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Jeder vereint getragene Kummer bewirkt ein neues und stärkeres Band der Gemeinsamkeit zwischen liebenden Herzen, und Bonvouloir hatte von ihrem Miterleben gerade so viel bewiesen als nötig war, um Heinrich zu warmer und offener Mitteilung zu veranlassen. Nicht tiefgründige Einsicht, nur volles Empfinden verlangt der Mann, und deshalb kann ihm auch das unwissende Weib genügen, wenn es nur fühlen kann, wie er fühlt. Bonvouloirs Teilnahme war ehrlich und stark, ihr ging es wie ihm um das Höchste und Wichtigste, und sie äußerte dies in unschuldigem Zorn auf Herrn von Lescure und den wilden Charette oder in gleich unschuldigen Deutungen des Schicksals, das durch bittere Lehren die wahrhaft Berufenen an ihren rechten Platz bringen will. Für sie gab es nun nur noch einen Führer der Vendée, und das war Herr von Larochejacquelein! Was für süße Spitzfindigkeiten standen ihr zu Gebot, um dies zu beweisen! Heinrich lächelte zuerst über sie, dann rührte ihn ihr Glaube, dann ergriff ihn die Erkenntnis, daß ihre Liebe zu ihm mehr war, als Zug des Herzens zum Herzen: daß sie in ihm den Erfüller eines Gottesgebotes sah und in sich selbst das demütige Werkzeug zu dieser Erfüllung.
Das Paar wohnte jetzt in la Durbelière, dem Landsitze der Familie Larochejacquelein im Anjou. Zwar hatten republikanische Truppen auch dort gesengt, aber das gewaltige Schloß hatte sich nicht niederbrennen lassen, es waren beträchtliche Teile erhalten geblieben und Zimmer genug für ein bescheidenes Liebespaar vorhanden. Heinrichs Eltern und seine älteren Brüder lebten unter den Emigranten in Koblenz das Leben solcher, die mit einer vollen Vergütung rechneten, unfähig, den Wandel der Zeit zu begreifen; nur Heinrich hatte das Land nicht verlassen wollen, dessen Wohl ihm mehr am Herzen lag als sein eigenes Geschick. Nun spielte er fröhlich den Herrn über das verlassene Gut, und Bonvouloir diente ihm auch hier mit ihren geschickten kleinen Frauenhänden und ihrer unermüdlichen Emsigkeit. Freilich waren die Tage dieses holden Zusammenlebens spärlich bemessen, denn die zweite Augusthälfte und gar der September waren von den erbittertsten Kämpfen erfüllt und Larochejacquelein oft lange Zeit unterwegs. Kehrte er aber heim, so empfing ihn so viel Frohsinn, so viel Vertrauen, so viel Andacht und Ernst für die Sache und solch unvergleichlich reizende Zärtlichkeit, daß er nie anders als mit glühender Sehnsucht den Weg nach seiner Heimat reiten, nie anders als mit freudezitterndem Herzen die Schwelle des alten Hauses überschreiten konnte, auf der, immer gleich schön und liebebereit, Bonvouloir erwartend stand.
Unendlich verworren sind die Nachrichten über jene Kampftage, und weder aus Bonvouloirs Überlieferungen noch aus den Memoiren der Frau von Lescure, noch aus denen des republikanischen Offiziers Savary konnte ich je ein ganz klares Bild über den Verlauf des Krieges gewinnen. Sicher ist, daß von beiden Seiten mit der äußersten Anspannung gearbeitet wurde. Die Republik hatte den tüchtigsten Soldaten, über den sie je verfügte, den Oberst Kleber, als obersten Befehlshaber nach dem Lande des Aufruhrs geschickt, und dieser gebot über zwei Schützenregimenter, die bereits einen ruhmvollen Namen besaßen, die Kasseler Jäger und die Mainzer, welch letzteres Regiment seinen Namen einem wohlbekannten Siege über die Besatzung der Stadt Mainz verdankte. Gerade solche Truppen waren in dem Kleinkrieg zwischen Busch und Fels vonnöten. Kleber langte Anfang September in Saumur an, um sich von dort nach Nantes zu begeben; die Aufständischen, von dieser Absicht unterrichtet, suchten ihm den Weg zu sperren, er aber, seine Gewandtheit in unwegsamen Gebieten bekundend, umging sie geschickt und erreichte sein Ziel. Am 7. September sahen die Heere des Herrn von Bonchamps, im Walde versteckt, auf den Wiesen jenseits der Loire die Aufstellung gewaltiger Truppenkörper; denn Kleber hatte sich mit Canclaux vereinigt und ließ die geschlossenen Armeen vor sich paradieren. Nicht die Zahl, sondern die wunderbare Beweglichkeit und genaue Einordnung dieser Massen, die, wie von unsichtbaren Fäden geleitet, die schönsten Figuren vollzogen, ließ die lauschenden Bauern sehr kleinlaut nach Hause gehen.
