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Zwölftes Kapitel

Wie die Buhlschaft ganz inkognito zerrieben ward, ohne daß wenigstens der Herr Pfarrer Jobs etwas davon merken kunnt

Es geht den Liebhabern wie den Gaudieben,
Beide pflegen ihr Gewerb im geheimen zu üben;
Und nach dieser wohlhergebrachten Manier
Verfuhren auch unsre Liebenden hier.

Herr Hieronimus hat in einigen Jahren
Vom ganzen Handel nicht 's mindeste erfahren;
Denn nach dem Sprichwort gewöhnlich sind
Die Menschen in den nächsten Sachen blind.

Aber Esthers Mutter war pfiffiger und schlauer,
Und sie merkte es endlich und auf die Dauer,
Daß ein verliebtes Geschäfte vorging;
Denn sie kannt' noch aus alter Erfahrung das Ding.

Sie ließ, ohne die Sache selbst zu verstärken,
Sich doch gegen andre davon nichts merken;
Denn sie übertraf an Verschwiegenheit
Alle andre Frauen, alt und jung, weit.

Auch im Dorf war schon lange ein Gerüchte
Von des Barons und der Esther Liebesgeschichte,
Und es hatte sogar fast jedes Kind
Von den geheimen Händeln Wind.

Selbst die alte Herrschaft merkte diese Händel,
Und aus manchem verstohlnen Getändel,
Was ihr Herr Sohn mit Esther gemacht,
Schöpften sie allgemach Verdacht.

Zwar hielten diese ihre verliebten Blicke
In Gegenwart der Schloßherrschaft möglichst zurücke,
Und ratione ihres Betragens und Gesichts
Hätt' man sollen denken: mir nichts, dir nichts.

Aber Verliebte können just in allen Fällen
Nicht andre täuschen und sich immer verstellen;
Das Ding währet höchstens eine Zeitlang,
Denn Naturtrieb gehet vor Zwang.

Besonders erregten die Besuche und Gänge
Nach dem Pfarrhause wegen ihrer Menge
Aufmerksamkeit und gerechten Argwohn
Über Jungfer Esther und den jungen Baron.

Aber daß es Ernst sei mit dieser Minne,
Stieg ihnen nie zu Gedanken oder zu Sinne,
Vielmehr glaubten beiderseits sie,
Es sei nur 'ne spaßhafte Galanterie.

Der alte Herr wußte aus jüngern Zeiten,
Wie wenig dergleichen Buhlschaften bedeuten,
Denn er hatte selbst manchen temporellen Roman
Mit unadligen Mädchen gesponnen an.

Und die gnädige Frau tat mit allem Vertrauen
Auf die hochadlige Gesinnung ihres Sohnes bauen,
Der nie durch eine Mesallianz
Verdunkeln würde des Geschlechtes Glanz.

Hatte übrigens einen baumstarken Glauben,
Der Herr Sohn würde Esthern ihr Kränzchen nicht rauben,
Sondern daß alles nur abgesehn sei
Auf eine platonische Löffelei.

Man ließ also diese Liebesgeschichten,
Ohne den Herrn Jobs davon zu benachrichten,
Als ein Bagatell auf sich beruhn,
Wie wir denn vor der Hand auch tun.


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