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Zweites Kapitel

Darin wird ausführlich gehandelt von dem braven Betragen des Herrn Jobs in seinem Pfarramte

Welch schönes Exempel in Lehr' und Leben
Herr Pfarrer Jobs den Ohnwitzern gegeben,
Das haben wir, obgleich kurz und in Eil',
Schon gesehn Kapitel 32 im zweiten Teil.

Es glich ihm im ganzen Schwabenlande
Kein Amtsbruder an Frömmigkeit und Verstande,
Und keiner streuete so wie er
Den Samen des Guten um sich rund her.

An seinen vortrefflichen Kanzelgaben
Konnten nicht bloß die Ohnwitzer sich laben,
Sondern auch aus der Ferne durch dick und dünn
Ging man sonntags, um ihn zu hören, hin.

Denn seine Reden waren kräftig und rührend,
Seine Spruchbeweise echt und überführend,
Und Ausführung und Applikation
Alles im populären Ton.

Seine Antezessores im Pfarramte
Hatten geschriebene Predigten für gesamte
Sonntage im ganzen Jahr,
Auch für jedes hohe Fest ein paar.

Da brauchten sie also sich nicht zu genieren,
Um auf neue Predigten zu studieren,
Sondern sie hielten jene jahraus jahrein
Von Neujahr bis zu den Unschuldigen Kinderlein.

Auch für außerordentliche Begebnissen,
Kopulationen, Taufen und Begräbnissen,
Hatten sie in ihrem Pulte früh und spat
Einige hübsche Reden im Vorrat.

Diese wußten sie dann nach Standesgebühren,
Nach Proportion der Zahlung zu extendieren;
Denn wo es nur wenig Gebühren gab,
War die Rede meist etwas schal und knapp.

Einige trieben ihre Kunstgriffe noch weiter
Und nahmen sogar als rüstige Reiter
Aus der Postille sich dann und wann
Sonntags eine Predigt zum Vorspann.

Herr Pfarrer Jobs hatte aber gar nicht nötig,
Seine Predigten zu haben vorrätig,
Denn sein geistliches Rednertalent
War, wie wir schon wissen, exzellent.

Er brauchte nur einmal am Ärmel zu rütteln,
So konnte er gleich 'n halb Dutzend herausschütteln;
Das heißt: Ihre Verfertigung tat gar nicht weh,
Er konnte sie machen ex tempore.

Ohne sich an gewöhnliche Texte zu binden,
Pflegte er immer solche zu wählen und zu finden,
Welche die Gelegenheit oder sonst'ges Bedürfnis
Ihm als nützlich für die Leute anwies.

Seine Bibliothek war schön und auserlesen,
Größer als je bei einem Dorfpfarrer gewesen,
Jedoch unter allen seinen Büchern traf man
Keine einzige Postille an.

Wenigstens in seinen öffentlichen Reden und Lehren
Ließ er nie etwas Heterodoxes hören,
Und er wiche keinen Fingerbreit von
Der Augsburgischen Konfession.

Er vergab sich nicht die allerkleinsten Partikeln
Von den einmal beschwornen Schmalkald'schen Artikeln,
Und daran handelte er klüglich gewiß,
Denn er vermied dadurch manches Ärgernis.

Zwar war er Punkto der symbolischen Bücher
Hier und da nicht so ganz feste und sicher,
Doch hielt er sich bei solchem Dubium
Gegen andere gewöhnlich dumm.

Wenn ein Schaf seiner Herde abwärts wiche
Oder auf verbotnen Wegen herumschliche,
So war er immer auf seiner Hut
Und lockte es wieder mit Pfiffen der Sanftmut.

Er betrachtete im Strafen keine Personen,
Achtete nicht auf Stand, Würden und Konnexionen,
Sondern schor jedes Ohnwitzer Schaf und Lamm
Unparteiisch über einen Kamm.

Obgleich diejenigen, welche Bockstreiche machten,
Ihm ansehnliche Küchengeschenke brachten,
Nahm er sie drum nichtsdestoweniger
Privatim unter vier Augen her.

Der Herr Amtmann sowie der Küchenschreiber,
Der erste Schulze sowie der Kühtreiber
Galten ihm alle insoweit eins,
Denn er schonte, wo's nötig war, keins.

