Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebzehntes Kapitel

Etwas über irische Snobs

You do not, to be sure, imagine – Sie glauben doch wohl selbst nicht, daß es in Irland wirklich nur Snobs jener liebenswürdigen Sorte gibt, die keinen anderen Wunsch haben, als aus Eisenbahnschienen Piken zu schmieden (übrigens ein schöner Zug irischer Sparsamkeit), um damit den sächsischen Eindringlingen die Kehlen abzuschneiden. Diese Art gehört zu den Giftkröten; hätten sie bereits zu Zeiten des heiligen Patrick ihr Wesen getrieben, so würde er sie damals schon mit den anderen Giftschlangen aus dem Königreich verbannt haben.

Ich glaube, bei den Vier Meistern oder bei Olaus Magnus, sonst aber sicherlich in O'Neill Daunts Katechismus der irischen Geschichte, kann man lesen, daß, als Richard der Zweite nach Irland kam, ihm die irischen Häuptlinge – jene einfachen Geschöpfe – huldigten, indem sie auf die Knie fielen und den König und seine Hofschranzen anbeteten und bewunderten. Da hätten, so wird berichtet, die englischen Edelleute sich darüber amüsiert und ihre ungeschlachten irischen Bewunderer verhöhnt, ihre Sprache und Bewegungen nachgemacht, sie an ihren armen alten Bärten gezupft und über den seltsamen Schnitt ihrer Gewänder gelacht. Bis auf den heutigen Tag ist das die Art des auf der Höhe stehenden englischen Snobs geblieben. Es gibt wohl kaum einen Snob, der eine so unbezähmbare Selbstüberhebung zur Schau trägt, der dich wie alle Welt verspottet und der alle Mitmenschen mit Ausnahme seiner Verwandtschaft – vielmehr alle Gesellschaftsklassen mit Ausnahme seiner eigenen – auf eine so unleidliche, wunderbare und törichte Weise verachtet. »Gwosser Gatt!«, was für Histörchen über die »Iwen« mögen diese jungen Gecken aus dem Gefolge König Richards bei ihrer Rückkehr in Pall Mall auf der Terrasse von White bei der Zigarre ihren Freunden zum besten gegeben haben.

Das irische Snobtum dokumentiert sich nicht so sehr durch Stolz als durch Servilität, gemeine Bewunderungssucht und durch geistlose Nachahmung dessen, was seine Umgebung tut. Ich wundere mich wirklich darüber, daß de Tocqueville und de Beaumont und der Herausgeber der »Times« das Snobtum Irlands noch nicht im Gegensatz zu dem unseren beleuchtet haben. Das unsrige ist das der normannischen Ritter Richards – hochmütig, roh, dumm und vollkommen eingebildet –, ihres dagegen ist das armer, bewundernder, kniender, anbetender Häuptlinge. Sie liegen vor der englischen Feinheit noch immer im Staube, diese einfachen, wilden Völkerschaften, und es ist wirklich schwer, bei einigen ihrer naiven Darbietungen ernst zu bleiben.

Als vor einigen Jahren ein gewisser großer Redner Lord Mayor von Dublin war, pflegte er einen roten Rock und einen aufgekrempten Hut zu tragen. Über den Glanz seiner Erscheinung war er ebenso entzückt, wie es die Königin Quasheeneaboo nicht mehr über einen neuen Nasenring oder über eine Glasperlenkette für ihre braunen Reize hätte sein können. In diesem Anzüge pflegte er Besuche zu machen, und bei Versammlungen, selbst wenn sie Hunderte von Meilen weit entfernt stattfanden, trug er ebenfalls den roten Sammetrock. Nach den Zurufen der Menge »Yes, me lard« und »No, me lard« und den spaltenlangen Berichten in den Zeitungen zu schließen, scheinen das Volk sowohl wie er von diesem Talmiglanz gleich hingerissen gewesen zu sein. Talmipracht herrscht tatsächlich in ganz Irland und kann als Charakteristikum des Snobtums in diesem Lande betrachtet werden.

Wenn sich die Krämersfrau Mrs. Mulholligan in Kingstown zur Ruhe setzt, so läßt sie über die Tür ihres Hauses »Villa Mulholligan« hinmalen, und sie empfängt Sie an einer Tür, die nicht schließt, oder gafft Ihnen aus einem Fenster nach, an dem ein alter Unterrock die Stelle der Scheiben vertritt.

