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36.

Verloren und gefunden.

Durch den Wald schlängelte sich ein Bach, der zu breit war, als daß ein Pferd darüber wegsetzen konnte, wenn dies nicht das sumpfige, mit Schilf bewachsene Ufer an sich schon unmöglich gemacht hätte. Schnell trug er sein schmutziges Wasser dem Süden zu, an mächtigen Bäumen vorüber, wie sie in Amerika zu finden sind.

An den Wurzeln solch eines Waldriesen festgebunden lag ein Boot im Bach, darin saß ein junger Neger und war damit beschäftigt, zwischen den Wurzeln eine Falle aus Stricken und Zweigen aufzustellen.

Sein Gesicht zeigte einen gutmütigen, stupiden Ausdruck, die dicken Lippen waren zu einem ständigen Lachen verzerrt, als machte ihm seine Arbeit ganz ungeheures Vergnügen.

Außer einer baumwollenen Hose und einem Strohhut mit einem fast einen halben Meter breiten Rande trug er kein Kleidungsstück.

Da knackte es im Gebüsch. Der Neger blickte auf und brach in ein schallendes Gelächter aus. Er sah neben dem Baum am Ufer auf einem schaumbedeckten Pferde einen Reiter halten, dessen Aussehen die leicht erregbare Lachlust des Schwarzen erweckte.

»Hohoho, Massa,« brüllte er aus vollem Halse, » good morning, Massa, how do you do »Guten Morgen, wie geht es Ihnen?«

»Danke, mein Bursche, so leidlich,« war die Antwort; »schöner Morgen heute, nicht?«

»Schön für die Hunde, aber nicht für mich,« lachte der Schwarze.

»Wieso?«

»Dachte, meine Fallen wären alle voll, aber keine Ratte hat sich darin gefangen.«

»Ihr fangt Ratten?«

»Hohoho, Ratten? Waschbaren will Ben fangen, aber die Luder sind verdammt schlau.«

»Das sind sie.«

»Hört, Ihr habt wohl Eure Haare vom Kopfe weggeschwitzt?«

»Nein, ich lasse mir nicht nur das Gesicht, sondern auch den Kopf rasieren. Das ist jetzt die neueste Mode. Weißt du das noch nicht?«

Der Schwarze legte sich hintenüber und lachte, daß ihm die Tränen über die Nacken liefen.

»Schöne Mode das, wahrhaftig, das muß ich meiner Chloë erzählen. Aber woher in aller Welt habt Ihr denn nur diese furchtbar dicken Hände?«

»Ich war früher Ziegelstreicher, das ist harte Arbeit.«

»Habt Ihr da auch mit dem Gesicht gestrichen?«

»Warum?«

»Weil das auch so furchtbar geschwollen ist.«

»Ich habe Zahnschmerzen.«

»Zahnschmerzen? Hohoho, habe niemals Zahnschmerzen gehabt.«

»Dann bist du zu beneiden. Und die Schuhe drücken mich auch, daß ich aus der Haut fahren möchte.«

»So zieht sie doch aus!«

»Wollte ich auch hier tun.«

»Wohin wollt Ihr?«

»Nach Mister Rickerts Farm.«

»Das ist noch ein weiter Weg für den, der Zahnschmerzen hat und den die Schuhe drücken, das heißt für einen Fußgänger sieben bis acht Meilen sicherlich.«

»Und wundgeritten habe ich mich auch, ich möchte vor Schmerzen laut brüllen.«

»O je, Ihr seid ja ein richtiges Schmerzenskind.«

»Wie heißt du?«

»Ben.«

»Und fängst Waschbären?«

»Ja, das heißt, wenn ich Zeit habe, sonst fälle ich für gewöhnlich Holz.«

»Verdienst schönes Geld damit, heh?«

»Jawohl, kaum so viel, daß meine Chloë für mich und unsere acht Würmer satt zu essen kochen kann.«

»Frau und acht Kinder, das ist allerdings hart.«

»Verdammt hart,« bestätigte der Neger, lachte aber dabei, als erzähle er etwas Fröhliches.

»Wohnst du stromab oder stromauf?«

»Stromauf steht mein Haus, muß dann das Boot schleppen, die Strömung ist stark. Warum?«

»Ich fragte nur so.«

Der Reiter schien zu überlegen.

»Soll ich Euch übersetzen? Dann braucht Ihr Euch nicht naß zu machen, der Bach ist tief. Möchte gern was verdienen, wenn Ihr zahlen könnt, aber schließlich tue ich es auch umsonst.«

»Hm, du willst etwas verdienen?« meinte der Reiter nach einigem Zögern.

»Am liebsten tausend Dollar,« lachte Ben.

»Willst du dir etwas verdienen?« fragte der Reiter. – »Am liebsten tausend Dollar,« lachte der Schwarze.

»So viel kann ich dir nun freilich nicht geben, habe selbst nicht so viel, aber anständig will ich dich doch für eine Gefälligkeit bezahlen.«

»Für welche?«

»Erst will ich ins Boot kommen; dann besprechen wir das weitere.«

Der Reiter sprang vom Pferde, sank aber mit einem Schmerzensschrei zusammen.

