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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Worin unter anderm die im ersten Teile gestorbene Amalia ihren fernern Lebenslauf erzählet

.

Sie sind darauf näher zusammengerücket,
Haben sich am Tee und Frühstücke erquicket
Und erfreueten beiderseits sich
Des Wiedersehens gar inniglich.

Was zwischen beiden vormals war geschehen,
Wollen wir nach christlicher Liebe übergehen;
Aber jetzt passierte im mindesten nicht,
Was nicht hätte können vertragen das Licht.

Zwar Herr Jobs hatte nichts verloren,
War von guter Positur wie zuvoren,
Ja sein Korpus ware vielmehr
Seit dem Pfarrerstande ansehnlicher.

Aber Amaliens Reize waren verblichen,
Seitdem ohngefähr jene 15 Jahre verstrichen,
Und es sproßte schon hier und dar
Auf ihrem Kopfe ein graues Haar.

Auch an Körperkräften und Taille
War sie nicht die vor'ge schöne Amalie:
Vormals war sie rund, rot und dick
Und nun ein leibhaftig Bild der Hektik.

Ihre Augen, vormals glänzend von Liebe,
Waren nun eingefallen, dunkel und trübe,
Und in ihrer ganzen Physiognomie
Herrschte eine stille Melancholie.

Nicht allein gegen Herrn Jobs war sie sehr gütig,
Sondern auch im ganzen Wesen sanftmütig,
Und sie ertrug ihr körperliches Leid
Ohne Murren und Verdrießlichkeit.

Sie fühlte täglich die Kräfte mehr schwinden,
Hatte längst bereut ihre vorigen Sünden
Und brachte nun in völliger Gewissensruh'
Ihre noch übrigen Lebenstage zu.

Eigentliche sogenannte Liebessachen
Waren also nicht weiter bei ihr zu machen;
Auch Herr Jobs fand längst nicht mehr Geschmack
An jedem unschicklichen Liebesschnack.

Er mußte jedoch die Versicherung ihr geben,
Nicht weiterzureisen, sondern bei ihr zu leben,
Und dieses wünschte sie um desto mehr,
Weil er ein geistlicher Doktor wär'.

Auch mußte er, ohne das geringste zu verhehlen,
Ihr seine ganze Lebensgeschichte erzählen,
Besonders was er von ihrer Trennung an
In den letzten fünfzehn Jahren getan.

Er tat dies auch alles sehr ausführlich,
Seine Erzählung war aufrichtig und manierlich,
So daß Amalia sogleich drin fand,
Er sei nun ein Mann von großem Verstand.

Die Erzählung selbst können wir gut missen,
Sintemal wir seine Geschichte schon wissen,
Und man hört ohnedem auf keinen Fall
Eine so närr'sche Geschichte gern zweimal.

Sie gabe gleichfalls von ihrer Geschichte
Folgende kurze aufrichtige Berichte,
Seitdem sie aus dem Schauspielerstand
Mit einem reichen Herren verschwand:

Der Herr, mit welchem sie davongegangen,
Habe geheißen Herr van der Tangen;
Er habe, als ihre Person ihm gefiel,
Ihr Anträge gemachet oft und viel.

Aber sie habe gar nicht darnach gehöret
Und anfangs mit ihme gar nicht verkehret,
Weil sie entschlossen gewesen sei,
Ihrem Hieronimo zu bleiben getreu.

Erst damals habe sie den Vorsatz gebrochen,
Als Herr van der Tangen ihr die Ehe versprochen;
Es sei auch am folgenden Tage schon
Erfolgt eine heimliche Kopulation.

Nachdem sie nun gedachten Herrn van der Tangen
Einmal im ehlichen Netze habe gefangen,
So habe sie mit ihm in der ganzen Zeit
Gelebet in treulichster Einigkeit.

Sie habe von ihrem Gatten, dem Herrn van der Tangen,
Nach zwei Jahren einen kleinen Sohn empfangen,
Habe aber auch damals gefährlich krank
Gelegen fast sieben Wochen lang.

(Notabene: Daher entstand das Gerüchte
Von ihrem Tode im ersten Teil der Geschichte;
Denn Frau Fama machet zu jeder Frist
Immer ein Ding größer, als es ist.)

Was im übrigen tate anlangen
Die Umstände ihres Gatten, des Herrn van der Tangen,
So sei er gewesen der einzige Zweig
Des alten Herrn van der Tangen und erschrecklich reich.

Er sei zwar gewesen nur vom bürgerlichen Stande,
Aber fast der reichste Privatmann im Niederlande,
Weil sein seliger Vater durch Kauffahrtei
Außerordentlich glücklich gewesen sei.

Mancherlei Gründe hätten ihn bewogen,
Daß er aus seinem Vaterlande weggezogen,
Und er hätte auch bald darauf
Das Gut Schönhain hier erstanden durch Kauf.

Ihre Bekanntschaft mit dem Herrn van der Tangen
Habe bewußtermaßen damals angefangen,
Als er sich eine Zeitlang in Deutschland
Zum Vergnügen auf der Reise befand.

Ihre Ehe habe zwölf Jahre lang gewähret,
Darauf hätte Freund Hein dieselbe gestöret
Und Herrn van der Tangen zu ihr'm größten Leid
Geholet aus dieser Zeitlichkeit.

.

Auch ihr Sohn sei nach fünf Vierteljahren
Seinem Vater ins Elysium nachgefahren,
Und seitdem lebe sie höchstbetrübt
Kinderlos und zugleich verwitibt.

Zwar besitze sie jetzt sehr große Güter,
Aber doch sei ihr des Lebens Rest bitter,
Und sie mache zur großen Reise nach jenseit
Sich nun täglich immer mehr bereit;

Denn sie empfinde es, daß sie laboriere
An einem innerlichen Lungengeschwüre,
Spüre auch, daß jede gebrauchte Arznei
Zu ihrer Heilung unwirksam sei.

Sie suche schon längst mit tugendhaften Werken
Sich zu einem seligen Abschiede zu stärken
Und gebe als eine bekehrte Sünderin
Ihrem Schicksale sich willig hin.

Herr Jobs suchte nun bestmöglichstermaßen
Alles dasjenige beisammenzufassen,
Was ein vernünftiger geistlicher Mann
In solchem Fall zur Tröstung nur sagen kann.

Blieb folglich auf ausdrückliches Verlangen
Nun auf dem Gute bei der Frau van der Tangen,
Und seine traurige Exulantenschaft
Hatte für diesmal ihre Endschaft.

Es fand auch wirklich die Frau van der Tangen
In des braven Herrn Jobsens Umgang manchen
Christerbaulichen Beruhigungsgrund,
Den sie vorher nicht so gut verstund.


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