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Fünftes Kapitel

Die Bewunderungssucht der Snobs

Nun wollen wir einmal den Nachweis zu erbringen suchen, wie schwer es selbst für große Männer ist, dem Schicksal eines Snobs zu entgehen. Der Leser, der sich in seinem Empfinden verletzt fühlt, weil Könige, Prinzen und Lords Snobs sein sollen, kann leicht sagen: »Sie, der Sie zugestandenermaßen selbst ein Snob sind, Sie, der Sie Ihren Beruf darin suchen, Snobs zu schildern, geben uns nur ein verzerrtes Spiegelbild Ihres eigenen Ichs mit einer an Narcissus erinnernden Eitelkeit und Albernheit.« Ich verzeihe aber meinem ausdauernden Leser gern diesen Ausfluß einer üblen Laune, die ich geneigt bin, auf seine Herkunft und sein Vaterland zu schieben. Ist es doch vielleicht für jeden Briten in gewissem Sinne ein Ding der Unmöglichkeit, nicht ein Snob zu sein. Wenn unser Volk davon überzeugt werden könnte, wäre schon sehr viel gewonnen. Jedenfalls habe ich die Symptome der Krankheit entwickelt und hoffe nun, daß die Männer der Wissenschaft sich Mühe geben werden, das richtige Heilmittel dagegen zu ergründen.

Wenn Sie, der Sie dem Mittelstande angehören, ein Snob sind, Sie, dem niemand sonderlich schmeichelt und der keine Speichellecker um sich hat, Sie, dem keine kriechenden Lakaien und dienernden Ladenjünglinge die Tür halten, Sie, dem der Polizist befehlen darf weiterzugehen, Sie, der Sie sich im Gedränge der Welt und unter Snobs, unseren Mitbrüdern, herumstoßen müssen, gerade Sie sollten darüber nachdenken, um wieviel schwerer es für jemanden ist, der nicht die erwähnten Vorteile genießt und der sein ganzes Leben hindurch Gegenstand der Schmeichelei, dieser Quelle aller Niedrigkeit, ist, dem Snobtum zu entgehen. Berücksichtigen Sie auch, wie schwer es für den Abgott aller Snobs sein muß, nicht selbst ein Snob zu werden.

Während ich noch zu meinem Freunde Eugenio in dieser eindringlichen Weise sprach, ging Lord Buckram, der Sohn des Marquis von Bagwig, an uns vorüber und klingelte an der Tür seines väterlichen Palais am Red Lion Square. Sein erhabener Herr Vater und seine Frau Mutter bekleideten, wie jedermann weiß, die hervorragendsten Hofämter bei dem verewigten Königspaare. Der Marquis war Lord der Speisekammer und die Marquise Oberhofbewahrerin der Puderbüchse bei der Königin Charlotte. Buck (so nenne ich ihn, weil wir sehr intim sind) nickte mir im Vorbeigehen zu, und ich fuhr fort, Eugenio zu erklären, wieso es für diesen Edelmann unmöglich wäre, nicht auch so zu werden wie wir, weil er eben sein ganzes Leben in Behandlung von Snobs gewesen wäre.

Seine Eltern hatten beschlossen, ihn außerhalb des Hauses erziehen zu lassen, und so kam er schon als kleiner Knabe zur Schule. Herr Otto Rose, Hochwürden, Doktor der Theologie und Philosophie, Vorsteher eines Alumnates für junge Adlige und Söhne aus besten Häusern in Richmond Lodge, nahm sich des jungen Lords ganz besonders an und weihte ihm seine hündische Verehrung. Stets stellte er ihn den Eltern, die ihre Kinder in der Anstalt besuchten, vor, und voller Stolz und Genugtuung erzählte er den vornehmsten Herrschaften, daß der Marquis von Bagwig einer der besten Freunde und Gönner seiner Anstalt sei. Mit soviel Erfolg benutzte er Lord Buckram als Lockvogel, daß ein neuer Flügel für die vielen neuen Zöglinge in Richmond Lodge angebaut werden mußte und fünfunddreißig kleine, weißüberzogene Betten neu aufgestellt werden mußten. Mrs. Rose pflegte den kleinen Lord in ihrem Einspänner auf Besuch mitzunehmen, so daß die Frau des Pfarrers und die des Arztes fast vor Neid starben. Als man seinen eigenen Sohn und Lord Buckram einmal beim Äpfelstehlen ertappte, prügelte der Doktor sein eigenes Fleisch und Blut unbarmherzig durch, weil es den jungen Lord dazu verführt hätte. Als dann der Trennungstag kam, schied er in Tränen von ihm. Wenn er danach Besuche empfing, so war auf dem Schreibtisch des Doktors stets ein an den Marquis von Bagwig adressierter Brief zu sehen.

Später in Eton wurde zwar aus Lord Buckram ein gut Teil Snobtum wieder herausgeprügelt, da er in voller Unparteilichkeit die Rute zu kosten bekam. Indessen auch hierher folgte ihm eine Bande auserlesen hündischer Seelen. Ein junger Krösus lieh ihm dreiundzwanzig funkelnagelneue Sovereigns, die aus der Bank seines Vaters stammten. Der junge Snaily machte ihm seine Exerzitien und versuchte, sein Intimus zu werden, dafür wurde er aber von Young Bull in einer Keilerei von fünfundfünfzig Minuten Dauer elend verhauen und auch sonst später noch einige Male mit großem Erfolge unter dem Motto, »Herrn Smiths«, seines Stubenältesten, Stiefel nicht gründlich genug geputzt zu haben. Knaben sind gottlob in ihres Lebens Morgen noch nicht durchweg Snobs.

