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Neunzehntes Kapitel

Wie Hieronimus zu Ohnewitz ankam, und wie er mit dem jungen Herrn als Hofmeister nach der Universität reiset, und so weiter

Ich habe von der Reise nichts weiter zu sagen,
Als daß man ohne Anstoß nach einigen Tagen
Ins Ohnewitzer Territorium kam
Und die Reise ein glückliches Ende nahm.

Als sie aber beide dem Dorf waren nahe
Und Hieronimus den Kirchturm zu Ohnewitz sahe,
Liefe ihm über die Haut der Schweiß
Kalt wie im Wintermonate das Eis.

Denn er erinnerte sich mit erneuerten Schmerzen,
Wie sehr ihm das Exil damals gegangen zu Herzen
Und was er alles seit seiner Flucht
Sonst noch erfahren hatt' und versucht.

An seinem Beispiel läßt sich greifen mit beiden Händen,
Wie wunderlich die menschlichen Fata sich oft wenden:
Vormals jug man ihn mit Prügeln fort,
Und nun erscheint er als Hofmeister dort.

Als sie endlich in den Schloßplatz gefahren,
Demnächst aus dem Wagen gestiegen waren,
Und Herr von Ohnwitz seine Dame embrassiert,
Hat er ihr seinen Gast bald präsentiert.

Sie hat ihn beim ersten Anblick wiedererkennet,
Ihn ihren alten Freund und Erretter genennet
Und ließ hierauf den frohen Hieronimus
Allerhöchstgnädigst zum Rockkuß.

Aber nun ging's aufs neue an ein Fragen,
Was sich wohl alles mit ihm habe zugetragen,
Wo er gestecket und warum er
Nicht eher nach Ohnwitz gekommen wär'.

Man sagt, Damen wären überhaupt neugierig,
Drum war auch diese Dame alles zu wissen begierig,
Und wirklich erfuhr auch die gnädige Frau
Von ihm alle passierte Dinge genau.

Sie hat ihn herzlich ob seinen Schicksalen bedauert,
Besonders über die Flucht von Ohnewitz getrauert,
Und daß man mit so grobem Ungestüm
So unschuldig damals begegnet ihm.

Aber über einige ihm arrivierte Sachen
Wollte sie auch fast sich zu Tode lachen;
Besonders machte es ihr große Lust,
Daß seine Frau die Zeche bezahlen gemußt.

Übrigens hat sie von ihrem Gemahl vernommen,
Daß Hieronimus nach seinem Tode mehr Verstand bekommen,
Und deswegen stimmte sie auch gern bei,
Daß er Hofmeister des jungen Herren sei.

Er ward noch baß auf dem Schlosse von Jungen und Alten
Als im 27ten Kapitel des ersten Teils, Vers 9 und 10 gehalten,
Und er hatte niemals, weder vorher noch hernach,
In seinem Leben so gute Tag'.

Aber mancher Ohnwitzer Flegel von Bauer
Sah über seine Ankunft sehr scheel und sauer,
Denn sie dachten aufs neue daran,
Was ihnen Fiskus seinetwegen getan.

Der brave Hieronimus aber schlug sich
Alle ehemalige Schmach aus dem Sinn und betrug sich
Gegen Reiche und Arme, alt und jung
Vor wie nach mit Klugheit und Mäßigung.

Der junge Herr Baron ward ihm bald gewogen,
Denn er war sehr artig und gut erzogen
Und hatte dabei weit mehr Verstand
Als sonst meistens ein junger Herr vom Land.

Auch hatten sowohl sein nicht ungelehrter Herr Vater
Als auch sein bisheriger geschickter Informator,
Mit Ernst auf seine Bildung bedacht,
Ihm alle seine Kenntnisse beigebracht.

Nun ließ sich Hieronimus von dem jungen Herren
In vielen nötigen Sachen unvermerkt belehren;
Also legte er nach und nach in Sprachen und
Humanioribus einen guten Grund.

.

Auch solang' sein Aufenthalt zu Ohnwitz gewähret,
Hat er fleißig mit allerlei Büchern verkehret
Und manchesmal die ganze liebe Nacht
Auf der Schloßbibliothek studiert und gewacht.

Zur Erholung spazierte er dann und wann mit seinem Eleven
In Feld, Wald oder nach den Bauerhöfen,
Und da lernte er beiläufig noch manches Stück
Aus der Ökonomie und der Physik.

Mit dem jungen Herrn von Ohnwitz zu ziehen
Abgeredetermaßen nach Akademien,
War endlich die bestimmte Zeit da,
Und man machte die Präparatoria.

Westen, Nachtmützen, Strümpfe, Halstücher,
Hemden, Schlafpelze und mancherlei Bücher
Packte man ein im Überfluß,
Sowohl für den jungen Herrn als Hieronimus.

Kisten und Koffer waren fast schier zu enge,
Denn von allem war da die schwere Menge,
Doch billig zieh' ich allem übrigen vor
Die mitgegebenen 500 Louisd'or.

Ein Lakai mußte sie zur Bedienung begleiten.
Wir lassen sie nun in Gottes Namen fahren oder reiten,
Genug, Baron, Hieronimus und der Lakai
Kamen glücklich an auf der Akademei.


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