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Elftes Kapitel

Über Geistliche Snobs

Nach den militärischen Snobs kommen einem ganz unwillkürlich zunächst geistliche Snobs in den Sinn, und bei allem schuldigen Respekt für ihr Gewand haben selbstverständlich die Wahrheit, Menschlichkeit und das britische Publikum Interesse daran, daß solch eine große und einflußreiche Kaste bei unseren Betrachtungen über die Welt der Snobs nicht ausgelassen werden darf.

Unter den Geistlichen gibt es Vertreter, deren Zugehörigkeit zum Snobtum unzweifelhaft feststeht, die aber dennoch nicht in den Rahmen unserer Untersuchung gezogen werden können; aus demselben Grunde, aus dem der »Punch« seinen Guckkasten nicht in eine Kathedrale mit Rücksicht auf den Gottesdienst darin stellt. An gewissen Stellen muß er sich eben geräuschlos verhalten, seinen Guckkasten wegstellen, seine Alarmtrommel schweigen lassen, den Hut abnehmen und sich friedlich benehmen.

Das eine weiß ich: wenn einige Geistliche einmal einen Fehltritt tun, so sind gleich tausend Zeitungen bei der Hand, welche diese Unglücksmenschen an die Öffentlichkeit ziehen und pfui, pfui über sie rufen. Obwohl nun die Presse stets bereit ist, ein lärmendes Geschrei zu erheben und für irregeleitete, straffällige Pastoren die Ausstoßung aus dem Stande zu fordern, nimmt sie dennoch kaum mit einer Zeile Notiz von den vielen guten Handlungen der zehntausend ehrbaren Leute, die ein christliches Leben führen, die reichlich den Armen geben, die strenge Selbstverleugnung üben und in ihrer Pflicht leben und sterben. Mein lieber Freund und Leser, ich wünsche, wir beide könnten dasselbe von uns sagen. Und nun gestatten Sie mir, Ihnen meine Meinung im Vertrauen zuzuflüstern: Unter all diesen hervorragenden Moralpredigern, die so laut gegen die Pastoren schreien, befinden sich nicht viele, die ihre Kenntnis von der Kirche durch häufigen Besuch erworben haben.

Aber ihr, so ihr je den dörflichen Kirchenglocken gelauscht habt oder am sonnigen Sabbatmorgen als Kinder zur Kirche gegangen seid, ihr, die ihr je eine Pastorenfrau am Bett eines Armen oder den Stadtpfarrer die beschmutzten Stufen übelriechender Gassen in Erfüllung seines heiligen Geschäftes beschreiten gesehen habt, werft nicht einen Stein, wenn einer von ihnen strauchelt, und heult nicht mit dem Pöbel hinter ihnen her!

Das kann jeder. Als der alte Erzvater Noah berauscht war, machte sich nur einer seiner Söhne über sein Mißgeschick lustig, und es soll nicht der bravste gerade von seiner Familie gewesen sein. Gehen wir still beiseite, anstatt ein Hallo zu erheben, wie es eine Bande Schulbuben tut, aus deren Mitte sich plötzlich ein junger großer Rebell erhebt und seinen Schullehrer zu ohrfeigen sich unterfängt.

Ich gestehe aber, daß, falls ich die Namen der sieben oder acht irischen Bischöfe behalten hätte, deren letztwilliger Verfügung voriges Jahr in den Zeitungen Erwähnung getan wurde und von denen jeder bei seinem Tode wohl 200 000 Pfund hinterlassen hat, ich sie gerne gewissermaßen als Schutzpatrone für meine geistlichen Snobs hingestellt haben würde. Ich würde mir ein Vergnügen daraus gemacht haben, an ihnen so erfolgreich herumzuoperieren, wie nach einer Zeitungsnotiz es der Hühneraugenoperateur Eisenberg kürzlich bei Seiner Hochehrwürdigen Gnaden, dem Bischof von Tapioca, vollführte.

Und ich gestehe, daß, wenn diese hochwürdigen Prälaten mit ihren Testamenten in der Hand an die Pforten des Paradieses kommen, da denke ich, daß ich ihre Aussichten ... Aber es ist ein weiter Weg, um ihren Lordschaften bis an die Pforten des Paradieses zu folgen, so wollen wir also wieder niederwärts steigen, damit nicht auch an uns ärgerliche Fragen über unsere eigenen Lieblingslaster gestellt werden.