Die Herren der Vendée kämpften jetzt wieder jeder für sich in ihrem Provinzlein, Bonchamps an den Ufern der Loire, Larochejacquelein im Anjou, Lescure im westlichen Poitou und Herr von Royrand in Oie. Herr d'Elbée war nach Cathelineaus Tode zum Generalissimus gewählt worden, ohne daß er im wesentlichen von dieser Würde Gebrauch machte; mehr Wort und Stimme hatte um seines hohen Blutes willen ein Prinz von Talmont, nicht zum Segen der Sache. Immerhin erwies sich der Bandenkrieg, der nun wieder in seiner alten Weise geführt wurde, als vorteilhaft, auch gegen die berühmten Jägerregimenter. Er kostete wenig Menschenleben, vermochte andererseits den Feind, besonders in den Städten, schwer zu schädigen und hielt die Bauern in einem fortwährenden Feuer der Begeisterung; denn sie folgten hierbei uralten Geboten ihres Blutes, wilden Instinkten, aus längst vergangenen Zeiten vererbt, und konnten ihre erstaunliche Fertigkeit im Schießen, das ihres Lebens Lust und Wonne war, nach Herzenslust betätigen.
Es gelang den Aufständischen, Klebers Plan, von Sables, Brest und Rochelle aus in weitem Umgriff die Horden einzukreisen, einige Male sehr glücklich zu vereiteln. Am 17. September wurde General Santerre bei Coron, am 19. General Duhour bei Beaulieu geschlagen, und am gleichen Tage erfochten Lescure, Charette und Bonchamps vereint jenen berühmten Sieg bei Torfou, der den Mainzern zur ersten Niederlage werden sollte. Die Bauern erbeuteten die ganze Artillerie der feindlichen Truppe und eine beträchtliche Menge von Lebensmitteln, die freudig begrüßt wurden, freudiger als jede andere Beute: denn die ungeernteten Felder, die verbrannten Mühlen und Magazine übten mittlerweile schon ihre gerechte Rache an den Kriegführenden auf beiden Seiten. Da um diese Zeit durch einen unbegreiflichen Befehl des Generals Rosignol auch die Brestarmee in ziemliche Bedrängnis geriet, so erließ Kleber von der Stadt – nicht dem Lescureschen Gute! – Clisson aus eine Proklamation, in der er Amnestie verhieß, wenn die Aufständischen sich ergeben wollten. Der Oberste Rat tat seine Pflicht: er las einer Abordnung von Bauern, die von einem jüngeren Bruder Cathelineaus geführt wurde, die Proklamation vor. Sei es aber nun, daß ein falsches Ehrgefühl die Männer verhinderte, Verzeihung anzunehmen, wo sie sich allein zu verzeihen befugt glaubten, sei es, daß der einmal gestachelte Kampfgeist sich noch nicht erschöpft hatte, sie lehnten nach kurzem Besinnen die Amnestie ab und schwuren, den Krieg bis zu ihren letzten Kräften weiterzuführen. Am 21. September schlugen Lescure und Charette noch den General Beysser bei Montaigu und trieben die Mainzer nach Nantes zurück. Zwei Tage später zerrieben sie die Sablesdivision unter ihrem General Mieskowsky und bewirkten dadurch, daß Canclaux abberufen und durch den alten L'Echelles ersetzt wurde. Damit hatten sie aber ihres Glückes Füllhorn erschöpft: denn nun bekam Kleber völlig freie Hand, und nun konnte sich sein weiser, klar gestaltender und weitsehender Feldherrngeist ungehemmt auswirken.