Niemand wird bekennen, daß das Ding, welches er sein eigen nennt, ein Laden sei, mag es auch noch so schäbig und trostlos aussehen. Ein Bursche, dessen Warenlager aus einer Groschensemmel oder aus einem Scherben mit Naschwerk besteht, nennt seine Bude »Amerikanisches Mehllager« oder »Niederlage für Kolonialprodukte« oder so ähnlich.

Gasthäuser gibt es in diesem Lande nicht, Hotels dagegen, die so gut ausgestattet sind wie die Villa Mulholligan, im Überfluß; auch Wirte und Wirtinnen sucht man vergebens. Der Wirt ist mit den Hunden auf der Jagd, und die gnädige Wirtin unterhält sich im Empfangszimmer mit dem Kapitän oder spielt Klavier.

Wenn ein Gentleman seiner Familie eine Rente von 100 Pfund Sterling jährlich hinterläßt, so werden aus allen Mitgliedern Gentlemen, alle halten sich einen Klepper, reiten hinter Hunden her, protzen im »Phaynix«-Park und lassen sich Kinnbärte wie so manche echte Aristokraten stehen.

Ein Freund von mir ist Maler, lebt aber nicht in Irland, weil man ihn dort so behandelt, als ob er durch die Wahl seines Berufes seine Familie diskreditiert hätte. Dabei ist sein Vater Weinhändler und sein ältester Bruder Apotheker.

Die Zahl derjenigen Leute, die man in London und auf dem Kontinent trifft und die in Irland einen Besitz haben, der ihnen die nette Kleinigkeit von 2500 Pfund Sterling jährlich abwirft, ist enorm; die Masse derer aber, die neuntausend Pfund Grundrente einmal nach dem Tode jemandes zu erwarten haben, ist noch weit größer. Ich selbst habe so viele Abkömmlinge von irischen Königen kennengelernt, daß man daraus eine Brigade formieren könnte. Wer aber hätte noch nicht einen Iren getroffen, der den Engländer imitiert, der sein Vaterland und seinen Dialekt zu verleugnen oder wenigstens den heimatlichen Tonfall zu ersticken sich bemüht? »Komm, iß mit mir, mein Junge«, sagt O'Dowd aus O'Dowdstown, »Du wirst Dich hier ganz unter uns Engländern finden.« Und das sagt er in seinem irischen Jargon, der so breit ist wie der Weg von hier zum Kingstown-Pier. Und haben Sie noch nie die Erzählung von Frau Kapitän Macmanus über »J––ar––land« und ihren Bericht über ihres »Vavters Riwterguwt« gehört?

Nur wenigen Leuten auf der Welt ist es vergönnt gewesen, nichts von diesen Hibernischen Phänomenen gehört noch sie in Betätigung ihres Talmiglanzes gesehen zu haben.

Und was sagen Sie zu dem Gipfel der Geselligkeit – dem Schloß – mit einem Scheinkönig und Scheinlords, die dort Dienst tun, und Scheinloyalität und einem Schein-Harun-al-Raschid, der in einer Scheinverkleidung ausgeht, um glauben zu machen, er wäre leutselig und prachtliebend? Dieses Schloß ist der Gipfel und der Stolz des Snobtums. Ein Hofbericht mit einem Artikel von zwei Druckspalten über die Taufe eines kleinen Kindes ist übel genug – nun stelle man sich aber ein Volk vor, das für einen Scheinhofbericht schwärmt!

Das Scheinwesen Irlands halte ich für schimpflicher als das irgendeines anderen Landes. Ein Bursche zeigt dir einen Hügel mit den Worten: »Das ist der höchste Berg von ganz Irland«; oder ein Herr erzählt, dir, er sei der Nachkomme von Brian Boroo und hätte seine 3500 Pfund Sterling jährlich zu verzehren; oder Mrs. Macmanus beschreibt ihres »Vavters Riwterguwt«, oder der alte Dan versteigt sich zu der Behauptung, die irischen Frauen seien die lieblichsten, die irischen Männer die tapfersten und das irische Land sei das fruchtbarste der ganzen Welt. Und keiner glaubt auch nur irgendein Wort davon, der Erzähler glaubt seine Geschichte ebensowenig wie der Hörer. Aber sie reden es sich ein und geben dem Humbug Ehre.

O Irland, du mein Vaterland (denn ich zweifle kaum daran, daß auch ich von Brian Boroo abstamme), wann wirst du zugeben, daß zwei und zwei vier sind, ein Pikenstiel ein Pikenstiel ist? Mache den einzig richtigen Gebrauch davon! Dann werden die irischen Snobs dahinschwinden, und wir werden nie mehr etwas von erblichen Rentenempfängern hören.


 << zurück weiter >>