Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechszehntes Kapitel

Bei welcher guten Gelegenheit Herr von Ohnewitz nach Schildburg gekommen tut der Autor hier aufrichtig erzählen

Gleich darauf ist auf des Herrn Patrons Verlangen
Hieronimus mit ihm in sein Logis gegangen,
Um daselbst bei einem Gläslein Wein
Sich des Wiedersehens desto mehr zu freun.

Denn gemeinlich läßt sich unterm Trinken und Zechen
Vernünftiger und vertraulicher miteinander sprechen,
Und mancher sonst gar trockne Diskur
Bekommt da gleichsam eine andre Natur.

Herr von Ohnewitz sagte, mit der gegenwärtigen Reise
Verhalte es sich eigentlich auf folgende Weise:
Eine alte Tante im Schwabenland,
Welche sich sehr schwach und kränklich befand,

Wollte noch vor ihrem gottgefälligen Absterben
Herrn von Ohnwitz, ihren Paten, einsetzen zum Erben,
Entbote also schleunig den Herrn Cousin
In dieser Absicht nach Schwabenland hin.

.

Sobald nun die gedachte liebe Tante
Diese Nachricht ihrem lieben Cousin sandte,
So ermangelte derselbe nicht,
Ihr zu entrichten die christanverwandtliche Pflicht,

Um zu erhalten ihren letzten frommen Segen;
Denn sie besaß ein großes Vermögen,
Teils in Natura, teils auf'm Papier,
Nebst Möbeln, Juwelen und Silbergeschirr.

Nun lauerten zwar lange auf ihr Absterben
Im Schwabenlande andre Kollateralerben;
Jedoch der Herr Pate von Ohnwitz allein
Sollte nach ihrem letzten Willen der Erbe sein.

Er hatte sie höchst schwach angetroffen,
Sogar, daß sie wider alles Verhoffen
Drei Tage nach gemachtem Testament
Heimfuhre aus diesem Elend.

.

Herr von Ohnewitz, den ihr Betragen sehr rührte,
Besonders als er sah, daß sie agonizierte,
Drückte ihr persönlich die Augen zu
Und wünschte ihr eine angenehme ewige Ruh.

Nachdem er drauf in kurzem alles das Seine
Von dieser Erbschaft gebracht hatte ins reine,
Kehrte hochgedachter Herr von Ohnewitz
Wieder zurück nach seinem freiherrlichen Sitz.

Und da mußte zu beiderseitigem Vergnügen
Es das Schicksal so wunderbar drehen und fügen,
Daß Herr von Ohnwitz in seinem Retour
Durch Schildburg bei dieser Gelegenheit fuhr.

Weil nun bekanntlich die Gastwirte in Schwaben
Besondre Fertigkeit im Schneiden und Erzählen haben,
So machte auch Herrn von Ohnwitz Wirt zur Hand
Ihn mit des Hieronimi Geschichte bekannt.

Folglich läßt sich nun ohne Lügen und Mühe
Die im dreizehnten Kapitel erzählte Entrevüe
Erklären, und daß solche geschehen sei
Ohne Wunderwerk und ohne Hexerei.


 << zurück weiter >>