»O – au – ah, die verdammten Schuhe, wie die drücken.«

Er machte Miene, sie auszuziehen, ohne dabei den Zügel des Pferdes loszulassen.

»Nicht am Ufer,« warnte der Neger, »im Schilfe sind oft Schlangen.

»Alle Teufel,« rief der Weiße, der kein anderer als Eduard Flexan war, trat schnell ins Boot und zog das Pferd ins Wasser hinein; das Tier, erhitzt und anscheinend sehr müde, war mit dem erfrischenden Bade einverstanden, es verhielt sich ganz ruhig.

Flexan fiel mit einem Schmerzensschrei auf den Boden des schwankenden Fahrzeuges nieder.

»Verdammt! Au! Nun reiße mir erst einmal die Schuhe von den Füßen, oder ich fahre aus der Haut. Ich muß das Pferd festhalten.«

Der grinsende Schwarze war ihm behilflich.

»Ein paar Staatsdinger,« lachte er, »Jesus Christus, Maria und Joseph, was habt ihr für merkwürdig große Füße. Habt ihr die auch vom Ziegelstreichen?«

»Nein, aber vom Lehmtreten. Nun höre, Bursche, wie du dir einen Dollar verdienen kannst. Ich habe mich so wundgeritten, daß ich mich nicht mehr rühren mag. Kannst du reiten?«

»Das wollte ich meinen,« war die selbstbewußte Antwort.

»So setze dich auf diesen Gaul, reite nach Rickerts Farm und gib ihn mit einem schönen Gruß von mir ab. Willst du das, Freund?«

Der Schwarze zögerte.

»Hm, Ihr habt das Pferd doch nicht gestohlen?«

»Dummkopf,« lachte Flexan, »Rickert ist mein Freund, er hat mir das Pferd geliehen. Stiehlt man etwa ein Pferd und liefert es dann ab?«

Der Neger kratzte sich grinsend hinter den Ohren, er sah die Richtigkeit dieser Bemerkung ein.

»Ich gebe dir ein Zettelchen mit,« fuhr Flexan fort, Bleistift und Notizbuch aus der Tasche nehmend.

»Hm, einen Dollar wollt Ihr mir geben?«

»Ja.«

»Und Ihr seid Ziegelstreicher?«

»Gewesen. Ich habe eine Tongrube gefunden und mein Glück gemacht. Glaubst du etwa, Mister Rickert hat einen Ziegelstreicher zum Freunde oder leiht ihm etwa ein Pferd wie dieses?«

Flexans Pferd war ein sehr schönes Tier, es hatte schon des Negers Verwunderung erregt.

»Da habt Ihr wieder recht, ich bin und bleibe eben ein Esel, wie meine Chloë zehnmal an jedem gesegneten Tage behauptet. Aber, Massa, das ist ein weiter Ritt, eine Stunde habe ich sicher hin, eine andere zurück. Da ist ein Dollar etwas wenig, könntet schon noch eine Kleinigkeit hinzufügen.«

Der Neger hatte des Weißen Schuhe in die Hand genommen, prüfte sie sorgfältig unten und oben und schien Lust zu haben, sie an seine eigenen, ganz respektablen Füße zu probieren.

Flexan merkte es; der Neger kam seinem Wunsche zuvor, aber er hütete sich, des Schwarzen Argwohn zu erregen.

»Ich gebe dir noch einen zweiten Dollar – puh, das will gar nicht zusammenpassen.

»Drei Dollar.«

»Reicht nicht.«

»Ich habe nicht mehr bei mir.«

»Tut mir leid, dann könnt Ihr selber reiten.«

Flexan machte ein klägliches Gesicht und berührte mit der Hand die wundgerittenen Stellen.

»Willst du meine Jacke an Zahlungsstatt annehmen?« fragte er.

Verächtlich musterte der Schwarze die abgetragene Jacke, sein Blick kehrte zu den Stiefeln zurück.

»Ben braucht keine Jacke, aber – aber ...«

»Aber was?«

»Euch drücken diese Schuhe?«

»Ganz entsetzlich.«

»Ob sie mir wohl passen?«

»Probiere sie mal an!«

Im Nu saßen die Schuhe an Bens Füßen, und er stampfte lachend im Fahrzeuge herum, daß es fast umzuschlagen drohte.

»Sie passen, Hurra, sie passen,« brüllte er aus Leibeskräften. »Die ersten Schuhe, die ich je an meine blutigen Füße gekriegt habe, und sie passen gleich! Ist das nicht wunderbar, Massa?«

»Sehr wunderbar.«

»Und euch drücken sie?«

»Drücken? Sie peinigen mich, als säßen meine Füße im Stock.«

Ueber des Schwarzen Gesicht huschte ein schlauer Zug.

