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Neuntes Kapitel

Wie eine Liebschaft sich angesponnen hat zwischen dem jungen Herrn und der Jungfer Esther

.

Wir müssen jetzt auf einige Augenblicke
In der Geschichte wieder ein wenig zurücke
Und fangen nachher aufs neue dann,
Wo wir eben aufhörten, wieder an.

Möchte wohl wagen eine ansehnliche Wette,
Daß mancher es längst schon gemerket hätte
Oder es wenigstens doch jetzo begreift,
Daß das Ding auf 'ne Liebesgeschichte ausläuft.

Schon habe ich wohlbedächtlich im zweiten
Teile, Kapitel 33, suchen vorzubereiten
Den geneigten Leser auf den Roman,
Der sich mit dem jungen Herrn und Esther anspann.

Nun wollen wir, um methodisch zu gehen,
Stück vor Stück ordentlich besehen,
Wie alles vom ersten Anfang
Nahm den gewöhnlichen Romangang.

Schon auf der Akademie hatte der Baron viele
Dunkele angenehme Vorgefühle
Für Esther und gab dem Hieronimus,
Wenn er nach Haus schrieb, an ihr 'nen Gruß.

Denn mit Bücherschreiben und Verlieben
Wird manches seltnes Abenteuer getrieben;
Beides kostet heuer wenig Müh',
Und man kommt dazu und weiß nicht wie?

Und weil Hieronimus seine Schwester sehr schätzte
Und an ihrem Andenken sich sehr ergötzte,
So sprach er von ihr dem Baron oft vor,
Und das hob sein Gefühl noch mehr empor.

Als sie nachher selbst nach Ohnwitz gekommen,
Hat seine Liebe mehr überhand genommen
Und flammte und brannte lichterloh,
Ärger als Flachs und lichtes Stroh.

Denn sie hatte ein Gesichtchen wie ein Engel,
Eine Taille schlank wie ein Rohrstengel,
Rabenschwarzes Haar, einen schönen Mund
Und Wangen et cetera zart und rund.

Er mußte es sofort bei sich gestehen,
Daß er so ein Mädchen noch nie gesehen,
Und durch ihren himmlischen Verstand
Ward er vollends noch ärger verbrannt.

Er hielte zwar lange seine verliebte Grillen
Für sich allein, inkognito und im stillen
Und wagte es durch Liebeserklärung nicht
Von sich zu wälzen das schwere Gewicht.

Auch Esther, als sie zuerst den Baron sahe,
Wußte nicht recht, wie und was ihr geschahe;
Denn ein unbekanntes Etwas innerlich
Bemächtigte ihrer gewaltsam sich.

Sie hatte noch nie eigentlich geliebet,
War auch in Romanenlektüre nicht geübet,
Sonst hätte sie es wohl gleich gewußt,
Was da so wurmte in ihrer Brust.

Nach und nach entwickelten sich ihre Triebe,
Wuchsen, und sie merkte, es sei die Liebe,
Und sie gestand sich, sie hätte nie gesehn
Einen jungen Herrn so artig und schön.

Aber sie suchte die Gefühle zu bestreiten
Und die aufwachsende Liebe auszureuten;
Jedoch sahe sie immer den jungen Herrn,
Wenn er zu ihnen ins Pfarrhaus kam, gern.

Und oft, wenn sie ihn in der Nähe erblicket,
Ward ein aufsteigender Seufzer in ihr zerdrücket,
Und es ging hervor aus ihres Herzens Schrein
Manchmal ein gewagtes Wünschlein klein.

Allein sie war bemüht in kältern Augenblicken,
Alle diese Wünsche in der Geburt zu ersticken;
Denn als 'ne vernünft'ge Person gedachte sie,
Die Wünsche würden doch realisieret nie.

Freilich für 'nen Herrn solch hohen Standes,
Einz'gen Sohn des reichsten Kavaliers des Landes,
War sie zur Abkühlung für's adlige Blut
Nur höchstens allenfalls als Mätresse gut.

Aber sie ware seit ihrer frühen Jugend
Eine Bewahrerin unverdorbener Tugend
Und hätte so was selbst keinem Königssohn
Für jährlich Lohn von tausend Dukaten geton.

Auch der junge Herr konnte sich nicht bequemen,
Die Sache auf einem solchen Fuße zu nehmen;
Denn er hielte es für eine große Sünd',
Zu verführen andrer Leute Kind.

Auch hätte er alles in der Welt lieber
Gesehen gehen darunter und darüber,
Als seinem lieben Freunde Hieronimus
Zu machen einen so bittern Verdruß.

Er wußte aber mit vollkommenster Überzeugung
Seiner freiherrlichen Eltern Ekel und Abneigung
Gegen jede Beschmutzung des Stands
Durch eine niedrige Mesallianz.

Saße folglich mit seinen zärtlichen Gefühlen
Gleichsam geklemmt zwischen zweien Stühlen,
Und so ginge er lange und trug sich stumm
An seiner Liebe fast lahm und krumm.

Was sonst hinc inde noch passieret,
Wird in jedem Romanbuche rezitieret,
Darauf beziehe ich mich, weil jedermann
Es umständlich und genau da lesen kann.


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