Frau von Lescure mit Mutter und Tochter hielt sich während dieser ganzen Zeit auf dem Meierhofe la Boulaye auf, der von Châtillon wie von Cholet leicht zu erreichen und doch weit ab von der Heerstraße im stillen Grunde eines breiten Wiesentales lag. Sie sah ihren Gatten oft, weilte auch tagelang in Châtillon und arbeitete als Schriftführerin bei den häufigen Sitzungen des Obersten Rates.
Heinrichs Name wird während dieser Kämpfe wenig genannt. Saß er zu viel in la Durbelière? Mied er die großen Unternehmungen, weil er, ganz in der Denkweise seiner Bauern lebend, den kleinen bessere Wirksamkeit zutraute? Ich weiß es nicht. Er hielt sein Anjou in ziemlicher Sauberkeit von republikanischen Truppen, war gefürchtet und gemieden von den Vorhuten und kleineren Posten und hatte vielleicht das Glück, niemals in die Berechnungslinie eines großen Armeemarsches zu fallen. Sein Krieg war, wie die Anfänge des Aufstandes gewesen waren: ein rasches Auftauchen, ein glückliches Überrumpeln des Gegners, der nicht zu zahlreich und zu wohl verschanzt sein durfte, ein plötzliches Verschwinden, wenn ein Gegenschlag drohte. Bei dieser Kampfweise gab es fast nur Siege, und jede Heimkehr war getragen von übermütigem Kraftgefühl, von knabenhaftem Jauchzen, in das Bonvouloir einstimmte wie ein fröhlicher Kamerad. Jede Heimkehr war auch mit Beute gesegnet. Nicht Heinrich, aber die Bauern schleppten neben Lebensmitteln und Waffen auch alles mit, was sie an ziervollen und ansehnlichen Gegenständen fanden, und legten das Schönste davon ihrer Gebieterin zu Füßen, die sie als eine Art munteren kleinen Schutzgeistes und glückbringenden Elfenwesens verehrten.
Waren diese Geschenke auch wenig kostbar und ging ihr Wert selten über den eines seidenen Leibchens, eines hübschen Fächers, eines silbergerahmten Spiegels oder eines Schleiertuches hinaus, so betrachtete doch Herr von Larochejacquelein diese zarten Huldigungen mit sehr finsteren Blicken. Er hatte sich so lange und so heiß bemüht, die Bauern vom Plündern abzuhalten, hatte ihnen die verderbliche Wirkung der gelösten Ordnung so eindringlich vor Augen geführt – und sah sie nun das Verbotene tun mit einer vergnügten Selbstverständlichkeit, als ob es nie anders gewesen wäre. Schlimmer noch, sie wiesen alle Vorstellungen in dieser Sache mit den Mienen solcher Leute zurück, denen man nutzlose Kindereien zumuten wollte. Nicht plündern? Da die Leute des Herrn von Charette es durften, warum nicht auch sie? Nicht plündern? Dem Feinde die schöne Beute überlassen, damit er auch noch glauben müsse, man habe es so eilig gehabt mit dem Ausrücken? Nicht nehmen, was sonst vielleicht in Brand und Verfall untergehen würde? Allons donc! So junge Generäle haben manchmal sonderbare Vorstellungen!
