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Sechstes Kapitel

Taten und Meinungen des Hieronimus in seinen Knabenjahren, und wie er in die Schule ging

Von den andern Kinderjahren unsers Helden
Kann ich zwar ebenfalls nicht viel melden,
Sintemal die Laufbahn des Lebens sein
Bishero gewesen noch eng und klein.

Gefolglich ist von seinen Taten und Werken
Eben nichts Sonderliches anzumerken;
Jedoch blieb immer, so lang er noch jung,
Essen und Trinken seine Hauptbeschäftigung.

Er hatte aber sonst noch viele gute Gaben,
Spielte lieber mit Mädchen als mit Knaben,
Zankte und neckte auch oft beim Spiel
Und machte der losen Streiche viel.

Auch lernte er ohne sonderliche Mühe
Lügen, Fluchen und Schwören frühe
Und hat dadurch in der Nachbarschaft
Bei andern Kindern viel Erbauung geschafft.

Er schluckte und naschte ebenfalls gerne,
Aß Obst, Rosinen und Mandelkerne
Und kaufte für sein bekommenes Geld
Die leckersten Sachen von der Welt.

Mit seinen Geschwistern konnt' er sich nicht vertragen,
Aber sein Vater tat ihn nie schlagen,
Und seine Mutter, die gute Frau,
Nahm auch selten alles so genau.

Auch war er viel größer als andre Kinder,
Keiner seinesgleichen sprang und lief geschwinder,
Und kein einziger war so stark als er,
Und wer ihn erzürnte, den nahm er her.

.

Da es ihm nun nicht fehlte an Kräfte,
So verrichtete er manche Hausgeschäfte,
Holte zuweilen Futter fürs Vieh
Und unterzog sich der Ökonomie.

Oder er ritte die Pferde in die Tränke,
Oder er holte Bier aus der Schenke,
Brachte auch manches frische Ei
Aus dem Hühner- und Gänsstall herbei;

War auch sonst ein guter dummer Junge,
Hatte dabei eine starke kräftige Lunge
Und predigte oft auf der Bank aus Scherz.
Dies alles ging seinen Eltern ans Herz.

Denn sie sahen mit innigstem Vergnügen
Solche Talente im Hieronimus liegen
Und dachten sehr oft in ihrem Sinn:
Da stecket gewiß ein Pfarrer in.

Besonders die Mutter, wenn sie dran dachte,
Was ihr vormals Frau Schnepperle sagte,
Und an ehmals gehabten Traum,
Wußte sich für Freude zu lassen kaum.

Denn alles schien sich zusammen zu schicken
Und die Sache natürlich auszudrücken;
Und wenn sie dieses erwöge, so war
Der künftige Pfarrer hier offenbar.

Er wurde also und dergestalten
Fleißig zur Schule angehalten,
Welches doch Hieronimo übel gefiel,
Denn er war viel lieber beim Spiel.

Und die Bücher waren ihm zuwider,
Er warf sie oft auf die Erde nieder,
Und bei dem lumpen A, B, C, D
Tat ihm immer der Kopf weh.

Zwar der Präzeptor tat sich bemühen,
Ihn zu allem Guten zu erziehen,
Und er und die Rute in Kompanie
Arbeiteten fleißig an seinem Genie.

Dieser Mann hatte vorzügliche Gaben,
Zu erziehen mutwillige Knaben,
Und auf ihre Hosen und Rock
Spielte sehr oft sein mächtiger Stock.

Nach vielem Bemühen und sauerm Schweiße
Gelang's des Mannes herkul'schem Fleiße,
Und Hieronimus buchstabierte bald,
Als er ohngefähr war zehn Jahr alt.

Wie alt er aber eigentlich gewesen,
Als er fertig das Deutsche konnte lesen,
Das weiß ich eigentlich in der Tat
Nicht so genau und akkurat.

Da er nun zu größern Jahren gekommen,
Ward er aus der Deutschen Schule genommen,
Und, um zu lernen das Latein,
Geschickt in die Lateinische Schule hinein.

Wie es ihm nun daselbst ergangen,
Und was er Gutes sonst angefangen,
Dieses stell' ich dem Leser hier
In dem folgenden Kapitel für.


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