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Funfzehntes Kapitel

Folget auch die Kopei der schriftlichen Antwort des alten Senator Jobs auf vorgemeldeten Brief

Was hierauf des Vaters Antwort gewesen,
Das soll man gleichermaßen nun lesen:
Mein herzvielgeliebtester Sohn!
Dein Schreiben hab' ich erhalten schon

Und deine Gesundheit und Wohlergehen
Mit Vergnügen aus demselbigen ersehen,
Jedoch vergnügt es mich eben nicht,
Daß dein Brief wieder von Geld spricht.

Es sind noch nicht drei Monate vergangen,
Da du hundert und fünfzig Taler empfangen;
Fast weiß ich nicht, wo in der Welt
Ich hernehmen soll alle das Geld.

Ich höre gern auch, daß du studierest
Und dich fleißig und ordentlich aufführest,
Aber höchst ungern vernehme ich von dir,
Daß du 30 Dukaten forderst von mir.

Fast, mein Sohn! sollte ich sagen und glauben,
(Du wirst mir meine Anmerkung erlauben)
Daß, wenn man auf der Universität
Sparsam ist, nicht so viel nötig hätt'.

Zwaren ist es wohl gewiß und sicher,
Man hat nicht umsonst Kollegia und Bücher,
Jedoch bekommt man für solche Summ'
Manches Buch und Kollegium.

Tisch, Stube, Wäsche, Licht und Feuer
Kann auch unmöglich sein so teuer,
Auch Federn, Bleistift, Tinte, Papier
Kaufst du für wenige Groschen g'nug dir.

Ich vernehme es zwar auch sehr gerne,
Daß du dich von böser Gesellschaft ferne
Hält'st und auf der Studierstube sitzst
Und bei den geliebten Büchern schwitzst;

Auch daneben nur Tee tust trinken:
Indessen will's mir wahrscheinlich dünken,
Daß, wenn man über den Büchern ruht
Und Tee trinkt, nicht 30 Dukaten vertut.

Wenn dich andre einen Knicker schelten,
So mag dir dieses gleichviel gelten;
Doch, wer so viel Geld verschwendet als du,
Dem kommt der Name Knicker nicht zu.

Weil du übrigens von deinem Fleiße schreibest,
So rate ich, daß du fein dabei verbleibest,
Damit das Geld und die edle Zeit
Angewandt werde in Nützlichkeit.

Doch mußt du dich nicht so sehr angreifen
Und im Kopf zu viel Gelehrsamkeit häufen,
Denn es trifft, leider! mannigmal ein,
Daß große Gelehrte meist Narren sein.

Dein Vorsatz, zu predigen, tut mir gefallen,
Drum übe dich fleißig darin vor allen;
Aber bei vieler Disputation
Kommt eben nichts Kluges heraus, mein Sohn!

Wozu auch das Privatissimum nützet,
Wenn man schon zehn Stunden im Kollegio sitzet,
Das begreif' ich um destoweniger wohl,
Da es 20 Reichstaler kosten soll.

Doch lasse ich's vor allen andern passieren:
Denn das Geld, welches du zum Studieren
Gebrauchest, gebe ich gerne her,
Und wenn's auch noch dreimal soviel wär'.

Da auch, wie du schreibst, dein Rock zerrissen,
So kannst du freilich einen neuen nicht missen;
Jedoch das Tuch würde superfein
Für die verlangten zwölf Taler sein.

Wer aber zum Pfarrherrn will studieren,
Muß nicht mit kostbaren Kleidern stolzieren;
Drum wäre ein etwas gröberes Tuch
Zum neuen Rocke dir gut genug.

Auch für noch sonstige Kleidungsstücke
Willst du, daß ich vier Louisd'or schicke,
Nämlich für Schlafrock, Pantoffel und Hut,
Weil sie nicht zum Gebrauche mehr gut.

Wenn ich aber solches allzumalen
Posten für Posten sonders soll bezahlen,
Wozu sollen dann, lieber Hieronimus mein!
Die verlangten dreißig Dukaten sein?

Ich habe es mit Mitleiden gelesen,
Daß du jüngsthin todkrank gewesen;
Aber du hast nicht wohl getan,
Daß du viele Arznei gewendet an.

Denn ich hab' es oft und viel erfahren,
Daß, besonders in den jüngeren Jahren,
Die sich selbst überlaßne Natur
Mehr wirkt als die beste Mixtur.

Dein gebrauchter Arzt und Arzeneien
Sind fast teuer zum Verabscheuen,
Und wie mir dünken sollte, so ist
Weder Apotheker noch Arzt ein Christ.

Da auch eine Wärterin, wie ich gelesen,
In der Krankheit bei dir ist gewesen,
So reichte für diese Aufwärterin,
Statt sieben ein einziger Gulden hin;

Wenn sie nicht etwa sonst, vor diesen,
Liebesdienste andrer Art dir erwiesen,
Denn, lieber Sohn! ich schließe dies
Schier aus den sieben Gulden gewiß.

Was auch nun den Konditor anlanget,
Welcher ebenfalls acht Gulden verlanget,
So wäre gewesen ein Taler genug,
Und du warest gewißlich nicht klug.

Denn Zitronen, Konfituren und Leckereien
Geben eigentlich dem Kranken kein Gedeihen,
Aber ein Hafer- oder Gerstentrank
Nutzet weit mehr, wenn man ist krank.

Es ist nicht gut, daß du bist gefallen
Von der Treppe, drum sorge ja für allen,
Daß du hinfüro nicht wieder fällst,
Denn die Kur beträget viel Gelds.

