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Zwanzigstes Kapitel

Anweisung zum neuesten verliebten Briefstile in feinen Exempeln nach Siegwart und Werther, oder von der Liebeskorrespondenz des jungen Barons und der Mamsell Esther in specie

.

In dem vorherbeschriebenen Kraftstile
Klagte nun auch der Baron seine Gefühle
Und der vorstehenden Trennung Ungemach
Mit untermengtem manchen Oh! und Ach!

Denn er hatte viele Romanen studieret,
Hier und da auch vielleicht exzerpieret,
Wo er was Herzzerbrechendes las,
Und dieses kam ihm nun trefflich zupaß.

Esther aber, nicht in dergleichen belesen,
Machte mit ihren Briefen weniger Wesen
Und antwortete gewöhnlich kurz nur,
Ohne Kunst, bloß nach der Natur.

Hier erfolgen einige genaue Kopeien;
Der Leser wird mir dieses hoffentlich verzeihen,
Weil mancher verliebter junger Mann
Sie als Briefmuster weiter gebrauchen kann.

»Ach, meine Stehra! Auserwählte! Geliebte!
Denke, wie mich der Donnerantrag betrübte:
Meine Eltern sagten mir gestern, ich soll mich
Trennen, o wer weiß wie lange? von Dich!

Mir ist zugleich der Blitzbefehl ernstlich geschehen,
Dein Engelsgesicht nicht mehr so oft zu sehen -
Dich, meine Beste! - Du Einzige!
Gar nicht mehr persönlich zu sprechen - Au weh!

Aber ich will's hoch und teuer beschwören:
Dich ewig zu lieben, soll mir niemand wehren,
Und meines Herzens treue Sympathie
Soll für Dich - Du Himmlische! verlöschen nie.«

Antwort: »Mein Schatz! Was Du mir hast geschrieben,
Tut mich innerlich in der Seele betrüben;
Denn ich halte der künft'gen Trennung Graus
Gewißlich keine acht Tage Dir aus.

Mein Herz ist krank, und meine Augen fließen,
Ich tue Dich hunderttausendmal begrüßen
Und bleibe immer und ewig dabei:
Lieber gestorben als ungetreu.« -

»O mein Engel! Mein Seraph! Meine Stehre!
Vormals schwamm ich in 'nem Wonnemeere,
Und ein Blick aus den blauen Augen von Dir
War mehr als Gold und Seligkeit mir.

Aber bald, ach bald soll ich Dich verlassen,
Mein banges Herz vermag dies nicht zu fassen,
Es tobt wütend, und ich erliege fast
Unter dieser schweren Zentnerlast.

Draußen wall' ich in Wäldern auf und nieder,
Horche nicht mehr auf der Vögel zärtliche Lieder,
Mir duftet nicht mehr das Blümchen im Tal,
Mir lächelt nicht mehr der freundliche Mondstrahl.«

Antwort: »Wenn der ganze Himmel Papier wäre,
Und alle Sterne Schreiber und Sekretäre
Und schrieben fort bis zum jüngsten Gericht,
So klecksten sie doch zur Beschreibung meiner Liebe nicht.

Darauf kannst Du Dich gar sicher verlassen,
Wir wollen uns also in Geduld fassen;
Du bleibest trotz aller Trennung mein,
Und ich will ewig Deine Stehra sein.«

»O wie war die Nacht so schlaflos, so traurig!
Wie heulte der Sturm draußen so schaurig!
In meiner geängstigten Seele brüllt
Ein Sturm, noch weit schauriger und wild.

Ach, meine einzige Göttin! meine Cythere!
Du, mir mehr als Himmel, meine Stehre!
Schwebst im reizenden Bilde immer vor mir -
Ach, wär' ich heute ein Stündchen bei Dir - -

Ich wollte gerne, um Dich persönlich zu sehen,
Durchs Feuer und über Eisgebirge gehen - -
Denn Dein lieblich lächelndes Angesicht
Erquickt mich mehr als des Monds Silberlicht.«

Antwort: »Mein Liebster! Freilich die Nacht war böse,
Ich hörte auch des Sturms Brüllen und Getöse,
Und ich habe auch, wie Du, die ganze Nacht
An Dich denkend schlaflos zugebracht.