Und laßt uns nicht in das Allerweltsvorurteil verfallen, daß die Geistlichen überbezahlt und eine Luxuseinrichtung für die Menschheit seien. Der hervorragendste Asket, der verstorbene Sydney Smith (nebenbei bemerkt, aus welchem Naturgesetz heraus ist es zu erklären, daß so viele Smiths in der Welt Sydney Smith heißen?), lobte das System hoher Gehälter in der Kirche, ohne welches, wie er sagte, Gentlemen nicht würden bewogen werden können, den geistlichen Beruf zu erwählen. Er fügte noch sehr pathetisch hinzu, daß die Geistlichkeit im allgemeinen keinesfalls wegen ihrer weltlichen Güter beneidet werden könnte. Aus der Lektüre der Werke einiger neuerer Schriftsteller müßte man entnehmen, daß das Leben eines Pastors damit ausgefüllt würde, sich den Leib mit Plumpudding und Portwein zu füllen, und daß die dicken Backen Seiner Hochwürden stets fettig wären von der Schwarte seiner ihm als Zehnten zukommenden Ferkel. Die Karikaturisten ergötzen sich daran, ihn so darzustellen: rund, kurzhalsig, mit rotem Gesicht, zu Schlagfluß neigend, mit einem Wanst, der wie eine Blutwurst aus der Weste quillt, mit schaufelförmigem Hut und so recht wie ein unrasierter Silenus anzusehen. Wenn man ihn sich aber in der Wirklichkeit betrachtet, so sind die Fleischtöpfe des armen Tropfes nur sehr knapp mit Fleisch gefüllt. Für gewöhnlich arbeitet er für einen Lohn, den ein Schneiderobergeselle verachten würde. Dazu werden derartige Ansprüche an sein trauriges Einkommen gestellt, daß die meisten Philosophen murren würden, wenn ihnen ähnliches zugemutet würde. Manche Abgaben werden seiner Tasche – wohlgemerkt gerade von denjenigen auferlegt, die ihm die Mittel zu seinem Lebensunterhalt nicht gönnen. Er muß mit dem Gutsherrn speisen, seine Frau muß adrett angezogen gehen, er muß, wie man sagt, »wie ein Gentleman aussehen« und seine sechs großen, hungrigen Söhne dazu erziehen. Hierzu kommen, wenn er seine Pflicht erfüllen will, so viele Versuchungen, sein Geld auszugeben, wie es bei keinem Sterblichen sonst der Fall ist. Ja, kann man denn widerstehen, eine Kiste Zigarren sich zu Gemüte zu führen, wenn sie so gut sind, oder eine Stutzuhr aus Goldbronze bei Howell und James zu kaufen, weil es eine so billige Gelegenheit ist, oder eine Loge in der Oper zu nehmen, wenn Lablache und Grisi so göttlich in den »Puritanern« sind? Dann denkt daran, wie schwer es erst für einen Pastor sein muß, zu widerstehen, eine halbe Krone dafür auszugeben, wenn in der Familie von John Breakstone kein Brot im Hause ist, oder eine Flasche Portwein zu verweigern, wenn die arme Polly Rabbits ihr dreizehntes Kind bekommen hat, oder den Stoff dem kleinen Bob Scarecrow zu versagen, dessen Hosen zerrissen sind. Ihr Brüder, Moralprediger und Philosophen, denkt an diese Versuchung, und dann urteilt nicht mehr zu hart über die Pastoren!

Aber was ist das? Anstatt die Pfarrer ordentlich vorzunehmen, bin ich im Gegenteil nachsichtig und ergehe mich in weinerlichen Lobeserhebungen über dieses monströse, schwarzröckige Geschlecht? Oh, seliger Franziskus, den schon lange der Rasen deckt, oh, Jimmy und Johnny und Willy, ihr Freunde meiner Jugend. Oh, du edler und teurer alter Elias! Wie sollte jemand, der euch kennt, euch und euren Beruf nicht achten! Nie soll ich mit dieser Feder mir je wieder einen Pfennig erwerben, wenn ich damit etwas schreibe, was euch lächerlich zu machen geeignet ist.


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