Dafür umschmeichelten ihn aber auf der Universität Speichellecker in großer Zahl. Die Lehrer beweihräucherten ihn, und seine Kommilitonen machten vor ihm ihre ungeschlachten Diener. Der Dekan bemerkte es niemals, wenn er die Kirche schwänzte, und überhörte auch jeden Lärm, der aus seinem Zimmer drang. Eine Anzahl achtbarer junger Leute (in der edlen Baker Street-Klasse ist das Snobtum mehr in Flor als in irgendeiner anderen Gesellschaftsschicht Englands) saugten sich an ihm wie die Blutegel fest. Die bei dem jungen Krösus angelegten Pumpereien nahmen kein Ende, und Buckram konnte nie mit seinen Hunden zur Jagd reiten, ohne daß Snaily, obwohl von Hause aus ängstlich, mitritt und jeden Sprung, den sein Freund ausführte, mitzumachen suchte. Auch der junge Rose kam auf dieselbe Hochschule, zu welchem Zweck er von seinem Vater eigens künstlich zurückgehalten worden war. Er verschwendete einen Quartalswechsel, nur um dem jungen Buckram zu Ehren ein Diner geben zu können, wußte er doch, daß er für eine Ausschreitung aus diesem Grunde Verzeihung finden würde und er nur in seinen Briefen nach Haus den Namen Buckram zu erwähnen brauchte, um als Antwort darauf eine Zehnpfundnote zu bekommen.

Ich weiß nicht, welchen kühnen Träumen sich Mrs. Podge und Miß Podge, die Frau und Tochter des College-Direktors, in bezug auf Buckram hingegeben haben mögen, aber der ehrwürdige alte Herr war von Hause aus eine zu große Bedientenseele, um nur eine Minute daran zu denken, daß sein Kind einen Edelmann heiraten könnte, weshalb er mit Eifer die Verbindung seiner Tochter mit Professor Crab betrieb.

Als Lord Buckram, nachdem er einen akademischen Grad honoris causa erhalten hatte (denn die Alma mater ist ebenfalls ein Snob und rutscht vor einem Lord auf den Knien wie alle übrigen), also, als Lord Buckram zum Abschluß seiner Ausbildung ins Ausland ging, war er bekanntlich ständig in Gefahr, als gute Partie eingefangen zu werden. Lady Leach und ihre Töchter folgten ihm von Paris nach Rom und von Rom nach Baden-Baden; Miß Leggitt brach in seiner Gegenwart in Tränen aus, als er seinen Beschluß, Neapel zu verlassen, ankündigte, und fiel am Halse ihrer Mutter in Ohnmacht. Kapitän Macdragon aus Macdragonstown in der Grafschaft Tipperary suchte ihn auf, damit er ihm erklären solle, welche Absichten er in bezug auf seine Schwester, Miß Amalia Macdragon aus Macdragonstown, habe, und trug ihm. an, ihn niederzuschießen, wenn er dieses makellose und schöne Geschöpf, welches später von Mr. Muff aus Cheltenham zum Altar geführt wurde, nicht heiraten würde.

Wenn Beharrlichkeit und 40 000 Pfund bar ihn hätten locken können, so wäre sicherlich Miß Lydia Krösus Mrs. Buckram geworden. Graf Towrowsky wäre, wie die ganze vornehme Welt weiß, froh gewesen, wenn er sie mit halb soviel Geld hätte kriegen können.

Und nun wird der Leser gewiß begierig sein zu erfahren, wie der Mann beschaffen war, der so manches Damenherz, brach und der der ausgesprochene Liebling so vieler Männer gewesen ist.

Wenn ich ihn beschreiben sollte, so würde ich persönlich werden müssen, und das ist der »Punch« grundsätzlich nie. Übrigens tut es gar nichts zur Sache, wie er aussieht und wie seine persönlichen Eigenschaften sind.

Angenommen, er wäre ein junger Edelmann mit literarischen Neigungen und die von ihm verfaßten Bücher wären töricht und schwach, so würden doch die Snobs Tausende von Exemplaren erstehen, und die Verleger, welche meine Passionsblumen und mein großes Epos um keinen Preis annehmen wollten, würden ihm zahlen, was er verlangte. Angenommen, er wäre ein ausgelassener Edelmann und hätte eine Vorliebe dafür, Türklingeln abzureißen, Schnapskneipen zu besuchen und Polizisten halbtot zu prügeln, so wird dennoch das Publikum seine Streiche belachen und sagen, im Grunde genommen ist er doch ein famoser Kerl. Angenommen, er spielte und wettete gern, versuchte hin und wieder zu betrügen und im Kartenspiel Bauernfängerei zu treiben, so würde ihm das Publikum dennoch verzeihen, und viele ehrbare Leute würden ihm weiter den Hof machen, wie sie es auch bei einem Einbrecher tun würden, wenn dieser ein Lord wäre. Angenommen, er wäre ein Dummkopf, so ist er dank unserer glorreichen Verfassung doch gut genug dafür, uns zu regieren. Angenommen, er wäre ein rechtschaffener und begabter Mann, um so besser für ihn. Aber selbst wenn er ein Esel wäre, so würde er dennoch geachtet werden, oder ein Raufbold, gleichwohl wäre er äußerst beliebt, oder gar ein Schurke, so wird man ihn doch in Schutz nehmen und ihn gern haben. Ebenso werden ihn die Snobs anbeten. Männliche Snobs werden ihn ehren und weibliche werden ihn freundlich ansehen, so verabscheuungswürdig er auch sein mag.


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