Komme heute abend um eilf Uhr in Garten,
Da will ich Dich mit offnen Armen erwarten;
Brauchst da nicht über Eisgebirge zu gehn,
Denn der Weg dahin ist grün und schön.«

»Amor hüpft um mich mit seinen Gehilfen,
Göttliches Mädchen! mich umtanzen Sylphen,
Und wie der silberne Wasserquell
Ist nun meine düstre Seele hell.

Der heil'ge keusche Mond wird uns lächeln,
Zephyr wird uns in den Abendstunden fächeln;
Ich eile auf der Liebe schnellem Fittich
Und bin um eilf Uhr präzis bei Dich.

Hoch pocht mein Herz voll von tausend Dingen,
Ich kann Dir meine Gefühle nicht alle singen;
Aber dann sink' ich für seligen Schmerz,
Du meine Auserwählte! an Dein Herz.«

Antwort: Ich hoff', es werd' nicht an Gelegenheit fehlen,
Mich langsam aus dem Pfarrhause zu stehlen.
Es bleibet dabei, mein Schatz! komm nur
Im Garten zu mir um eilf Uhr.«

»Schon in beinah anderthalb bangen Tagen
Habe ich's Dir mündlich nicht können sagen,
Wie, meine Grazie! Dein göttliches Bild
Meine liebevolle Seele erfüllt.

Kronen und Reiche wollte ich gerne hingeben,
Um mit Dir ewig verbunden zu leben,
Und weder Teufel noch die ganze Höll'
Tilget Dein Bild aus meiner Seel' - -

Ach, die Fühllosen! Ach, die Tyrannen!
Die mich von Deiner Seite wollen verbannen!!
Aber posito, man trennte auch Dich und mich,
So schlägt doch immer mein Herze für Dich - -«

Antwort: »An Deiner Liebe hab' ich keinen Zweifel,
Aber ich bitte Dich, sprich nicht so viel vom Teufel;
Denn mir grauset jedesmal recht sehr,
Wenn ich seinen Namen nur nennen hör'.

Hoffnung auf günstige künftige Zeiten
Soll uns in der Liebe immer begleiten;
Das übrige sag' ich diesen Abend mündlich
Und erwarte am gewöhnlichen Orte Dich.«

»Morgen - ach! morgen droht die fürchterliche Stunde,
Lange Trennung unserm zärtlichen Bunde;
Denn, himmlisches Mädchen! ach! es ist
Alles zur Abreise zugerüst't.

Laß mich noch einmal beim keuschen Mondlichte
Sehn Dein unvergeßlich Seraphinsgesichte
Und gib, weil es nun so sein muß,
Mir zur Stärkung den Abschiedskuß.«

Antwort: »Ach, ach! werd' ich's auch können ertragen,
Dir das letzte Lebewohl mündlich zu sagen,
Ohne daß mein empfindliches Herze nicht
In hunderttausend Stücke zerbricht!!

Indessen, mein Geliebter! ich will im Garten
Dich zur gewöhnlichen Stunde erwarten,
Und da nehm' ich, weil's so sein muß,
Deinen zärtlich getreuen Abschiedskuß.«

Es sind dergleichen Billettsdoux noch mehre
Gewechselt zwischen dem Baron und seiner Stehre;
In des Barons seinen ware lauter Unsinn,
Und in Stehrens ihren nicht viel Vernünftiges drin.

Ich will also diese Materie enden
Und mich lieber zu einer andern wenden,
Und verweise allenfalls über dies Stück
Auf Siegwart, Werther und Konsorten zurück.


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