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Dreiunddreißigstes Kapitel

Wie sich Ehren Jobs im guten Wohlstande bis dato befindet, und wie seine Mutter starb, und wie seine Schwester ihm gut haushält

Ehren Jobs befand sich immer im Wohlstande
Und ward bald berühmt im ganzen Lande,
So daß manche ansehnliche Stadt
Ihn zum Pfarrer verlanget hat.

Aber er schlug aus alle Vokationen,
Entschloß sich, bis ans Ende zu Ohnwitz zu wohnen,
Und bleibet auch, seinem Entschlusse getreu,
Bis auf die jetzige Stunde dabei.

Er hätte auch schon können werden Professer,
Aber er steht sich als schlichter Pfarrer weit besser,
Weil meistens ein Professoriat
Viel Arbeit und wenig Einkünfte hat.

Auch einige ansehnliche Provinzen ernennten
Ihn schon lange zum Superintendenten;
Allein er zieht wieder den simpeln Pastor
Jedem großen Superintendenten vor.

In manchem gedruckten, gut rezensierten Werke
Bewies er in der Gelehrsamkeit seine Stärke;
Jedoch schrieb der Autor Hieronimus
Aus Bescheidenheit immer als Anonymus.

Von seinem ehmaligen Abc-Buche waren
In Ohnwitz noch hie und da Exemplaren;
Diese kaufte er, wo er sie fand,
Und opferte sie dem Vulkan zur Hand.

Wollten manche Autoren sich dies wohl merken
Und ebenso tun mit ihren frühern Werken,
So handelten sie wahrlich weislich und klug,
Denn man hat der elenden Bücher genug.

Viele Gesellschaften nützlicher Künste
Nahmen ihn wegen seiner großen Verdienste
Auf in ihre hochgelehrte Zahl
Und machten ihn förmlich zu ihrem Sodal.

Auch eine der berühmtesten Akademien
Krönte gratis sein gelehrtes Bemühen
Und sandte ihm mit großem Kompliment
Das Doctoris Theologiae-Patent.

Auch hat der Fürst ohne sein Wissen und Begehren
Ihn mit Konsistorialratstitel tun beehren;
Er hat zwar alle diese Ehren nicht veracht't,
Aber doch davon nie Gebrauch gemacht.

Seine Mutter hat leider nur vier Jahre
Vergnügt durchlebt bei ihm auf der Pfarre,
Und er hat immer als treuer Sohn sie
Geliebt und gepfleget spat und früh.

Sie war sehr geplagt mit hysterischen Schmerzen,
Hatte öfters Drücken am Magen und Herzen,
Und längst schon traf man kein'n einzigen Zahn
In ihrem Munde zum Beißen mehr an.

Drum verschlang sie meist die Speisen ungekauet,
Diese wurden also nicht gehörig verdauet;
Das erregte nun manche Indigestion,
Und Wassersucht war endlich die Folge davon.

Auch ward die Frau leicht zum Ärger beweget
Und so die Galle heftig oft erreget,
Denn um 'ne Nadel oder ein Ei
Erhub sie manchmal Zetergeschrei.

Der Kümmelbranntwein konnt' zwar oft lindern
Und ihr Magen- und Herzweh augenscheinlich mindern,
Denn er trieb die Winde salva venia in die Höh'
Und kurierte, wie sie sagte, das »historische« Weh.

Drum machte sie's wie viel andre alte Frauen,
Welche sich oft ärgern und nicht gut verdauen;
Nämlich, weil sie sich dabei so wohl befand,
Hatte sie den Branntweinskrug immer zur Hand.

Sie hätte gerne noch länger hier geweilet,
Aber der Sensenmann hatte mit ihr geeilet,
Und weil es denn nicht anders konnte sein,
So schlief sie als 'ne gute Christin ein.

.

Man wollte sie in der Kirche bei der Orgel begraben,
Das wollte Herr Hieronimus aber absolut nicht haben;
Denn er glaubte, der Kirchhof sei schicklicher zu
Der abgestorbenen Leiber Ruh'.

Er hat deswegen auch nachdrücklich befohlen,
Daß, wenn Freund Hein ihn dereinst würde abholen,
Man auch an ihm gleichfalls beileibe nicht
In der Kirche vollstrecke die letzte Pflicht.

Darin ist er nun billig hoch zu rühmen;
Denn für ein Gotteshaus will's sich nicht geziemen;
Daß darin garstiger Leichengestank
Die Zuhörer mache übel und krank.

Er hat sogar getan vernünftige Vorschläge,
Daß man den Kirchhof auswärts des Dorfs verlege,
Damit nicht etwa 'ne zu nahe Gruft
Seuchen bringe und verpeste die Luft.

Besonders pflag er noch immer dran zu denken,
Daß man ihn einst hatte wollen lebendig versenken;
Er war also fleißig darüber aus,
In Ohnwitz zu errichten ein Leichenhaus.

Weil aber solches Gebäude gegenwärtig
Wegen allerlei Hindernis schwerlich wird fertig,
So macht er sich es zur strengsten Pflicht,
Die Toten vor'm fünften Tag zu begraben nicht.

Sintemal wir vom Erzbischof Willigis lesen,
Welcher eines Rademachers Sohn gewesen,
Daß er zum Andenken ein Wagenrad
Zu Mainz sich zum Wappen gewählet hat,

So ließ auch er, um des vorigen nicht zu vergessen,
Noch sich seines jetzigen Standes zu übermessen,
In seinem Musäo über der Tür vorn
Malen ein großes Nachtwächterhorn.

Damit hat er andern ein Exempel gegeben,
Daß man sich im Glücke nicht müsse überheben;
Denn gewöhnlich tut einer groß und dick,
Wenn ihn aus dem Staube hebet das Glück.

Seine Schwester geht jetzt im 23ten Jahre
Und ist noch immer bei ihm auf der Pfarre,
Sie liebt ihn und hält ihm trefflich Haus,
Sieht auch noch immer schon blühend aus;

Ist gefolglich zum Heiraten nicht verdorben,
Deswegen haben viel Freier um sie geworben,
Aber sie fand noch keinen bequem,
Daß sie ihn zu ihrem Manne nähm'.

Einige wollen unmaßgeblich meinen,
Als tät es manchmal nicht undeutlich scheinen,
Daß der junge Herr Baron von Ohnewitz hätt'
Absicht auf sie fürs Ehebett.

Wenigstens ist sie sehr gut von ihm gelitten
Und hat wegen ihrer Artigkeit und guten Sitten
Es auf dem freiherrlichen Ohnwitzer Schloß
Auch beim Herrn und der gnädigen Frau gar groß.

Alle Ohnwitzer mögen sie gut leiden,
Denn sie behandelt sie freundlich und bescheiden,
Erkundigt sich bei ihnen nach Kindern und Vieh,
Nach Knechten und Ochsen und Mägden und Küh'.

Bauern, welche für die Küche was präsentieren,
Pflegt sie mit Tabak und Schnaps zu regalieren,
Und die Bäurinnen bekommen den Tee
Oder, wenn's Präsent der Müh' wert ist, Kaffee.

Übrigens ist gewiß, daß in keinem Dorfe nirgends,
Weder im Römischen Reiche noch sonst irgends,
So gute und vernünftige Leute sind,
Als man sie jetzt zu Ohnewitz find't.

.

Da sieht man, wie schön eine geistliche Herde
Unter guter Anführung gebildet werde;
Indeme hier das Sprichwort eintraf:
Wie der Hirte ist, so ist das Schaf.


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