»Euch drücken sie, und mir passen sie. Wie wär's, wenn Ihr mir Eure Schuhe gäbt? Dann reite ich Euer Pferd nach Rickerts Farm, aber einen Dollar muß ich extra haben, damit ich einen Schluck trinken kann. Es ist höllisch heiß, ich glaube, wir bekommen Gewitter.«

»Topp,« rief Flexan, »die Sache ist abgemacht. Hier ist der Zettel, dort steht das Pferd. Setze dich darauf und gib dem Gaul meine Stiefelabsätze zu fühlen. Ich wollte mir sowieso andere Schuhe kaufen.«

Der Schwarze ließ Dollar und Zettel in die Hosentasche verschwinden, sein Gesicht strahlte vor Vergnügen.

»Nun müssen wir erst das Boot nach meiner Hütte bringen.«

»Unsinn, ich bleibe hier liegen.«

»Kommt zu meiner Frau, sie soll Euch etwas vorsetzen, Maiskuchen und Speck.«

»Maiskuchen und Speck liebe ich nicht, ebensowenig Frauen; und wenn deine Chloë auch die schönste von allen wäre, ich bleibe lieber hier im Boot und warte auf dich. Weißt du, ich geniere mich vor Frauen etwas wegen meiner Schönheit, ich bin zu verführerisch.«

Ben hielt sich den Bauch vor Lachen; einen häßlicheren und komischeren Mann, als diesen, hatte er noch nie gesehen.

»Na, meinetwegen macht's, wie Ihr wollt,« sagte er endlich, »legt Euch schlafen, wenn Euch die Moskitos schlafen lassen.«

»Der Rauch meiner Pfeife soll sie schon vertreiben.«

»Wie wollt Ihr denn nachher weiterkommen? Barfuß durch den Wald zu laufen ist wohl für einen Schwarzen eine Kleinigkeit, aber nicht für einen Massa.«

»Ich warte eben auf dich, und du bringst mich in diesem Boote nach der nächsten Farm am Bache, wo ich mir Schuhwerk verschaffen werde oder doch ein Stück Leder, um es um die Füße zu wickeln.«

»Die nächste Farm liegt zwei Meilen stromab.«

»Bringst du mich für einen Dollar dorthin?«

»Natürlich.«

»Dann reite los!«

» All right, in zwei Stunden bin ich zurück.«

Ben wollte aufs Pferd steigen, doch Flexan hielt ihn davon zurück.

»Wir wollen mit dem Boote erst ans andere Ufer fahren, dann brauchst du dich nicht naß zu machen.«

»Hoho,« lachte der Schwarze, »das macht mir keinen Schaden, meine Hose trocknet in fünf Minuten, und von meiner Haut läuft das Wasser ab.«

»Es ist aber bequemer, auch könnte das Boot umschlagen, was mir nicht gerade angenehm wäre.«

Flexan mußte es sehr viel darauf ankommen, den Neger erst drüben aufsteigen zu lassen, doch schon saß dieser mit einem kecken Sprunge auf dem Rücken des Pferdes, nahm die Zügel und lenkte es durch das Wasser.

Mit zusammengekniffenen Lippen schaute Flexan zu, wie das Tier das Ufer gewann, wo die Hufe tief in den weichen Boden einsanken. Plötzlich leuchteten seine Augen auf.

»He, Ben!« rief er.

»Was gibt's?« fragte der Neger, ohne den Kopf nach dem Ufer zu wenden.

»Du mußt den Sattelgurt erst fester anziehen.«

»Ist nicht nötig, der Sattel sitzt fest.«

»Der Gaul hat vorhin viel gesoffen, in fünf Minuten schlottert der Sattel hin und her.«

»Teufel, das geht freilich nicht, da heißt es eben, noch einmal abgesessen.«

Der Neger sprang ab, die Stiefel gruben sich tief in den Boden ein, und der Gurt wurde so fest gezogen, daß dem Tiere fast die Luft ausging.

»So, das wird genügen,« meinte Ben, wieder aufsteigend. »In zwei Stunden bin ich zurück, laßt Euch die Zeit nicht lang werden.«

»In zwei Stunden wirst du dein Boot nicht mehr hier finden, Narr,« murmelte Flexan, als der Neger davonsprengte, »wenn man dich während dieser Zeit nicht als Pferdedieb festnimmt und aufhängt; ich aber bin nun so gut wie in Sicherheit. Zwei Stunden, hah, wo kann ich dann schon sein!«

Mit Schadenfreude betrachtete er die tiefen Abdrücke, welche seine Schuhe an des Negers Füßen auf dem jenseitigen Ufer hinterlassen hatten.

»Hüben und drüben ganz dieselben Spuren, der schlaueste Indianer muß irregeführt werden. Wahrhaftig, diesmal wird dem Nick Sharp eine lange Nase gedreht. Flexan, du hast ein Meisterstückchen gemacht. Habe mich zwar seit gestern nachmittag schon ganz wacker gehalten und bin diesem verfluchten Detektiven einige Male geschickt ausgewichen, obgleich er manchmal ganz dicht auf meinen Hacken saß, aber endlich kommt er doch hinter meine Schliche und Kniffe. Na, jetzt sitzt er ganz sicher auf einer falschen Spur, und Flexan wird er wohl nie wieder zu sehen bekommen.«

Er löste das Boot von den Wurzeln, setzte sich zurecht und ergriff das Schaufelruder. Blitzschnell schoß das leichte Fahrzeug den reißenden Bach hinab, Flexan gebrauchte dennoch das Ruder, und zwar so geschickt, daß er jede Biegung glücklich überwand. Bäume und Büsche huschten wie Schatten an ihm vorüber, kein Reiter konnte in diesem Walde mit ihm gleichen Schritt halten.