Bonvouloir bemerkte tiefen Verdruß auf der jungen Stirne ihres Gebieters, und ihrer leisen und klugen Zärtlichkeit gelang es, sein Herz zu erschließen, daß er ihr sein Leid und seine Besorgnis klagte über die zunehmende Verrohung der Bauern. »Keine Lehre,« sagte er, »ist so unheilvoll schnell wirksam wie die, daß Töten, Rauben und Zerstören ein Verdienst sei, ja, daß der liebe Gott noch seinen besonderen Segen dazu geben müsse, wenn es mit rechter Gründlichkeit zur Schädigung des Feindes und zur Ehre einer guten Sache geschieht. Wir haben es nun glücklich dahin gebracht, daß diese Bauern, die man noch vor einem halben Jahre unbewacht neben einem Haufen Goldes hätte schlafen lassen können, die gerissensten Diebe und Mordbrenner geworden sind und obendrein noch vor ihren Schandtaten höchst inbrünstig beten. Was wird geschehen, wenn wir den Krieg auch gewinnen? Wir werden Galgen, nichts als Galgen im Lande bauen müssen, wenn wir unseres Besitzes froh bleiben wollen. Denn eine solche Gewohnheit vergißt sich nicht mehr.«
Bonvouloir ließ den Kopf hängen. Sie trug betrübt ihre kleinen Schätze zusammen, legte sie in ein entferntes Gemach und schmückte sich nicht mehr. Heinrich sah es, sah auch, daß es sie etwas kostete, und lohnte ihr das Opfer mit verdoppelter Zärtlichkeit. Immer wieder gab dies liebe Geschöpf ihm zu erkennen, daß sie die Sache über alle eigenen Wünsche zu stellen wußte, und seine Liebe zu dem seltenen Wesen ward ernster und achtungsvoller. Es gab unter den Offizieren sowohl auf königlicher wie auf republikanischer Seite so manchen, der nicht mit gleicher Willigkeit auf ein schönes Beutestück verzichtet hätte. Und Bonvouloir hatte es ohne Befehl getan, nur im Verstehen von Heinrichs Führerwillen, nur in Rücksicht auf seine soldatische Ehre! »Bonvouloir,« sagte er voll Rührung zu ihr, »wenn du ein Mann wärest, ich würde dich zum Offizier machen!«
Heinrichs Befürchtungen waren nur zu wohl begründet. Der Bauer hatte gelernt, dem Besserwissen und der unbedingten Macht seiner Herren zu mißtrauen, hatte Widerspruch und Durchsetzen seiner eigenen Ansicht gelernt, hatte endlich gelernt, daß da, wo dies dem einzelnen nicht gelang, ein Zusammenschließen von mehreren den Erfolg hatte, die Herren zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Was fehlte noch an der schönsten Republik? »Wir kämpfen,« gestand Heinrich wieder einmal seiner zärtlichen Freundin, »wir kämpfen gegen die Grundsätze der Jakobiner und ziehen sie dabei in unseren eigenen Kämpfern groß. Die Leute wissen jetzt, daß wir ohne sie nicht fertig werden könnten, daß sie uns die Autorität erstreiten mußten, die wir später wieder über sie ausüben werden, und sie fangen bereits an, den Schluß zu ziehen, daß es bei ihnen stehe, ob sie sich dieser Autorität dann noch beugen wollen oder nicht. Wir haben durch diesen Krieg das, was wir aufhalten wollten, nur befördert. Nie wieder werden wir so ganz und unbestritten Herren unseres Landes sein, wie wir es vorher waren.«
Das waren freilich Worte, die Bonvouloir erschütterten, und daß Heinrich sie sprach, der Held von Bressuire – oh! wie weit lag dies jetzt zurück! – der einstige ›Heilige des Anjou‹ und Abgott seiner Bauern, das war ein Umsturz in ihrer ganzen Auffassung, mit dem sie kaum fertig wurde. Dennoch fühlte sie, daß sie schnell, schnell etwas sagen mußte, um ihren traurigen Gebieter wieder froh zu machen, und ihr liebendes, kleines Frauenherz gab ihr Worte der Sorglosigkeit für ihn ein: »Ach, Heinrich! laß uns tun, was wir für richtig halten! Wie die Dinge später werden, das ist nicht unsere Sache!« Heinrich gestand, daß er selbst nicht mehr wisse, was er für richtig halte. Sollte er die Bauern mit Strenge behandeln und Gefahr laufen, ihre Gefolgschaft zu verlieren? Sollte er die Augen schließen und die Unzucht auf allen Wegen wuchern lassen? Sie fingen jetzt auch schon an, Weiber mit sich herumzuschleppen, die nichts weniger als Bauernfrauen und nichts weniger als ehrbar waren, und wenn Bonvouloir die Beute aus Seidenlagern oder aus den Ankleidestuben reicher Bürgerinnen verschmähte – jene hatten keine Bedenken, sich damit zu brüsten!
Bonvouloir riet zur Strenge. »Denn,« sagte sie, »Gottes Gebot ist immer das erste und höchste Gebot, und Er hat Stehlen ausdrücklich verboten. Es kann also gar kein Zweifel sein, wie du handeln mußt. Ich glaube auch nicht, daß du dir damit das Herz der Bauern verscherzest. Sie sind vielleicht nur eben verwildert und finden sich zurück, wenn man ihnen gründlich ins Gewissen redet.« Darüber hatte nun allerdings Heinrich seine besonderen Erfahrungen. Aber er sagte sich, dieser Engelsstimme zu gehorchen, könne immerhin einmal versucht werden, und bei der nächsten Unternehmung, die in einen Raubzug allerschönster Art auszuarten drohte, warf er sich entschlossen den Bauern in den Weg, verbot ihnen das Plündern und schrie ihnen ihre Zuchtlosigkeit ins Gesicht, daß es nur so donnerte.