Selbst der gnädigen Frau und dem gnädigen Herren
Gab er scharfe Vermahnungen und derbe Lehren,
Wenn er etwa an ihrem Seelenzustand
Eine Kleinigkeit auszuflicken fand.

Doch pflegte er niemals öffentlich zu schmälen
Und jeden Unfug des Sonntags zu erzählen,
Schlug auch nie im geistlichen Eifer und Wut
Seine Hand und das Kanzelbänkchen kaputt.

So gewann er vollkommene Liebe und Vertrauen
Im Dorfe bei allen Mannen und Frauen,
Und sein gutes Gerüchte erschall
Im ganzen Lande rund überall.

Die Ohnwitzer alle, Grobe und Feine,
Alte und Junge, Große und Kleine,
Wären allenfalls gerne kühn
Aus Liebe durch's Feuer gelaufen für ihn.

Die Bauern machten gemeinlich schon von ferren
Einen Kratzfuß für den lieben geistlichen Herren,
Und jede Bäu'rin war schnell und fix,
Wenn sie ihn sahe, mit ihrem Knix.

Ja sogar die kleinen Mädchen und Knaben,
Wenn Herr Jobs ihnen begegnete, gaben
Ihm mit allem möglichen Anstand
Verehrungsvoll und freundlich die Kußhand.

Ehmals waren leider die Ohnwitzer Kinder
Erzogen schlimmer wie Böcke und Rinder;
Aber seit Pfarrers Hieronimi Zeit
Lernten sie Zucht und Ehrbarkeit.

Denn er machte es zur Pflicht bei ihren Alten,
Sie fleißig zu Schulen und Sitten anzuhalten,
Und ließ es seinerseits auch ermangeln nicht
An 'nem guten christlichen Unterricht.

Er gab öfters in der Schule Visiten,
Um bei dem Dorfschulmeister zu verhüten,
Daß seine künftige Pädagogei
Nicht so pedantisch wie vormals sei.

Denn ehmals gab's von der Rute und dem Bakel
Auf'm Hintern und Rücken manchen blauen Makel,
Oft wurden gar Rippen und Arme krumm
Und die Kinder vom Lernen vollends dumm.

Diesen Übeln in der Schule auszuweichen,
Pflegten sie vormals gerne vorbeizuschleichen,
Und sie sahn das in die Schulegahn
Als ihr größtes Kreuz und Unglück an.

.

Aber jetzt wurden die Prügel abgeschaffet
Und die fehlenden Kinder mit Worten bestrafet,
Drum gingen sie nunmehr sittig und fein
Gern in die Schule, um zu lernen, hinein.

Da taten sie also mächtig profitieren
Im Schreiben, Lesen und Buchstabieren,
So daß ein unmündiges Kind von acht Jahr
Jetzt gelehrter wie der alte Dorfschulz war.

Auch die vorigen Ohnwitzer Herrn Pastores
Bekümmerten sich nicht viel, wie es um die Mores
Ihrer anvertrauten Herde stand,
Wenn sich sonst nur alles in statu quo befand.

Drum war im Dorf Haß, Streit, Fressen, Saufen,
Büberei, Unzucht, Balgen und Raufen,
Dieberei, Prellerei, Neid und Betrug
Sehr gemein und schier täglich genug.

Fast alle Sonntage war in der Schenke
Schlägerei, Schimpfen, Lärm und Gezänke,
Und immer in jeder folgenden Woch'
Mußten ein paar zur Strafe ins Hundeloch.

Auch gab's dabei viele ansehnliche Brüchten
In die Kanzleikasse gewöhnlich zu entrichten,
Und insoweit sahn die Justizherrn
Dergleichen Unfug eben nicht ungern;

Aber seitdem Herr Jobs die Pfarre bekommen,
Hat man wenig oder wohl gar nicht vernommen,
Daß es Brüchten gab oder einer ins Hundeloch
Wegen verübeter Exzesse kroch.

Denn seine vortrefflichen Kanzellehren
Mußten fast jeden Sünder bessern und bekehren,
Besonders sein eigenes Leben war
Ein echtes Tugendenexemplar.


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