So fuhr er mehrere Stunden hinab, alle seine Aufmerksamkeit dem gefährlichen Wasserwege widmend, nur ab und zu einen Blick zum Himmel sendend, wo sich schwere, drohende Wolken zusammenballten.

»Es gibt ein Gewitter, jedenfalls einen gewaltigen Regenguß,« murmelte Flexan, »schade, wenn er meine so schlau angelegte, falsche Spur verwischen sollte. Doch nein, laß es regnen, als ob die Erde wegschwimmen wollte, um so sicherer bin ich vor Verfolgung.«

Der Bach machte eine große Biegung, der Ruderer mußte alle seine Kunst aufbieten, um sein Boot in den Wirbeln vor dem Umschlagen zu schützen, bis es mit der Schnelligkeit eines Pfeiles wieder davonschoß.

Zu beiden Seiten des Baches standen Büsche, die Zweige wie eine Laube über das Wasser wölbend.

Plötzlich schlug in der Ferne ein Hund an, Flexan zuckte erschreckt zusammen.

»Da ist er, der Schuft, der Pferdedieb, fangt ihn,« schrie eine Stimme.

Die Büsche brachen, Zweige knackten, als brächen mehrere Männer durch das Unterholz, und eine Meute Hunde heulte wild auf.

Das galt ihm, Flexan. Er hatte gestern, nachdem er seinen Vater verlassen, ein Pferd von einer benachbarten Weide gestohlen, weil er sich gescheut, ein Reittier zu kaufen und so seine leicht erkennbare Gestalt zu zeigen.

Cow-boys oder Farmer hatten Bluthunde auf seine Spur gehetzt; wußte er sich nicht durch List zu retten, so war sein Leben verloren, die Bluthunde rissen ihn in Stücke, Pferdediebe sind in Amerika vogelfrei, sie zu töten ist kein Mord.

Die Rufe ertönten von rechts, schnell lenkte Flexan sein Boot dicht an das linke Ufer und fuhr unter dem Schutze der dichten Zweige dahin. Dann fiel ihm mit einem Male ein, daß die Bluthunde doch gar nicht seine Spur hätten finden können, er befand sich ja schon stundenlang auf dem Wasser. Aber immerhin, vielleicht waren sie durch Zufall wieder auf seine Spur geraten. Sein böses Gewissen stempelte ihn zum Schuldigen.

Er sah die Verfolger nicht, also konnte auch er nicht gesehen werden.

»Fangt ihn, den Pferdedieb!« erklang es von neuem.

Das Boot huschte am Rande des Baches dahin, immer unter dem Schutze der Zweige. Flexan arbeitete mit dem Ruder wie ein Wahnsinniger, er entwickelte alle ihm innewohnende, bedeutende Kraft, die Muskeln waren zum Springen geschwellt.

Die Zweige hingen immer tiefer herab, sie streiften fast schon das Boot, und Flexan mußte sich weit vornüberbeugen, um unter ihnen wegzuschlüpfen. Sie sollten ihm zum Fallstrick werden.

Eben machte er einen gewaltigen Ruderschlag, schon klang das Lärmen entfernter, da fühlte er sich plötzlich im Genick gepackt; blitzschnell schoß das Boot davon, unter ihm weg, und Flexan lag im Wasser, wurde aber von einem unsichtbaren Etwas festgehalten.

Im ersten Schrecken verhielt sich Flexan bewegungslos, er fühlte, wie sein Rock nach oben gezerrt wurde und überzeugte sich dann, daß ein hakenartiger Ast seinen Rock durchbohrt hatte. Er wollte sich befreien, es gelang ihm nicht.

»Laßt euch nicht täuschen, er will uns glauben machen, er wäre ans Land gelangen, er liegt aber am Boden des Bootes,« schrie eine Stimme.

Ah, das war Hoffnung! Das Boot trieb mit der Strömung weiter, seine Verfolger wähnten ihn noch darin.

Doch Flexan sollte sich nicht lange freuen.

»Nein, er ist nicht mehr darin, ich kann es von hier aus sehen,« rief eine andere Stimme, »Er hat sich im Gebüsch versteckt, wahrscheinlich sitzt er auf einem Baumast. Ruft die Hunde zurück, untersucht die Gebüsche!«

Jetzt begann Flexan wie ein Verzweifelter zu arbeiten, er mußte von dem Aste freikommen, er suchte nach dem Messer, um den Rockzipfel abzuschneiden, fand es aber nicht. Wie ein gefangener Biber plätscherte er im Wasser.