Er kam schön an! Die Bauern hörten ihn zwar, von Erstaunen gefesselt, bis zu Ende an, dann aber kehrten sie den Spieß um und erklärten, von einem Führer, der selbst in wilder Ehe mit einem Bürgerkinde lebe, keinerlei Lehren annehmen zu wollen. Und sie schrien diesen trefflichen Einwand so oft und so eindringlich in Heinrichs betäubte Ohren, daß er Zeit hatte, zu sich zu kommen und sich eine Antwort zurechtzulegen, die einzige, die in diesem Falle möglich war und die sie auch sofort in andächtigem Schweigen erstarren ließ: »Bonvouloir ist meine Braut und soll Marquise von Larochejacquelein werden, sobald ich die Einwilligung meiner Eltern habe.«
Niemals hatte Herr von Larochejacquelein auch nur im entferntesten daran gedacht, die kleine Bonvouloir zu seiner Frau zu machen, aber als er die Worte sprach, die in diesem Augenblicke sein Ansehen retten mußten, war ihm, als habe sich ihm plötzlich eine Türe aufgetan in ein entzückendes Gärtchen voll von roten Rosen. Er begriff gar nicht, daß er sich den holden Besitz nicht schon längst durch die festesten Bande gesichert hatte, und während seine Augen vor Freude strahlten, rief er mit ganz verändertem Tone in die Schar der befangenen Bauern hinein: »Und übrigens, wenn ihr mir nicht glauben solltet, so bin ich bereit, auch gleich morgen schon die Hochzeit zu halten, oder wann es sich am schnellsten fügen läßt. Ihr dürft alle nach der Durbelière kommen und der Frau Marquise den Fuß küssen.«
Für diesmal kam der republikanische Flecken, den die Aufständischen eben ›erobert‹ hatten, wirklich ganz ohne Plünderung weg, denn die Bauern, von der Aussicht auf eine Hochzeit trunken, hatten so viel zu tun, ihrem Feldherrn die Hand zu küssen und schöne Worte über ihre zukünftige Herrin zu reden, daß sie sich ruhig hinwegführen ließen. Heinrich mußte auf dem Wege immer still vor sich hinlachen, wenn er sich Bonvouloirs Gesicht vorstellte, der er den erstaunlichen Erfolg ihres guten Rates recht ausführlich berichten wollte. Nein, bei Gott, das war eine Fügung, die die gütige und weise Hand beinahe sehen ließ, die sie vollzogen hatte! Alles hatte so geschehen müssen, wie es geschah, damit er, Larochejacquelein, die größte Schlafmütze des Jahrhunderts, endlich aufwachen und sein Glück ergreifen konnte!
Bonvouloir indessen war mehr erschrocken als erfreut bei dieser unerwarteten Nachricht. Sie eine Marquise? Sie dachte voll Bangen an hochgestöckeltes Schuhwerk und enge Schnürleibchen, an Verbeugungen, Körper- und Kopfwendungen schwieriger Art, und ward erst zufriedengestellt, als Heinrich ihr mit bindenden Eiden versprach, daß er sie nie, nie an den Hof führen würde. Auch daß Frau von Lescure sehr böse auf Heinrich sein würde, ängstigte sie beträchtlich. Aber Heinrich war plötzlich zum Manne geworden. »Ich liebe dich,« sagte er, »ich weiß jetzt, daß ich nicht ohne dich sein kann, und ich werde dich halten, meinetwegen gegen zehn Frauen von Lescure und gegen den König selbst. Sieh, wie lieblich endigt alles, was du in deine gesegneten kleinen Hände nimmst! Du Gottesgabe! Du Glücksbringerin! Sei Marquise oder sei es nicht, wie es dir gefällt! Aber sei mein Weib und verlasse mich nie, im Leben nicht und nicht im Tode!« Und er küßte alles, was Bonvouloir noch einwenden mochte, gewaltig und verzehrend nieder.