Dein Wundarzt hat dich recht hergenommen,
Denn für zwölf Taler, wie ich vernommen,
Heilt unser berühmter Stadtbalbier
Einen Arm- oder Beinbruch schier.

Doch freut's mich, daß dein Arm wieder kurieret;
Denn wenn ein Pfarrer auf der Kanzel perorieret,
So muß der Arm geschmeidig und fein
Beim Klopfen und Gestusmachen sein.

Ich muß dich ferner auch herzlich beklagen
Wegen deinem sehr schwachen Magen;
Mein Magen ist, leider! auch nicht viel nütz,
Weil ich sehr öfters zu Rate sitz.

Indes tut Burgunder mit Gewürzen
Dich nur unnötig in Kosten stürzen;
Schlucke lieber oft ein Pfefferkorn ein,
Das soll sehr gut für den Magen sein.

Du willst auch noch 30 bis 40 Gulden
Haben, zur Bezahlung einiger Schulden;
Ich sinne nun hin, die Kreuz und die Quer,
Beim Himmel! wo kommen die Schulden doch her?

Du hast ja schon alles spezifizieret
Und Posten für Posten zum höchsten aufgeführet,
Und vierzig Gulden, bei meiner Seel!
Sind nicht, wie du glaubst, ein Bagatell.

Endlich soll ich gar noch ein Dutzend Pistolen
Zu andern Ausgaben für dich herbeiholen;
Es wäre dir vielleicht zwar angenehm,
Mir aber kommt's höchst unbequem.

Denn mit den verlangten 30 Dukaten
Kannst du dich wegen der Ausgaben schon beraten;
Dieses letztere Dutzend Louisd'or
Kommt mir also als Überfluß vor.

Auch mit dem Ersatz der dir gestohlnen 14 Kronen
Hättest du mich billig sollen verschonen,
Denn, wahrlich! der Ersatz schmerzet mir
Weit mehr als der angebliche Verlust dir.

Daß du übrigens zu meinem Troste willst verlangen,
Man solle den Dieb sans façon drum aufhangen,
Dieses wäre gewiß gar nicht christlich:
Vielleicht bessert der Anonymus einst noch sich.

Überhaupt muß ich dir im Vertrauen sagen:
In unsern heutigen aufgeklärten Tagen
Ist Gottlob! die heilige Justiz
Nicht wie ehemals so scharf und spitz.

Und um den Raub solcher Kleinigkeiten
Braucht keiner mehr die doppelte Leiter zu beschreiten,
Wenigstens in unserm klugen Schildburg
Gehen viel größere Diebe frei und frank durch.

Wenn du künftig Gelder willst aufsparen,
So rate ich, solche vorsicht'ger zu bewahren;
Denn auf keinem Dinge in der Welt
Wird so allgemein spekuliert als auf Geld.

Ich und deine Mutter verstehn es besser,
Wir bewahren unsre Barschaft hinter Riegel und Schlösser
Und geben sowohl bei Tag als bei Nacht
Darauf sehr sorgfältig und ängstlich acht.

Doch um deinen Geldmangel zu stillen,
Will ich noch einmal dein Verlangen erfüllen,
Und ich sende die Gelder mancherlei
Im versiegelten leinenen Sacke hiebei.

Jedoch muß ich dir hienebst andeuten,
Es sind heur gar nahrlose Zeiten,
Und es fällt mir wahrlich gar schwer,
Alle Gelder zu nehmen woher.

Mit dem Handel gibt's nur Kleinigkeiten,
Denn es ist kein Geld unter den Leuten,
Und die Ratsherrnschaft wirft auch nicht viel ab,
Drum sind meine Einkünfte so knapp.

Ich werde es also sehr gerne sehen,
Wenn du von der Universität tust gehen,
Zumalen da du zu dieser Frist
Gewißlich schon ausgelernet bist.

Denn wenn du noch länger allda bleibest
Und das kostbare Studieren forttreibest,
So werde ich noch zum armen Mann
Und keine Gelder mehr schaffen kann.

Wir werden dich hier mit großem Verlangen
Als einen gelehrten Sohn stattlich empfangen,
Besonders freut deine Mutter sich
Auf deine Zuhausekunft inniglich.

Ich möchte dir gerne was Neues schreiben,
Es tut aber alles hier beim Alten bleiben;
Ich bin indessen früh und spat
Nach Gewohnheit gewesen oft im Rat.

Da haben wir in pleno tun dichten,
Um verschiedene Änderungen einzurichten,
Damit in der hiesigen Polizei
Alles fein sauber und ordentlich sei.

Deine Mutter hat an Zähnen viel ausgestanden;
Aber ein großer Wundarzt aus fremden Landen
Vor einigen Tagen hier kam
Und die bösen Zähne wegnahm.

Deine Schwester Gertrud hat einen Freier,
Es ist der Prokurator Herr Geier,
Die Sache ist schon gekommen sehr weit,
Und die Getrud ist schon ziemlich breit.

Unser Pfarrer ist immer kränklich,
Man hält seinen Zustand für bedenklich;
Stürbe einst dieser rechtschaffene Mann,
So würd'st du vielleicht unser Pfarrer dann.

Unsers reichen Nachbars sein Lieschen
Vermeldet dir ein herzliches Grüßchen.
Das Mädchen wird wirklich artig und fein
Und könnte einst deine Frau Pfarrerin sein.

Endlich grüßen dich allesamt wieder
Deine sämtlichen Schwestern und Brüder,
Sie freuen sich über dein Wohlergehn
Und hoffen schier baldigst dich hier zu sehn.

Ich beharre übrigens Dein treuer Vater
Hans Jobs, pro tempore Senater.
N. S. Dein Schreiben mir zwar gefällt,
Aber verschone mich weiter mit Geld.


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