Halt, noch gab es ein Mittel, um sich zu befreien, doch gleich mußte es gebraucht werden, denn schon klang das Geschrei der Verfolger wieder näher.

Flexan riß die wenigen Knöpfe der Jacke auf, sein Körper sank tiefer, er tauchte unter, die Arme schlüpften aus den Aermeln, er tauchte wieder auf und war frei.

Mochte die Jacke hängen bleiben und gefunden werden, nur fort, fort. Er fürchtete sich nicht vor den Bluthunden, er verstand die Kunst, sie irrezuleiten, ja sogar, sie sich vom Leibe zu halten.

Mit zwei Stößen war er am Ufer. Vom Dickicht verborgen, kletterte er hinauf, und mit mächtigen Sätzen sprang der Flüchtling durch den Wald, weder von den Verfolgern, noch von den Bluthunden vorläufig entdeckt. –

Die Luft war still, wenigstens unten auf der Erde, in den oberen Regionen dagegen mußte es anders zugehen, denn schwarze Wolken jagten am Himmel einher, wie bizarre Felsmassen anzusehen. Diese ungleiche Beschaffenheit der Atmosphäre ließ darauf schließen, daß bald ein Orkan oder ein gewaltiger Regenguß, vielleicht ein Wolkenbruch die Gegend heimsuchen würde.

Ab und zu kam die Sonne zum Vorschein und sandte ihre Strahlen mit sengender Glut herab. Alle Tiere des Waldes ahnten eine Katastrophe, sie hielten sich versteckt, so daß die Sonne sie nicht sehen konnte, mit Ausnahme eines Wesens, welches recht gemütlich, lang ausgestreckt auf einer kleinen Blöße lag.

Es war ein Mensch, und er mußte einen tiefen Schlaf halten, denn weder weckten ihn die stechenden Sonnenstrahlen, die ihm direkt in das graubärtige, verwitterte Gesicht schienen, noch hatte er gemerkt, wie vor etwa einer Stunde an ihm eine wilde Jagd von Hunden und Reitern vorbeigebraust war.

Wenn nicht schon seine ganze Kleidung den Cow-boy verraten, die pfundschweren Silbersporen und die neben ihm liegende dreifingerdicke Reitpeitsche aus zusammengeflochtenen Lederstreifen hätten dies sicher getan.

War denn der Mann tot, daß er für die Vorgänge um ihn herum keine Empfindung besaß, daß er die stechenden Sonnenstrahlen nicht fühlte?

Nein, denn jetzt öffnete er den Mund, so weit es überhaupt nur möglich war, und gähnte so laut, daß die Vögel in der Umgebung erschreckt davonflatterten. Dann öffnete er auch die Augen, mußte sie aber vor dem Glanze der Sonne schnell wieder schließen, bis eine große Wolke Schatten verbreitete.

Er richtete sich halb auf, stützte sich auf einen Ellenbogen und schaute mit wirren Blicken um sich.

»Wo bin ich denn?« murmelte er verdutzt. »Wie in aller Welt komme ich denn hier in den Wald?«

Sinnend legte er den Zeigefinger an die Nase.

»Mir ist ganz sonderbar zumute in meinem Kopfe, es ist gerade, als wenn darin zweizöllige Hufeisen geschmiedet würden, und einen Geschmack habe ich im Munde, als hätte ich Schwefelsäure verschluckt. Brrrrr!

»Hm,« fuhr er dann fort, sich wieder lang ausstreckend, »es scheint doch, als ob ich noch lebe. Mein Name ist Ralph, daran ist gar kein Zweifel, und ich glaube, Ralph, du bist gestern, vielleicht auch vorgestern mordsmäßig besoffen gewesen. Wie lange mag ich wohl hier so gelegen haben? Ein, zwei oder drei Tage? Quien sabe? Tut auch nichts zur Sache. Faktum ist aber, daß ich keinen Cent mehr in der Tasche habe, oder will jemand mit mir wetten, daß ich noch einen Cent bei mir habe? Ich will mir gar nicht erst die Mühe geben, ich finde doch nichts, sonst wäre ich nicht hier. Die haben schon gesorgt dafür.«

Er seufzte tief auf, wälzte sich um, bis er auf dem Bauch lag, stützte den brummenden Schädel in beide Hände und sah sorgenvoll vor sich hin ins Gras.

»Ralph, du bist doch ein altes Schwein und bleibst ein solches,« fuhr er in seinem moralischen Selbstgespräch fort, »hast dich wieder einmal sinnlos besoffen. Du bist ein richtiger Lump, Ralph, eine Sau und, nicht zu vergessen, der dümmste Hornochse, der auf Gottes Erdboden wiederkäut. Da hast du nun zweihundert und einige Dollar durch die Kehle gejagt, und was hast du davon gehabt? Gar nichts, rein gar nichts, höchstens einen Brummschädel, der mir nächstens auseinanderplatzen wird. Pfui Teufel, anspucken möchte ich mich, wenn es nur ginge. Ohrfeigen könnte ich mich wohl, aber dazu bin ich zu faul, und meine zweihundert Dollar kriege ich dadurch auch nicht wieder.«

Jetzt folgten Reminiszenzen.

