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Elftes Kapitel

Wie Hieronimus zu Pferde bis zur Poststation kam, und wie er im Wirtshause einen vornehmen Herrn fand, Herr von Hogier genannt, welcher ihm heilsame Lehren gab und ein Spitzbube war

Hieronimus also nunmehro wegreitet,
Seines Vaters Hausknecht ihn begleitet
Bis zu dem nächsten Städtelein;
Da steigt er dann in 'n Postwagen ein.

Ob nun gleich der Abschied ihm nahe gegangen,
So truge derselbe doch großes Verlangen
Nach der geliebten Universität,
Wo es täglich so lustig ergeht.

Kaum hatte er nun Schildburg verlassen
Und befand er sich auf der Landstraßen,
Als er Vater, Mutter, Geschwister vergaß
Und sich höchlich ergötzte, daß

Er nunmehr als ein freier Studente
Baß sich täglich vergnügen könnte
Und des mürr'schen Rektors Prügeln und Lehr',
Dem Himmel sei Dank! entlassen wär'.

Vorzüglich freuete er sich nicht wenig
Und dünkte sich reicher als ein König,
Wenn ihm das Geld im Sinne kam,
Das er von Hause mitte nahm.

.

Vor allem vergnügte ihn besonder
Das liebe Päcklein, welches er von der
Hochbetrübten Frau Mutter empfing,
Als es ans bittere Scheiden ging.

Da es ihm nun an Zeitvertreib fehlte,
Zog er 's Päcklein hervor und zählte
Das Geld, welches drin enthalten war,
Und fand mit innigster Freude bar

Mehr als dreißig verschiedene Stücke,
Alle von Silber, groß, schwer und dicke,
Gulden und Taler mannigfalt,
Meistens von Gepräge rar und alt.

Seine Mutter hatte sie nach und nach ersparet,
Und zum Notpfennige aufbewahret,
Denn sie war eine weidliche Frau,
Klug und sparsam, oder vielmehr genau.

Zuweilen mußte ihm auch imgleichen
Der Knecht, sein Begleiter, etwas reichen
Zum Zeitvertreib von den Viktualien,
Womit ihn die Eltern zur Reise versehn.

Als nun unter diesen Gedanken und Dingen
Dem reisenden Hieronimus die Stunden vergingen,
So gelangte er endlich sehr müde und matt
Ins Wirtshaus der oben gedachten Stadt.

Allhie befand sich nun der Postwagen,
Der ihn nach der Universität sollte tragen;
Selbiger war aber zu dieser Zeit
Noch nicht völlig zur Abfahrt bereit.

Hieronimus ließ nun vor allen Dingen
Seinen getreuen Gaul zu Stalle bringen,
Welchem sein Knecht das Futter gab,
Und band den schweren Mantelsack ab.

Er hat aber auch nicht vergessen,
Sich zu erlaben mit Trinken und Essen,
Und so ward er bald darauf am Tisch
Wieder gestärket, munter und frisch.

Es war auch da ein fremder Herr logieret,
Mit einer großen Perücke und reich schamerieret,
Welcher aus fernen Ländern kam,
Herr Baron von Hogier war sein Nam'.

Dieser erzeigte unserm Helden viel Ehre
Und erkundete freundlich, wer er wäre.
Hieronimus antwortete drauf behend:
»Gnädiger Herr! ich bin ein Student,

Zu Hochdero Diensten, und ich ziehe
Gleich itzo nach der Akademie,
Um zu studieren spät und früh
Die Wissenschaft der Theologie.«

»So! dazu wünsch' ich Ihnen viel Glücke!«
Antwortete der Herr mit der großen Perücke;
»Aber nehmen Sie sich wohl in acht,
Daß Sie nicht werden in Schaden gebracht!

Ich hab' auch hohe Schulen vormals gesehen,
Weiß wohl, wie's da pflegt zu ergehen:
Mancher junge Bursche wird da ums Geld
Durch das verwünschte Spielen geprellt.

Und viele, anstatt fleißig zu studieren,
Lassen sich zu Ausschweifungen verführen
Und verbringen die kostbare Zeit
In aller erdenklicher Liederlichkeit.

Ich selbst habe öfters in jüngern Jahren
Die traurige Wahrheit davon, leider! erfahren;
Nehmen Sie also sich fleißig in acht,
Und denken sie dran, ich hab' es gesagt!«

Hieronimus versetzte: »Lieber Herre!
Ich danke vielmal für die weise Lehre
Und werde Ihren trefflichen Unterricht
In meinem Leben vergessen nicht.

Übrigens muß ich Euer Gnaden sagen,
Das Spielen tut mir zwar sehr behagen,
Hab' die Ehre zu versichern doch,
Wenn ich spiele, spiel' ich nicht hoch.«

»Niedrige Spiele laß ich passieren,
Denn so kann man eben nicht verlieren,
Und man vertreibet sich doch die Zeit
Sehr angenehm und mit Artigkeit.

Wir zum Exempel könnten nun beide,
Bloß zum Zeitvertreib und zur Freude,
Etwa ein kleines Spielchen auch tun,«
Erwidert der Herr mit der Perücke nun.

Hieronimus gleich im Augenblicke
Fand den Vorschlag des Herrn mit der Perücke,
Ein Spielchen zu machen, sehr angenehm,
Solange bis der Postwagen käm'.

Sie brauchten nun gar nicht lange zu warten,
Der Wirt brachte alsbald neue Karten
Für seine beiden Gäste heran,
Und nunmehr fing man zu spielen an.

Anfangs ward niedrig pointieret,
Aber Hieronimus, durch Gewinnsucht verführet,
Fing nun höher zu setzen an,
Weil er die ersten Spiele gewann.

Nun aber wendete sich das Glücke
Zum Herrn von Hogier mit der großen Perücke,
Als welchem itzo in jeglichem Spiel
Immer die Karte günstiglich fiel.

Das Geld, welches Hieronimus zur Reise
Bestimmt hatte, ging auf diese Weise
Bald hin, und da er noch weiter verlor,
Zog er nun auch das Päcklein hervor.

Aber das Glück warf stets noch günstige Blicke
Auf den Herrn mit der großen Perücke,
Und mit einem jeglichen neuen Satz,
Entstand im Päcklein ein leerer Platz.

Und in weniger als dreiviertel Stunden
War der mütterliche Segen ganz verschwunden,
Und der Herr mit der großen Perück'
Hatte alles gewonnen, Stück vor Stück.

Denn, daß der Herr mit der großen Perücke
Ihn listigerweise beim Spiele berücke,
Das merkte der gute Hieronimus nicht -
Denn Herr von Hogier hatte ein ehrlich Gesicht.

Es wär' ihm endlich gar noch eingefallen,
Auch seinen Mantelsack loszuschnallen,
Und er hätte das drin erhaltene Geld
Auch noch auf die unglückliche Karte gestellt.

Doch zu des Hieronimus größtem Glücke
Und zum Leidwesen des Herrn mit der Perücke
Blies grade itzo der Postillon,
Und Hieronimus fuhre davon.

Beim Abschied warf er viele unwillige Blicke
Auf den Herrn mit der großen Perücke,
Und mit einigem Ungestüm
Nahm er nunmehr Ade von ihm.


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