamier, der sein Herz voll Qual und Lust entgegenschlug, nicht vor, auch kein Schreiben, das ihr Nichteintreffen entschuldigte. Im tiefsten Herzen verwundet, schrieb der Prinz an Frau von Staël einen Brief, der in seine damalige Stimmung Einblick gewährt. Er äußerte in seinem ersten Unmuthe, wie er hoffe, daß diese Rücksichtslosigkeit ihn von seiner vierjährigen tollen Liebe geheilt haben werde. Doch kaum hörte er, daß Madame Recamier, treu ihrem Versprechen, nach Schaffhausen gekommen sein würde, hätte nicht ein Verbannungsbefehl Napoleons ihre freie Bewegung gehemmt, so schrieb er ihr den zärtlichsten Brief. Er beklagt, nicht zu ihr fliegen zu können. Wie möchte er so gern jeden Schmerz ihr tragen helfen! Dann bemerkt der Prinz, der sich in jenem, von Racine geschilderten, Zustande des Hippolyt befand:

» Mes seuls gémissemens font retentir les bois,
Et mes coursiers oisifs ont oublié ma voix,
«

der Prinz bemerkt, wie er sich bei der tiefen Trauer seines Innern nach Einsamkeit sehne. Er werde deshalb in's Berner Oberland und von dort in die Urcantone reisen.

Die Ehe zwischen Madame Recamier und dem Prinzen August von Preußen ward nicht geschlossen; nach menschlicher Voraussicht zu beiderseitigem Glücke. Der Prinz August von Preußen war übrigens der einzige Mann, den Madame Recamier voll und heiß geliebt hatte, während sonst die Leistungen ihrer Seele sich auf das Feld der Freundschaft beschränkten. Der Prinz liebte Madame Recamier bis zum Tode, und vor ihrem großen Bilde von Gerard, das annähernd ihren wunderbaren Liebreiz wiedergiebt, verbrachte er die weihevollsten Stunden seines Daseins. Im Jahre 1845 schrieb er an Madame Recamier drei Monate vor seinem Tode, von der Ahnung erfaßt, daß sich bald die Pforte der Ewigkeit vor ihm aufthun werde, noch folgende innige Worte: »Der Ring, den Sie mir schenkten, soll mich in's Grab begleiten.«

Die Liebe des ritterlichen preußischen Prinzen zu der schönsten und liebenswürdigsten Französin fordert die Poesie heraus. Die Vermählung von Kraft und Anmuth, das Ineinswirken der vorzüglichsten Potenzen zweier großen Culturvölker wäre unter günstigeren Umständen ein Hocherwünschtes gewesen.


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