»Schön war's ja eigentlich doch. Heisa, wie staunten die Mädels, als Ralph plötzlich, am Anfange der Season, mit vollen Taschen ankam und ihnen Rum und Whisky eintrichterte, bis zuletzt auch noch die Champagnerpfropfen knallten. Aber saufen können die Mädels, Gott bewahre mich. Die Peggy ist wie ein Schwamm, wenn sie voll ist, quetscht man sie einfach aus. Ich habe wohl gesehen, wie sie immer den Finger in den Hals steckte, wenn ihr Magen wie eine Tonne gefüllt war. Donnerwetter, habe ich denn nur gar nichts mehr bei mir, daß ich noch einmal hingehen kann? Die Peggy ist eine ganz famose Dirne, nur schade, daß sie eine breitgequetschte Nase hat, aber das beeinträchtigt ihre Schönheit nicht, und ihren Durst erst recht nicht. Hm, muß doch mal meine Tasche untersuchen, habe auch schon einmal nach solch einem Saufgelage eine Fünfdollarnote darin gefunden.«

Er wühlte in den Hosentaschen, die Untersuchung blieb aber erfolglos.

»Meinen Revolver mag ich nicht verkaufen, meine silbernen Sporen ebensowenig, sonst bin ich kein Cow-boy mehr, sondern nur noch ein altes Weib.«

Nach langer Ueberlegung fuhr er fort:

»Hm, habe auch Cow-boys gekannt, welche nur einen Sporn trugen, warum könnte ich diese Mode nicht mitmachen? Fünf Dollar bekomme ich immer für den Sporen.«

Er betrachtete nachdenklich den fraglichen Gegenstand.

»Brrrr, dieser Geschmack im Munde, und Durst habe ich zum Verrecken. Dort fließt Wasser, das ist ein Faktum, aber hingehen und trinken, dazu bin ich auch wieder zu faul, mir sind die Knochen wie zerschlagen.

»Ja, wenn dort Irish-Whisky flösse, dann wollte ich mit einem Sprunge drin sein, mich baden, das Maul aufreißen und schlucken. Was für ein Jammertal ist doch die Erde, daß das Wasser, welches auf ihr fließt, nicht gebrannt ist. Wäre ich der liebe Gott, dann hätte ich das ganz anders gemacht.«

Ralph vertrieb sich den Durst, indem er Grashalme kaute, endlich aber konnte er es nicht mehr aushalten, er erhob sich und ging mit schleppendem Schritt dem Bache zu.

»Hier gibt es Schlangen, denn dieses Wasser heißt der Schlangenbach. Na, mich wird wohl keine beißen, und tut sie es, so kann ich mir nicht helfen. Einmal muß man doch sterben, je früher, desto besser.«

Ralph hatte eben einen ungeheuren, moralischen Katzenjammer, hauptsächlich deshalb, weil er kein Geld mehr hatte, das lustige Leben von gestern heute mit vollem Glanze zu erneuern.

Auf Händen und Füßen kroch er durch das dichte Gebüsch, bis er den Rand des Wassers erreicht hatte. Schon wollte er sich bücken, als er innehielt und erstaunt einen Gegenstand betrachtete, der ihm fast vor der Nase hing.

»Gottsdonnerwetter, eine Jacke! Hat sich hier jemand ersäuft oder sich gebadet und dann vergessen, die Jacke wieder anzuziehen?«

Er sah sich um.

»Niemand zu sehen, na, dann kann ich ja die Jacke als Fundstück betrachten. Viel wert scheint sie allerdings nicht zu sein, aber ein Glas Whisky muß mir Peggy doch dafür einschenken.«

Er hielt sich an einem Busche fest, bog sich weit vornüber und nahm die Jacke von dem hakenförmigen Aste ab, an dem sie hing.

»Hm, hm, die ist doch schon zu alt, zerrissen ist sie auch und naß dazu. Das beste ist, ich schmeiße sie weg. Aber halt, die feinen Herren haben ja Taschen in den Jacken, richtig, da sind sie, die muß ich doch erst durchstöbern. Vielleicht finde ich einen Dollar.«

Ralph versenkte die Hand in eine Seitentasche, er brachte sie mit einigen Päckchen Papieren wieder heraus, und was für große Augen machte er, als er in ihnen Hundertdollarnoten erkannte.

Er untersuchte die anderen Taschen, wieder fand er Banknoten von demselben Werte, und endlich lag ein ganzer Stapel vor ihm.

Seine Ueberraschung war so groß, daß ihm die Jacke aus den Händen glitt, sie fiel ins Wasser und sank, durch irgend etwas beschwert, sofort unter.

Plötzlich kam Leben in die regungslose Gestalt des Cow-boys, er raffte die Banknoten auf, propfte sie in die Hosentaschen, kroch aus dem Gebüsch und rannte auf der Blöße herum, als hätte er einen Sonnenstich bekommen, blieb stehen, krähte wie ein Hahn und schlug dann wieder Purzelbäume.

»Kikerikikih,« krähte er, »Ralph hat Geld, viel, viel Geld, hurra, ich bin reich!«

Dann aber ward er mit einem Male still, es war ihm ein anderer Gedanke gekommen. Er setzte sich ins Gras und begann die Banknoten zu zählen.

Bis hundert kam er auch, dann gab er das Geschäft auf.

»Das ist zu langweilig, auf 70 – 100 000 Dollar schätze ich aber diese Summe. Herr Gott, Ralph, nun bist du ja plötzlich ein schwerreicher Kerl geworden! Echt sind sie, das ist ein Faktum; auf so etwas verstehe ich mich wie der Apotheker auf seine Schmiersalben. Wie mag die Jacke nur hierherkommen? Und 100 000 Dollar darin? Merkwürdig. Hurra, Ralph, du bist doch ein Glücksschwein!

»Halt,« fuhr er dann nach einer Weile fort, »so schnell geht die Sache denn doch nicht. Das Geld gehört mir, das heißt insofern, als niemand weiß, woher ich es habe, und gestohlen habe ich es nicht. Aber immerhin, Ralph, du bist stets ein ehrlicher Kerl gewesen, dein Haar ist in Ehren grau geworden, und wenn du auch manchmal ein arger Süffel bist, du hast noch niemals gestohlen oder betrogen. Immer ehrlich, wenn's auch schwer fällt, und Gott verdamme mich, wenn ich's nicht bin. Ja, ich zeige es an, wie ich in den Besitz der Summe gekommen bin, nach den Gesetzen gehört der zehnte Teil mir, den nehme ich gleich und bringe ihn durch, aber das andere bleibt unberührt. Will mal sagen, das wären 50 000 Dollar, sehr niedrig taxiert, der zehnte Teil davon wären 5000 Dollar oder 50 Hundertbanknoten. All right, die zähle ich ab und bringe sie auf die Sparkasse, das heißt, zu Peggy. Hurrjeh, werden die aber große Augen machen.«

Er zählte die Scheine ab, steckte diese und die anderen für sich und wollte sich auf den Rückweg machen, als er noch einmal stehen blieb. Dann drehte er sich um und ging wieder an den Bach. So sehr er auch spähte, von der Jacke war nichts mehr zu sehen, ebensowenig auch von den anderen Papieren.

»Fatal,« brummte er in den Bart, »ich hätte sie aufheben sollen. Dann konnte man eher erfahren, wem das Geld eigentlich gehörte. Na, macht nichts.«

Ehe er die Blöße wieder erreichte, passierte es ihm, daß er mit dem linken Fuße in ein Loch trat. Der Sporn hakte sich fest, und er konnte nicht wieder heraus.

»Dann muß ich eben den Stiefel ausziehen,« lachte er ärgerlich, und nach einiger Anstrengung gelang es ihm, den Fuß aus dem Stiefel herauszubekommen.

»Ich glaube, das ist seit einem halben Jahre das erstemal, daß ich den Stiefel ausziehe, wir Cow-boys haben doch ein Hundeleben. Aber was ist denn das?«

Er stülpte den unterdes aus dem Loche befreiten Stiefel um, und einige Papiere flatterten zu Boden.

»Bin ich denn nur heute verhext? Das sind ja schon wieder Hundertdollarnoten. Wahrhaftig, fünf Stück. Schockschwerenot, ich denke, ich habe kein Geld mehr und trage da seit einem halben Jahre schon 500 Dollar mit mir herum. Da muß ich aber schön besoffen gewesen sein, als ich die Banknoten in den Stiefel gesteckt habe. Hatte von jeher einen Widerwillen gegen diese Papierwische. Hurra, heute ist mein Glückstag, der muß tüchtig gefeiert werden. Durst habe ich zwar, aber Wasser? Brrrr, das Zeug schmeckt zu fade. In einer Viertelstunde soll meine Gurgel etwas anderes zu schmecken bekommen.«

Eiligst zog er den Stiefel wieder an und rannte, als ob ihm die Sohlen brennten, davon. Er fühlte jetzt weder Kopfschmerzen noch Mattigkeit, sein Gedanke war nur die Schenke, genannt, ›zur schönen Peggy‹.

Nach kurzer Zeit tauchte vor ihm ein Hügel auf, auf dem sich ein starkgebautes Holzhaus erhob. Es lag nicht weit entfernt von einer Landstraße und hatte infolgedessen starken Zuspruch, hauptsächlich von Fuhrleuten, Cow-boys, fremden Reisenden und ab und zu auch von nach Feuerwasser schmachtenden Indianern.

Es lag wohl noch in einer Wildnis, aber sicher vor Ueberfällen. Nicht weit davon begannen Felder, zu Farmen gehörig, deren Besitzer ab und zu auch bei der schönen Peggy vorsprachen und ein Glas Brandy schlürften. Die Waldschenke auf dem Hügel winkte zu freundlich in die Gegend hinab, man konnte der Einladung nicht widerstehen.

Die schöne Peggy war eine junge Witwe. Sie mochte einst wirklich recht hübsch gewesen sein, ihr Mann aber hatte ihr kurz vor seinem Tode einen Fausthieb ins Gesicht gegeben und ihr somit als Andenken an sich eine eingeschlagene Nase hinterlassen.

Man munkelte, der Mann sei gleich darauf eines recht seltsamen, plötzlichen Todes gestorben, dann habe sich Peggy dem Genusse der Spirituosen hingegeben, und wenn diese zu wirken begännen, so könnte Peggy Sachen erzählen, vor denen man sich graute.

Doch das waren nur Redensarten, zu beweisen war ihr nichts. So viel stand fest, Peggy war eine liebenswürdige Wirtin, trank für zwei mit, konnte einen derben Spaß vertragen, wurde nicht unwillig, wenn sich ein kräftiger Arm um ihre Taille legte, und errötete nicht bei einem zweideutigen Witz.

Die Hauptsache war, daß sie für gute Getränke sorgte, ferner aber auch dafür, daß sich die liebesbedürftigen Cow-boys und übrigen Angestellten der Farmen bei ihr erholen konnten, wozu in ihrem Hause immer einige Küchen- und Schenkmädchen beschäftigt waren. Ja, sogar zwei recht graziöse Verwandte hatte sie im Hause, welche sie Schwägerin und Cousine nannte, doch diese ließen sich nicht in den unteren Räumen sehen, sondern hielten sich nur in den oberen, besser eingerichteten Zimmern auf, so viel aber stand fest, daß wegen dieser beiden Damen, die immer recht elegant gekleidet waren, gemalte Augenbrauen und geschminkte Wangen hatten, gar mancher reiche Farmer vom Pferde stieg und einige Stündchen in den oberen Räumlichkeiten mit der schönen Cousine und der koketten Schwägerin verplauderte.

Es dürfte klar sein, auf welche Weise die schöne Peggy, ein gar listiges Weib, gute Einnahmen erzielte.

Dennoch war ihr Ruf ein guter. Niemandem fiel es ein, auf sie einen Stein zu werfen, ebensowenig wie auf ihr weibliches Dienstpersonal. Im Gegenteil, man hatte Hochachtung vor Peggys Unternehmungsgeist, in dieser menschenbewohnten und doch einsamen Gegend ein so reizendes Etablissement einzurichten.

Gott, man war doch in Amerika, man war auch ein Mensch, andere wollten auch leben, und ob die Damen und Dirnen nun in der nächsten großen Stadt oder hier ihr Gewerbe trieben, das blieb sich doch ganz gleich. Daß Peggy den Cow-boys und anderen Leuten das Geld aus der Tasche lockte, verargte ihr niemand, ausgegeben wurde es doch, und bei Peggy hatte man wenigstens noch etwas Gutes dafür.

Peggy hatte gewissermaßen Macht in der Umgegend, ihr Ausspruch galt etwas, eben, weil sie auf die Idee gekommen war, für Abwechslung in dem eintönigen Leben der Farmer zu sorgen.

Dafür stand sie unter dem Schutze der gesamten Einwohner, ebenso ihre weiblichen Domestiken, und so offen diese auch ihr Handwerk betrieben, auf ihre Ehre ließ man doch nichts kommen.

Erst voriges Jahr hatten sich die Söhne zweier reicher Farmer geschossen, weil der eine behauptet hatte, Peggys schöne Schwägerin habe falsche Zähne.

Augenblicklich war stille Zeit für die Waldschenke. Die Hazienderos hatten mit der Ernte zu tun, ihre Leute natürlich ebenfalls, und die Cow-boys hatten die Saison eben erst begonnen.

Das weibliche Personal erholte sich jetzt, es hielt eine Art von Kur, das heißt, schlief lange, schminkte sich weniger und war nicht jeden Abend betrunken. Die letzten Monate waren die Damen arg mitgenommen worden, jetzt mußten sie sich wieder für die kommende Geschäftszeit stärken.

Gestern hatte Ralph eine kleine Abwechslung gebracht, doch der Bursche war zum Lieben zu alt, er besaß mehr Zuneigung zu der Flasche. Peggy hatte mütterlich dafür gesorgt, daß der Cow-boy nicht eher ihr Haus verließ, als bis er keinen Cent mehr in der Tasche hatte.

Als der Champagner geflossen, hatten es selbst die beiden nobleren Damen nicht verschmäht, sich zu erniedrigen. Sie waren vom Olymp zur ebenen Erde herabgestiegen und hatten die Lippen mit dem schäumenden Naß benetzt.

Schon fielen schwere Tropfen herab, als Ralph mit großen Schritten dem Hause auf dem Hügel zueilte. Er beachtete nicht das heranziehende Unwetter, er dachte nur an das kommende Gelage.

Ehe er seinen Fund in der nächsten Stadt ablieferte, wollte er sich mit den 5000 Dollar noch einmal ›köstlich amüsieren‹ und das übrige Gott anheimstellen.


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